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Ausgabe:

1876 Nr. 16

Spalte:

423-427

Autor/Hrsg.:

Vogel, Aug.

Titel/Untertitel:

Philosophisches Repetitorium, enthaltend die Geschichte der Philosophie, Logik und Psychologie für Studirende und Kandidaten der Philologie und Theologie. 3 Thle 1876

Rezensent:

Heinze, Max

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423 Theologifche Literaturzeitung. 1876. Nr. 16. 424

Zinzendorf als geifUichen Dichter dürften eine Ein-
fchränkung erfahren; aber das Ganze bietet einen folchen

der Pfychologie lehren könnte, und fo der Titel nur ein
verfehlter wäre. Ich mufs aber zu meinem Bedauern

Reichthum des Anziehenden und Erbaulichen, dafs man | fagen, dafs diefe Bücher den Anforderungen, die dann
nur mit grofsem Intcreffe und Gewinn der Darftellung j an fie zu ftellen wären, nicht genügen. Es wird doch
folgt und weiteren Mittheilungen aus den profaifchen , zunächft von dem Verfaffer folcher Leitfäden — und
Schriften des unvergefslichen Mannes mit Freude ent- 1 diefe Forderungen find womöglich noch in erhöhtem

gegenfieht. Eine befondere Erbauung gewährt bei dipfen
Lebensbildern der ökumenifche, weitherzige Sinn, der,
verbunden mit einer feften Pofitivität einer energifchen
chriftlichen Natur, mit offenem, fuchendem Blick den
Spuren Chrifti in allen lebendigen Chriften in den ver

Mafse an den Verfaffer von Repetitorien zu ftellen —
gründliche Kenntnifs der Sache verlangt. Freilich kommt
es oft genug vor, dafs Jemand Lehrbücher fchreibt,
ohne Einzelforfchungen angefleht zu haben und deshalb
feine Zuflucht nur zu fecundären Quellen nehmen kann.

fchiedenen Lagern nachgeht und mit kindlicher Freude wie es z. B. Vogel nach feinem eigenen Zugcftändnifs
fie aufdeckt und darftellt. ! mit der Gefchichte der alten Philofophie geht, während

Dresden. Dr. ph. Meier.

er die Neuzeit faft durchgängig quellenmäfsig bearbeitet
haben will, und es für einen Vorzug feines Werkes hält,
,dafs es möglichft den Wortlaut des betreffenden Philo-
Vogel, Dr. Aug., Philosophisches Repetitorium, enthaltend fophen (der Philofoph hat einen Wortlaut!) wiedergiebt'.
die Gefchichte der Philofophie, Logik und Pfychologie | Sodann mufs bei folchen Büchern noch mehr als fonft
r.. c, ,. , , „ f. . ' j , . das richtige Verhältnis zwifchen den einzelnen I heilen

für Studirende und Kandidaten der Philologie und , beobachte&t und nichts Wichtiges übergangen werden
Theologie. 3 Thle. Gütersloh 1873—75, Bertelsmann, j und drittens mufs die Form möglichft klar, correet und
(VIII, 155; XI, 115 u. VIII, 142 S. gr. 8.) M. 5. 6b. j knapp fein, alles Ueberflüffige, Störende ift zu vermeiden,

weil dadurch nur Verwirrung eintritt. Diefen drei Forderungen
haben die drei verfchiedenen Theile unferes
Werkes nicht genügt.

Sehen wir zuerft die Vogel'fchc Gefchichte der
Philofophie an, fo kommen in derfelben geradezu grobe
fachliche Irrthümer vor, die auf das Wiffen des Verfaffers
ein fchlimmes Licht werfen. Es mögen blofs einige davon
erwähnt werden. Den Piaton läfst er ftatt drei Mal
fogar vier Mal nach Sicilien reifen, als ältere Akademiker
nennt er Speufippus, Krantor und Karncades (Xcno-
krates wird gar nicht erwähnt), und diefe, alfo auch
Karneades haben fleh unfruchtbaren pythagoräifchen
(fo fchreibt der Verf. ftets) Speculationen ergeben! Die
dianoetifchen Tugenden des Ariftoteles flehen höher, als
die ethifchen, weil fie die reine Form zum Objecto
haben. Ifl das wirklich mit der (pQovtjOtg, der ttxvij fo?
Die Luft hl bei Ariftoteles, fofern fie einem tugendhaften
Leben entfproffen, wünfehenswerth. Welche Lmkenntnifs
der Ariftotelifchen Ethik birgt fich in diefen wenigen
Worten! Das ethifche Princip der Stoiker foll fein: Lebe
in Uebereinflimmung mit deiner vernünftigen Natur.
Es ifl hier gerade der phyfifche Hintergrund für die
Ethik, der bei den Stoikern fo bezeichnend ift, glücklich
befeitigt. Plotin foll nur viermal in den Zuftand der
Verzückung gerückt fein; der Verfaffer verwechfelt hierbei
die Lebensdauer des Plotin mit den 6 Jahren, während
deren Porphyrius in feiner Umgebung war. Plotin fagt
von fich felbft, er fei oft entrückt worden. Der Neu-
platoniker Jamblichus ift beide Male, wo er vorkommt,
Jamblychos gefchrieben, der Skeptiker Aenefidemus alle
drei Male Anefidemus. Um auch Einiges aus der
Gefchichte der neueren Philofophie mitzuthcilen, fo
handelt die Ethik Spinoza's in Form von Lehrfätzen
und Fragen über Gott etc., die Modi find Erregungen
der Subftanz,entfchieden eine fehr fchlcchtc Ucberfetzung,
die nur irre führen kann; Berkeley ift aus dem Zufammen-
hang mit feinen Landsleuten herausgeriffen und fchliefst
fich an Leibniz und Wolff an, der Tübinger Baur wird
Bauer gefchrieben, geradezu unter die Hegelianer wird
Ulrici gerechnet; Darwin fchliefst fich an die Materialiften
Molefchott, Büchner (Carl Vogt ift vergeffen) an. Ich
denke nach diefen Irrthümern, deren Angabe fich leicht
beträchtlich vermehren liefse, wird man die Studien des
Verf.'s fchätzen können.

