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Ausgabe: | 1876 |
Spalte: | 508-511 |
Autor/Hrsg.: | Atzog, Johs. |
Titel/Untertitel: | Handbuch der Patrologie oder der älteren christlichen Literärgeschichte 1876 |
Rezensent: | Harnack, Adolf |
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Theologifche Literaturzeitung. 1876. Nr. 20.
plaats in de Paulinische antliropologie (I, 1, S. 39—67).
In Form einer Revifion der Arbeiten von Holften, Lüdemann
und Pfleiderer begründet der Verfaffer die Sätze:
dafs der vovg nicht Subftanz fondern nur Organ ift,
dafs er nicht einen feften Inhalt hat, fondern eine Form
ift, in welcher fowohl diefer als jener Inhalt anwefend
fein kann (S. 53), dafs er jedoch gegen feinen Inhalt
nicht indifferent ift, indem es vielmehr feinem Wefen ent-
fpricht, mit Gott in Beziehung zu ftehen, fo dafs es alfo
eine Verfchlechterung des vovg ift, wenn er, was allerdings
möglich und thatfächlich eingetreten ift, unter die
Herrfchaft der aägS geräth (S. 60). Der Verfaffer ftimmt
demnach gegen Holften und Lüdemann mit Pfleiderer
(bef. mit deffen Abhandlung in Hilgenfeld's Zeitfchr. 1871)
darin überein, dafs es auch fchon im natürlichen Men-
fchen einen pofitiven Anknüpfungspunkt für die Wirk-
famkeit des göttlichen Geiftes giebt (S. 66 f.). — Das
Thema des zweiten Beitrages ift Paulus en zijn evan-
gelie I, 2, S. 93—121). Auf Grund von Stellen wie
Phil. 3, 6 u. a. fucht der Verfaffer hier zu zeigen, dafs
Paulus bis zum Zeitpunkt feiner Bekehrung in feinem
pharifäifch-gefetzlichen Eifer fehr ficher und entfchieden
und von der pharifäifch-gefetzlichen Gerechtigkeit auch
vollkommen befriedigt war, weshalb es mindeftens fehr
fchwierig fei, die plötzliche Bekehrung zu begreifen ohne
Annahme eines äufseren Ereignifses, einer von aufsen
kommenden Einwirkung auf den Apoftel. Dabei ift der
Verfaffer aber befonnen genug, über diefes ,fchwierig'
nicht hinauszugehen und die eigentliche Entfcheidung
der Frage der Dogmatik zu überlaffen (S. 106 f.). Indem
er dann weiter hervorhebt, dafs aus der Thatfache der
Bekehrung die Genefis des paulinifchen Evangeliums abzuleiten
fei, ftellt er den fehr richtigen und für das innere
Verftändnifs der paulinifchen Lehre wichtigen Gefichts-
punkt auf, dafs es fich für Paulus nicht fowohl um die
Frage handelt, wie die Gerechtigkeit zu Stande kommt,
als vielmehr um die Frage, wie das PI eil befchafft wird
(S. 117). Erftere kommt nur in Betracht als Vorausfetzung
für letzteres. Das Heil aber ift befchafft worden
und wird befchafft durch den gekreuzigten und zur
Herrlichkeit erhobenen Chriftus. Dies ift der Grundgedanke
des paulinifchen Evangeliums, der eben aus der
Thatfache feiner Bekehrung entfprungen ift. — Der dritte
Beitrag erörtert Het begrip aüpa Inj Paulus (I, 4, S.
322—347). Er giebt eine fehr forgfältige und gründliche
L nterfuchung des Verhältnifses des neuen Auferftehungs-
leibes zu dem alten farkifchen Leibe, befonders auf Grund
von I Kor. 15 und II Kor. 5, bei Auslegung letzterer
Stelle hauptfächlich an Klöpper's Auffatz (in Hilgenfeld's
Zeitfchr. 1862) fich anfchliefsend. — Der vierte Beitrag
endlich behandelt De rechtvaardigingsleer (II, 2 S. 113—
141), oder vielmehr die Frage, welche Beziehung zwifchen
der Rechtfertigung und der Verleihung des nvivf.ta D-eov
bei Paulus befteht (S. 116). Es wird anerkannt, dafs ein
directer Zufammenhang zwifchen beiden in der Art,
dafs die eine aus der anderen abzuleiten wäre, nicht
befteht (S. 128). Doch fucht der Verfaffer einen indirec-
ten Zufammenhang aufzuzeigen, infofern nach Rom. 5,
12—21 die Gerechtigkeit durch Chriftum als wirkfames
Princip in die Welt gekommen ift, analog dem ehedem
wirkfamen Princip der Sünde. Diefe als principielle
Macht in der Welt wirkfame Si/.aio&ivr, ftehe in der Mitte
zwifchen der blofs zugerechneten und der factifch im
Mcnfchen vorhandenen Gerechtigkeit und bilde das
Bindeglied zwifchen beiden (S. 128 f.). Die Richtigkeit
diefes Gedankens wird wohl zu bezweifeln fein. Richtig
ift dagegen, wenn der Verfaffer (S. 130 ff.) ein anderes
Bindeglied zwifchen der zugerechneten und der realen
Gerechtigkeit in dem Begriff der nimig findet, indem
allerdings der Glaube einerfeits die Vorausfetzung der
Gerechtfprechung, andererfeits die Vorausfetzung der
Geiftesmittheilung ift.
