Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1876 Nr. 16

Spalte:

422-423

Autor/Hrsg.:

Knapp, M. Alb.

Titel/Untertitel:

Sechs Lebensbilder 1876

Rezensent:

Meyer, Ernst Julius

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

421

Theologifche Literaturzeitung. 1876. Nr. 16.

422

entfpinnt fich ein Streit über zwei Aufflände — fo Zoepfifel
in den Papftwahlen und wieder in den G. g. A. — oder
einen — fo Mühlbacher, und diesmal hat letzterer offenbar
Recht; denn die beiden Quellen, ep. ad Did. und
Hub. L. fprechen überhaupt nicht von Äufftänden, fondern
von einer Gährung, welche durch jene Gerüchte
veranlafst war, und welche ebenfogut die Aufftellung
des Wahlausfchuffes, wie die Präfentation des Papftes
am Fcnftcr veranlaffen konnte. Richtig find ohne Zweifel
auch noch die Bemerkungen M.'s gegen Zoepffel über
das Auseinandergehen des Ausfchuffes, S. 94 (vgl. bei
mir S. 548), denn die Schuld trägt wohl auch hier die
Partei des Kanzlers, die überhaupt zuerft aggrcffiv und
gewaltthätig war. Dagegen halte ich den Streit über
den Todestag des Papftes Honorius vgl. M. S. 98 für
unfruchtbar, weil wir ihn nicht cntfcheiden können. Die

Knapp, Stadtpfr. M. Alb., Sechs Lebensbilder. J.J. Balde.
Gottfr. Arnold. Graf Zinzendorf. Jerem. Flatt. C. A.
Dann. Eberh. Wörner. A. u. d. T. Gefammelte
profaifche Schriften. Nach Anordnung des fei. Verf.
hrsg. 2. Thl. Stuttgart 1875, J. F. Steinkopf. (VIII,
400 S. 8.) M. 4. 60.

Der fei. Albert Knapp, deffen Name noch im
lcbendigften Andenken des evangelifchen Deutschland
fteht und deffen eigene poetifche Gaben ebenfo, wie der
von ihm herausgegebene ,evangelifche Licderfchatz'
vielen Seelen eine reiche Erquickung find, hatte die Abficht
, auch feine verfchiedenen, hin und her zerftreuten,
namentlich in der .Chriftoterpe' veröffentlichten pro-
faifchen Arbeiten, vorzugsweise biographifchen Inhalts,

zufammenzuftellen. Was ihm felbft nicht mehr vergönnt
Anhänger Anaklet s hatten die Meinung, dafs ihre Gegner *-"la* ™ t„u, ,

5L, T/Tl ümMMMU^m. au AMiHnnof Thnn^pniinK' Gft.n i war, hat nun fein Sohn übernommen. Nachdem im Jahre

en lod verheimlichen; die Anhänger Innocentius hatten '7 ' a .r. .. , t .r . c , .r, „ f

, , . rr - • w 1 ■ u u 1 * 1 i«<kJ* 1 1870 der crlte Iheil der profaifchen Schriften kn. s er-

das Intereffe, ihn nicht gleich bekannt werden zu lallen r '. .„ c . . .. ; , c . !P. , . ,

•ti 1 u <. • u • • ci,-jm *r-i,«:jnns 1 fchienen ift, folgt in vorliegender Schrift der zweite Band

— wer will da heute über einige Stunden entlchciden? ... . «• , • 1 . i> 1.

Ebenfo verhält es fich mit der Frage, M. S. 85, ob die I , r br7U!^

Partei Picrlcone's gegen die Vornahme von Schritten dem kathohfehen Dichter aus der Zeit des dreifsigjah-
zur Wahl, fo lang! der Papft noch lebte, gewefen fei, I rlSen, Krlt;gs' auf dcn Herder wieder mit lebhafte
d. h ob dies überhaupt fchon eigentliche Parteifrage Anerkennung aufmerkfam gemacht; von Gottfried

war, wenn gleich das letztere am nächften liegt.