Faffen wir das zweite oben erwähnte Erfordernifs
in's Auge, fo ift im Ganzen das richtige Verhältnis
beobachtet, im Einzelnen aber giebt es auch dabei viel
Verfehltes. So wird Hobbes in altgewohnter Weife nur
wegen feiner politifchen Thcorieen erwähnt, und fehen
wir auf die Behandlung Kant's, fo ift die Kritik der reinen
Vernunft, wie es in der Ordnung ift, ausführlicher dar-

lnhalt: 1. Gefchichte der Philosophie von A. Vogel,
M. 2. — . — 2. Logik von F. C. Poetter. M. 1. 80. —
3. Pfychologie von F. C. Poetter. M. 1. 80.

Als Zweck foll diefes Repetitorium nach der Angabe
des Herausgebers Vogel, in der Vorrede zu Th. I.,
haben ,den Studirenden und Kandidaten das Wichtigfte
aus den philofophifchen Disciplinen in überfichtlicher
Form fpeciell für das Examen darzubieten'. Man weifs,
die preufsifchen Theologen haben jetzt auch eine Prüfung
in Philofophie zu beliehen, und diefe foll ihnen durch
vorliegendes Hülfsmittel möglichft erleichtert werden.
Man kann nun darüber fehr zweifelhaft fein, ob überhaupt
ein Repetitorium und namentlich ein verhältnifsmäfsig
fo ausführliches, wie das vorliegende, nicht nur tabellarifch
angelegte, von wirklichem Nutzen ift. Vogel meint, dafs
dadurch die meitt mit bedeutendem Zeitaufwand angefertigten
Excerpte erfetzt würden, und fleht darin einen
Vortheil feiner Arbeit. Aber gerade die Zeit, die auf
die Excerpte verwendet wird, kommt dem gründlichen
Studium, das dem Gebrauch des Repetitoriums vorhergehen
foll, damit auch wirklich etwas zu repetiren ift,
zu Gute, und ihre Anfertigung follte nicht vernachläffigt
werden. Sodann ift durch eine Arbeit, wie fie von
Vogel und Pötter ausgeführt ift, denen, die fich zum
Examen rüften, die Verfuchung fehr nahe gelegt, dafs
fie nur das Repetitorium gebrauchen und die kürzere und
bequemere, aber für fie beinahe werthlofe Arbeit, diefes
ihrem Gedächtnifs möglichft einzuprägen, der etwas
längeren, gründliche Schriften oder ihre Collegienhefte
durchzuarbeiten, vorziehen. Das Letztere kann man
wenigftens vielleicht Studium der Philofophie nennen,
Jenes ficher nicht. Und zwar Rheinen die Verfaffer
fogar für diefe Gebrauchsweife ihre Bücher beftimmt zu
haben, indem fie allerdings unfehwer vorausfetzen konnten,
dafs folche Arbeiten von der akademifchen Jugend
gefucht werden würden, fobald fie nur irgend brauchbar
feien. Vogel fpricht es in der Vorrede zu B. I. naiv
genug aus, fein Buch folle den Candidaten ,einleiten'
und zum Weiterftudiren anregen, nicht aber ,ausleiten',
er ift alfo der Anficht, fein Buch fei dazu geeignet,
einzuführen in die Gefchichte der Philofophie, und Pötter
geht in der von ihm bearbeiteten Logik und Pfychologie
bisweilen fo ausführlich zu Werke, z.B. in der Bekämpfung
anderer Anflehten, dafs man fleht, wie er weitere Zwecke
gehabt hat, als nur einwirklichesRepetitorium zu fchreiben.

Es könnte ja aber möglich fein, dafs zwar wegen
zu grofser Ausführlichkeit der nächfte Zweck eines Repetitoriums
nicht erfüllt, dafs aber doch ein brauchbarer
kurzer Leitfaden geliefert wäre, der die Studirenden
die Elemente der Gefchichte der Philofophie, der Logik,