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Ausgabe: | 1876 |
Spalte: | 471-472 |
Autor/Hrsg.: | Uhlhorn, Gerh. |
Titel/Untertitel: | Vermischte Vorträge über kirchliches Leben der Vergangenheit und der Gegenwart 1876 |
Rezensent: | Möller, Wilhelm |
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türlich meint, dafs die Wiedergeburt der Rechtfertigung
nachfolgen foll und mufs. Ich bemerke hier eine Ver-
nachläffigung der Nachweife Ritfchl's (im erften Bande
feiner Rechtfertigungslehre), die fich der Verfaffer nicht
hätte zu Schulden kommen laffen follen.
Hat nun Baur die beiden Centraiideen des Tractats
wenigftens in der Darftellung des Lehrbegriffs an ihrer
Stelle zu ihrem Rechte kommen laffen? Diefe Frage
kann bejaht werden für die Lehre von der fittlichen
Verpflichtung des Chriften, mufs verneint werden für die
Lehre von der religiöfen Freiheit desfelben. Zwar die
Befchreibung diefer letzteren Lehre S. 72—74 ift richtig.
Aber dafs die Erkenntnifs der ,Königsherrfchaft' und des
,Priefterthums' des Chriften als Zweckes der Rechtfertigung
eine „Neuentdeckung des Sinnes und Werthes
des Chriftenthums als Religion ift, findet man bei Baur
nicht. Wohl weil fich ihm das verdeckt hat, ift es ihm
entgangen, dafs auf diefer Idee noch befonders das Recht
beruht, unferen Tractat das Programm der Reformation
zu nennen. Die Idee der Königsherrfchaft des Chriften,
feiner Freiheit gegenüber der Welt, feiner innern Unabhängigkeit
von ihren Leiden, von ihren Freuden, bringt
eine religiöfe Stimmung zum Ausdruck, die der Katho-
licismus, deffen höchfte religiöfe Idee der timor filialis
ift, nicht kennt. Luther findet nie aufser in unferem
Tractat für diefe Stimmung das packende Wort. Die-
felbe entfehwindet ihm zwar fachlich nicht, auch giebt
er ihr gelegentlich noch Ausdruck, befonders in einigen
Predigten und in Briefen an Verzagte und Kleinmüthige.
Aber in unferem Tractat allein redet er fo deutlich davon,
dafs man volle Einficht in diefelbe erlangen kann.
Darum ift er vor allem zu nennen, wenn man fich orien-
tiren will über den genuinen Sinn der Reformation, über
das religiöfe Ideal des Proteftantismus!
Gerne fchliefse ich mit einer Anerkennung der
Baur'fchen Arbeit. Ihre unverkennbare treue Mühwal-
tung um jedes Einzelne wird allen, auch dem, welcher
ihr, wie ich, auf den wefentlichften Punkten entgegen
Etwas dürftig und farblos ift die Gefchichte des Verlaufs
des vatikanifchen Concils ausgefallen. — Neu
hinzugekommen ift ferner der die Sammlung eröffnende
Vortrag über Thomas a Kempis und das Buch von
der Nachfolge Chrifti, recht anziehend und inftruetiv,
wenn auch das hier Dargebotene wohl kaum genügt, vom
Wefen der mittelalterlichen Myftik, auf welche der Verf.
zurückgeht, eine wirkliche Vorltcllung zu geben; fodann
die zwei letzten Vorträge zur focialen Frage (1. Socia-
lismus und Chriftenthum; 2. Von der chriftlichen Barmherzigkeitsübung
), die manches recht Beachtenswerthe
enthalten.
Kiel. Möller.
Hansen, Dr. Theod., Die Familie Rambach. Aus hand-
fchriftlichen und gedruckten Quellen dargeftellt.
Gotha 1875, F. A. Perthes. (VIII, 250 S. gr. 8.)
