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Ausgabe: | 1876 |
Spalte: | 427-430 |
Autor/Hrsg.: | Petri, Ludw. Ad. |
Titel/Untertitel: | Zum Baue des Hauses Gottes 1876 |
Rezensent: | Lehmann, Ernst |
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Theologifche Literaturzeitung. 1876. No. 16.
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die Behandlung der Trugfchlüffe, ebenfo die des Um-
fangs und des Inhalts der Begriffe. Bei der dritten
Schlufsfigur wird nicht befonders darauf hingewiefen, dafs
der Schlufsfatz nur particulär fein darf. Die unvollftändige
Induction und ihre Bedeutung wird gar nicht gewürdigt,
dagegen foll die Analogie ein unvollständiger Inductions-
fchlufs fein. Genug von der Logik! In der Pfychologie
werden die Muskelempfindungen zwar erwähnt, aber es
wird nicht gefagt, was man darunter verfteht; die Re-
produetionsgefetze der Vorftcllungen werden nicht angeführt
, auch nicht das Princip der Reihenfolge; von den
verfchiedenen Arten des Gedächtnifses oder des Memo-
rirens erfährt man nichts.
Was endlich die Form betrifft, fo ift diefe nach
meiner Anficht bei den Pötter'fchen Arbeiten fogar die
fchlechtefte Seite. Man denke an den Zweck des Buches
und fehe dann die Maffe Citate in den fyftematifchen
Ausführungen, das Nebeneinanderftellen von fo und fo
vielen verfchiedenen Meinungen, das für den Zweck
nichts nützt, aber fehr viel fchadet, da es nur verwirrt.
Der Verfaffer fagt felbft bei der Lehre vom Urtheil, die
Darftellung müffe fich hier einer möglichlt grofsen Eiri-
fachheit und Ueberfichtlichkeit befleifsigen (vgl. auch die
Vorrede zur Logik); ich meine nicht nur in diefer Lehre,
fondern überhaupt zu dem ins Auge gefafsten Zwecke,
kann aber eben nicht finden, dafs Pötter diefe Art der
Darftellung auch nur annähernd erreicht habe. Er mufs
den Mangel an Ueberfichtlichkeit wenigftens bei der
Logik felbft gemerkt haben, da er zum Schlufs noch
eine Zufammcnfaffung des logifchen Syftems auf 11 Seiten
giebt. Aber auch abgefehen von dem gerügten Hauptmangel
in der Darfteilung giebt es aufserordentlich viele
dunkle Partieen und Ungenauigkeiten im Ausdruck zu
rügen, fo dafs es ein Wunder wäre, wenn der Lernende
zu voller Klarheit käme. Der Begriff wird definirt als
eine ,Vorftellung, in welcher d a s W e f e n der betreffenden
übjecte einheitlich zufammengefafst wird'. Wie
kann man eine Einheit, wie das Wcfen ift, noch einheitlich
zufammenfafsen? Auf derfelben Seite werden
von den grundwefentlichen Merkmalen die Attribute,
welche dann wieder die Modi unter fich befaffen, untcr-
fchieden. Was aber die Attribute und die Modi find,
wird nicht gefagt. Das Rückenmark verzweigt fich von
den Wirbeln des Rückgrats aus in die verfchiedenen
Theile des Körpers. Wir haben alfo in den Füfscn,
Händen tu f. w. Rückenmark! Der Begriff der Freiheit
foll nicht identifch fein mit dem Begriffe der Wahlfreiheit
oder Willkür, aber doch foll die letztere als
überaus wichtiges Moment der Freiheit betrachtet werden,
und der freie Wille foll dann wieder unter allen Umftänden
ein inhaltsvoller fein. Es find dies Widerfprüche, die in
6 Zeilen aufeinander folgen, aus denen fich der Anfänger
fchwerlich herausfinden kann. Doch ich verzichte darauf
Weiteres zu rügen. Ich fürchte nicht, dafs die fich zum
Examen vorbereitende akadetnifche Jugend diefe Bücher
für ihre Zwecke brauchbar finden wird. Es wäre wenigftens
kein gutes Zeichen für fie, und könnte ihr auch für den
nächftliegenden Zweck fehr fchädlich fein. Es find auch
fchon andere Bücher vorhanden, welche die Logik und
Pfychologie in ebenfo oder faft eben fo knapper Form
behandeln und wegen ihrer Solidität und Ueberfichtlichkeit,
wenn einmal folche Werkchen zum Examen gebraucht
werden, zu empfehlen find.
Leipzig. Max Heinze.