Wir wünfehen, mit Obigem das Intereffe der theo-
logifchen Kreife Deutfchlands für das neue Unternehmen
geweckt zu haben. Möchte den verdienten Herausgebern
diejenige Unterftützung nicht fehlen, welche für einen
gedeihlichen Fortgang ihres muthigen Unternehmens
nothwendig ift.
Leipzig. E. Schür er.
Alzog, Prof. Dr. Johs., Handbuch der Patrologie oder der
älteren chriftlichen Literärgefchichte. [A. u. d. T.:
Theologifche Bibliothek 7. Bd.] Freiburg i,Br. 1876,
Herder. (XIV, 572 S. gr. 8.) M. 8. 40.
Das bekannte Handbuch der Patrologie erfcheint
hier in neuer Geftalt. Zwar die Anordnung des Stoffs
ift diefelbe geblieben; aber der Umfang ift bei verändertem
Format und Druck gegen die frühere Auflage
(1869) um 13 Bogen vermehrt worden. Zunächft find
Mittheilungen aus den Werken der KW. felbft und Ana-
lyfen der bedeutendften Schriften derfclben fowie Stylproben
zahlreicher dem Handbuch einverleibt worden
(vgl. befonders den Abfchnitt über die chriftlichen Dichter
S. 507—553, in welchem eine Anzahl altchrifflichcr
Gefänge in guter Auswahl abgedruckt ift), fodann haben
auch eine Reihe von Schriftftcllern Aufnahme in dasfelbe
gefunden, die bisher fehlten oder nur beiläufig erwähnt
waren, fo z. B. Archelaus v. Cascar, Alexander v.
Lykopolis, Hofius v. Corduba, Lucifer v. Calaris,
Pacianus v. Barcelona u. A. Als g 37 ift ein neuer
Abfchnitt über die lateinifchen Bibelüberfetzungen eingefügt
. Die Erweiterungen follen, wie der Verf. felbft
bemerkt, vornehmlich den Bedürfnifsen der Curatgeift-
lichkeit, die folche gewünfeht hatte, entgegenkommen:
darum find die Nachweife der patriftifchen Bezeugung
fpeeififeh katholifcher Lehren und Inftitute in ausführlicherer
Form hier gegeben und folche Punkte hervorgehoben
, welche für die gegenwärtigen kirchlichen Con-
troverfen wichtig zu fein fchienen. Aber der Verf. wollte
auch die aus den zahlreichen neuen Publicationen gewonnenen
Rcfultate thunlichft verwenden und keine
irgendwie bedeutende Leiftung unberückfichtigt laffen, um
das Buch ,den mehrfachen Anforderungen der Gegenwart
entfprechender zu machen'.
Ueber Principicn altchriftlicher Gcfchichtsfchreibung
mit dem Verf. zu rechten, wäre ein unfruchtbares Unternehmen
. Der Standpunkt ift hier und dort ein zu ver-
fchiedener, als dafs eine Auseinanderfetzung über den
Charakter und die Entwicklung der altchriftlichen Literatur
irgend einen Gewinn verfpräche. Nur das Eine fei bemerkt
: der Lernende, der fich feine Kenntnifs der patriftifchen
Literatur lediglich aus diefem Handbuche erwirbt,
j wird in nichts daran gehindert, fich diefelbe inhaltlich
von der mittelalterlichen und heutigen katholifchen Literatur
wenig verfchieden zu denken. Die Gefchichte felbft
ift nur die Couliffe, das Individuelle und Eigenthümliche
in Styl und Lehrform, foweit es anerkannt wird, ift nur
ein Gewand, der kirchliche Schriftfteller felbft aber, fo-
fern ihm überhaupt diefes Prädicat nur zukommt, bleibt
derfelbe; er unterfcheidet fich von feinem Nachbar höch-
ftens dadurch, dafs er einen andern Ausfchnitt als diefer
aus der einen, fich immer felbft gleichen Lehre behandelt
und bezeugt hat. Und wenn denn ja einmal ein
von der gemeinen kirchlichen Lehrüberlieferung Abweichendes
bei einem der Schriftfteller anerkannt werden
mufs, fo flicht das von der fonft gleichen Folie fo grell
ab und tritt fo unvermittelt hervor, dafs es vom Unkundigen
lediglich als intellectueller oder fittlicher Mangel
aufgefafst werden kann. Diefes Urtheil ift kein zu hartes
: es beftätigt fich fchon durch einen Blick auf die
Auswahl aus "dem ganzen Material und auf die Gefichts-
punkte, die in den Abfchnitten: ,Lehrgehalt und eigenthümliche
Anflehten' nicht etwa nur in den Vordergrund
treten, fondern faft ausfchliefslich zur Geltung kommen.