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Diefes Werk in einer theologifchen Literaturzeitung zu
befprechen, rechtfertigt der Umftand, dafs hervorragende
Träger des Namens Rambach Theologen gewefen find;
und namentlich zwei unter diefen werden in der Gefchichte
der evangelifchen Kirche Deutfchlands und ihrer
Wiffenfchaft unvergeffen bleiben, der im Jahre 1735 ver-
ftorbene giefsner Profeffor der Theologie Johann Jacob
Rambach und der als Hymnologe bekannte hamburger
Hauptpaftor Auguft Jacob Rambach, welcher letztere
im Jahre 1851 als Senior des hamburger Minifteriums
ftarb. Ob diefe beiden verwandt feien oder nicht, war
bisher nicht ficher; dafs der letztere den erfteren einmal
(in feiner Anthologie Bd. 5 S. VI) ,feinen würdigen
Urgrofsohcim' genannt hat, fchien nicht auf völlig ficherer
Kunde zu beruhen, da er fich fonft auch anders und
namentlich weniger genau über den Grad feiner Ver-
wandtfehaft mit ihm ausgefprochen hatte. Es scheint
das Verdienft des Verfaffers der vorliegenden Schrift zu
treten mufs, Achtung abgewinnen. — Im dritten Theile, I fein, die Art der Verwandtfchaft zwifchen beiden ermittelt
wo der Verfaffer redet ,von der geiftigen Bedeutung des J Zu haben; nach ihm waren Johann Jacob R.'s Vater und
Tractats für die Theologie und Kirche Luther's und der | Auguft Jacob R.'s Urgrofsvater Vettern, nämlich Enkel
Reformation' ift wenigftens e i n Punkt, dem ich unbedingt j eines Tifchlers in Arnftadt Leonhard Rambach und
beitrete. Das ift die energifche und gefchickte Be- j feiner Frau Catharina, geborenen Jacob, welche zur Zeit
kämpfung der Lang'fchen bodcnlofen Darftellung der
Entwicklung Luther's.
Göttingen. Ford. Kattenbufch.
Uhlhorn, Ob.-Confift.-R. Dr. Gerh., Vermischte Vorträge
über kirchliches Leben der Vergangenheit und der Gegenwart
. Stuttgart 1875, Meyer & Zeller. (V, 410 S. 8.)
M. 5. -
Von den hier zufammengeftellten Vorträgen find
die auf die Reformationsgefchichte bezüglichen bereits
früher gedruckt, und fei daher hier nur erwähnt, dafs fie
jetzt um einen Vortrag über die Wiedertäufer in Münfter
vermehrt erfcheinen. Daran fchliefsen fich vier Auffätze
über das vaticanifche Concil, erwachfen aus Vorträgen,
welche der Verf. beim Beginn desfelben gehalten hat,
und welche nun durch eine Gefchichte des Concils und
eine Erörterung feiner Befchlüffe vervollftändigt find.
Es liegt in der Natur der Sache, dafs die beiden erften
diefer Vorträge (die ökumenifchen Concilien bis zur
Reformation, und: vom tridentinifchen bis zum vatikanifchen
Concile), da fie fich zu einem Ueberblick über
die Gefchichte des Papftthums, ja weiterhin des Katholi-
cismus gehalten, etwas fkizzenhaft ausfallen mufsten, d. h.
fo dafs theils auch wichtige Momente übergangen, theils
zahlreiche Einzelheiten nur fo berührt werden, dafs
bei dem nicht theologifchen Lefer nicht ohne Weiteres
auf ein völliges Verhändnifs zu rechnen ift; doch ift
die Gruppirung gefchickt und die Darftellung gefällig. I wohl nur für die Familie felbft Bedeutung. Die aus-
des beginnenden dreifsigjährigen Krieges ihren Hausftand
gründeten. Der Verfaffer hat fich diefen Nachweis, wie
er felbft merken läfst, viele Mühe koften laffen, und es
ift nach feinen Angaben auch wohl wahrfcheinlich, dafs
fich die Sache fo verhält; nur wird jeder, der die Un-
genauigkeit anderer Behauptungen feines Buches kennen
gelernt hat, auch diefen Nachweis mit Vorficht aufnehmen.
Das Buch enthält nun Mittheilungen über jenen
Leonhard Rambach und deffen gefammte Nachkommen-
fchaft bis auf unfere Tage, foweit Namen und Verhält-
nifse derfelben dem Verfaffer bekannt wurden. Die
Mittheilungen beliehen zum Theil aus ganz kurzen Angaben
von Namen und Daten, die hauptfächlich aus
Kirchenbüchern mühfam zufammengebracht, theilweife
auch wohl handfehriftlich oder mündlich von Mitgliedern
der Familie R. dem Verfaffer zugeftellt find; aufserdern
giebt der Verfaffer mehr oder weniger ausführliche
Lebensbefchreibungen von neun Mitgliedern der Familie,
von denen zwei noch nicht je drei Seiten einnehmen,
und deren längfte mit allem, was zu ihr gehört, über die
Hälfte des ganzen Buches ausfüllt, und die gröfstentheils
aus gedruckten, mitunter auch aus handfehriftlichen
Quellen zufammengcftellt find. Diefe Mittheilungen find
von fehr verfchiedenem Werthe und Intereffe. Die kürzeren
Angaben enthalten kaum mehr als genealogifche
Notizen, die überfichtlicher in einem Stammbaum zu-
fammengeftellt wären; nach der Vorrede ift die Htr-
ftellung eines folchen unterblieben, um die Druckkoften
nicht noch zu vermehren; diefe Namenvcrzeichnifse haben