1. Petri. Dr. Ludw. Ad., Zum Baue des Hauses Gottes.
Mannigfaltiges aus dem geiftl. Amte und für dasfelbc
aus dem Nachlaffe des Verf. ausgewählt und geordnet
von Rud. Steinmetz, Paft. in Loccum. Hannover
1875, Wolff. (XII, 386 S. gr. 8.) M. 4. —
2. Niemann, Ob.-Confift.-R. Gen.-Sup. Dr. F., Reden aus
dem geistlichen Amte. Hannover 1875, Meyer. (XIX,
376 S. gr. 8.) M. 5. -
In der grofsen Anzahl von Predigtfammlungen, welche
die neuere Zeit gebracht hat, find, abgefehen von dem,
was die homiletifchen Zeitfchriften bieten, die fogenann-
ten Cafualreden immer noch fpärlich vertreten. Um fo
willkommener werden die beiden obengenannten Bücher
fein, in welcher uns geiftliche Reden von zwei hervorragenden
Predigern der hannoverfch.cn Landeskirche
geboten werden.
1. Dr. Petri weil. Paftor prim. an der Kreuzkirche
zu Hannover ftarb am 8. Jan. 1873. Unter den zahlreichen
von ihm veröffentlichten Schriften verdienen vorzüglich
feine Evangelicnpredigten (Licht des Lebens, Hannover
1870, 2. Aufl.) und die Plpiftelprcdigten Salz der Erde,
Hannover 1865) eine viel weitere Verbreitung als fie bis
jetzt gefunden haben. Bekannt ift auch die im Jahre 1852
von ihm herausgegebene Agende der hannoverfchen
Kirchenordnungen. Die uns vorliegenden Reden aus
j dem geiftl. Amte find von Freundeshand aus dem Nach-
I lafs ausgewählt und geordnet, worüber das Vorwort des
! Herausgebers weitere Nachricht giebt. Sie enthalten 3
Taufreden, 7 Confirmationsreden, 10Beichtvermahnungen,
5 Traureden, 6 Leichenreden, eine kurze Auslegung des
Briefes an die Galater, eine Anzahl von 8 Amtsreden
j bei verfchiedenen Veranlaffungen und 10 Anfprachen
j an Amtsbrüder bei Conferenzen u. dgl. Petri war ein
hochbegabter und tieferfahrener Prediger, der aber nicht
; fein eigen Licht wollte leuchten laffen, fondern nur das
j Wort Gottes als das rechte Licht darfteilte. Als in den
letzten Wochen vor feinem Ende ihn Jemand bat, ihm
( feinen Segen zu hinterlaffen, hat er gefagt: ,Ich habe
! keinen Segen zu hinterlaffen, der Segen liegt im Wort,
j da holen Sie ihn fich'. Er war, man kann wohl fagen,
ein rechter Prediger von Gottes Gnaden. Der geiftliche
Nachlafs eines fo treuen Arbeiters war nicht gering. Mit
unabläffigem Fleifs hat P. das zu fprechende Wort vorher
niedergefchrieben, und fo war es möglich, aus den
forgfältig geordneten Blättern auch nach feinem Tode
j noch diefe vollftändigcn Reden der Gemeinde und den
j Amtsbrüdern nutzbar zu machen. Es ift wahr, was der
Herausgeber denfelben nachrühmt, es ift Charakter, es
ift kirchlicher Stil darin. Aus dem Vollen genommen,
' find fie reich und neu und fern von allen ausgetretenen
Gleifen, der Befonderheit angemeffen und doch ftets auf
! die Hauptfachc bezogen, frei von Phrafe und auf geift-
licher Höhe fich haltend. Herzandringend ift alles, was
P. fprach und fchrieb. Man fühlt auch dem gedruckten
j Worte an, dafs der Redner beim Sprechen die ganze
Kraft feiner Pcrfönlichkeit eingefetzt hat und dafs er,
was er fprach, aus eigner, geiftlicher Erfahrung redete.
Vernehmen wir aus diefen Reden den warmen Puls-
! fchlag des innerlich bewegten, reichen Amtslebcns, wo
j dem Paftor vor feinen Beichtkindern Jede Schranke fällt,
1 die wir fo leicht durch die Porm, das Thcorctifche oder
allerlei pedantifches Gemachte aufrichten und frank und
frei, Auge in Auge, in rückhaltlofer Wahrheit die Hand-
! lung verlaufen mufs', wo aber doch bei aller Bewegung
und Begeiftcrung der geiftliche Tact des rechten Mafses
nicht verfehlt, fo tritt uns in
2. Dr. Niemann's Reden aus dem geiftlichen Amte
j ein ebenfalls reicher Gehalt aber in reiflich erwogener,
abgemeffencr Form und immer edler Sprache entgegen,
; der wir es abfühlen, dafs fie der Ausflufs ftets im Auge
1 behaltener homiletifchcr Principicn ift. Auch nennt der
Verfaffer felbft im Vorwort als den Hauptgrund zur Ver-
j öffentlichung der Reden den Wunfeh, die Anficht über
die Aufgabe der fogenannten Cafualreden, welche er bei
! den Prüfungen junger Theologen und bei anderen durch
feine amtliche Stellung gegebenen Veranlaffungen zur
Anerkennung ZU bringen verflicht habe, auch durch