Aus dem Abfchnitte über die Anerkennung Innocentius
' erfahren wir nichts wefentlich neues, die Motive,

Anerkennung aufmerkfam gemacht;
Arnold; von Graf Zinzendorf; von Jerem ias Flatt,
einem Waifenhaus-Provifor in Stuttgart und nachher
einem Privatlehrer (,von Aufsen ein geringer Hauslehrer
, aber innerlich ein grofses Licht in dem Herrn,

welche feinen Sieg herbeiführten bleiben unaufgehellt. ! cin Exempel für alle Schulmeiftcr und Prediger'); von
Viel lehrreicher ift hierüber Bernheims tüchtige Schrift: ; Chrift_ Ad- Dann> dem Präanteceffor von Knapp in
Lothar III. und das Wormfer Concordat, vgl. auch G.efe- ( Stuttgart cinem lebendigen Hirtenfpiegel von gefegnet-
brecht, Bd. IV. Ein befonderes Gewicht dürfen wir j ftem Einfluffc fur die Kirchc feines Landes, und endlich
ohne Zweifel darauf legen dafs in den Augen derFurften , VQn Eberh. Wörner, cinem fchlichten Mann aus dem

wie der Kirche die Wahl des Pierleonc die Gefahr der
Erneuerung der Gcfchlcchtcrherrfchaft in Rom mit fich

Volke, einem Fabrikauffehcr, aber einem reichgefegneten
priefterlichen Manne, mit deffen Lebensfkizze Knapp in

brachte. Die Gegenfätzc kirchlich und kaiferlich laffen rührcnder Dankbarkeit feinem ,geiftlichcn Bruder und
d^u^i^u^^^^r^^u1^^ I Führer', was ihm diefer einfache Laie gewefen fei, ein

nächftvorhcrgchendcn Zeiten einfach anwenden. Uebri- ! bddc fhcile chrendes Denkmai fetzt
gens lallen lieh immerhin die Spuren vcrtolgen, dals die 1 r ... .. , . . . T, .

Partei Anaklet's nicht die kirchliche Richtung vertreten j c. Ul ! 1V°-V;Ph'cf» haben einen eipnthunil.chen Reiz,

hat; Anhänger derfelbcn waren 1059 auf der Seite Octa- I g« find durchaus 1rqducte des fchvvab.fchen Bodens,

vian's. Auf diefe Seite Hellte fich das Capitcl der Peters- ! $** ^nächst unmittelbar wohlthuend an ihnen berührt,

kirche mit feinem Decan. Darüber fagt das Schreiben! « der Hebenshauch eines gefunden, wurzelkraftigen

der Cardinälc Heinrich und Otto, Bouquct XV, 755: 1 Plet,smus' der mcht das Treibhausgewachs einer forc.rten

gut tarnen ab eis decanus asserüuf, schismaticus est ab anti-
quo et mctttuS ejus cum Petra Leonis in dla seditione
damnosa: unde nec loeutn habet nec vocem in Romano
ecclesia, sedpietatis intuitu ei bencjieium in ecelesia b. Petri
ad subsidia ueeessitatis indultum est.

An die Gefchichte der Wahl fchliefscn fich als Beilagen
noch drei befondere Unterfuchungen: 1. über das
Stimmenverhältnifs bei den Papftwahlen von 1059—ll79-
2. die Synode von Etampes. 3. Zur Kritik der Vita Nor-
berti C. 21. Die erftcre ift fchon oben befprochen. Gegen
die zweite ift nichts einzuwenden, wenn der Verfaffer

Frömmigkeit u. eines geiftl. Echauffements ift, das nur mit
künftlichem F"euer unterhalten wird, fondern der mitten
aus dem Volke herausgewachfen einen naiven Charakter
trägt. Charakteriftifch dafür find die Biographieen der
beiden Männer aus dem Volke; ohne befonders interef-
fantc Züge in ihrem Leben und Charakter tragen fie
doch durchaus das Gepräge acht geiftl icher Menfchen,
bei deren mitunter fehr ausführlichen Selbftmittheilungen
über ihre geiftlichen Erfahrungen man nicht den Mafs-
ftab des kühleren, reflectirenden Nordens anlegen darf;
und bezeichnend ift infonderheit ihr Verhältnifs zu den
Geiftlichen, fpec. der erziehende Einflufs, den diefe ehr-

neben Suger's Bericht der Darftellung Ernald's über den , wurdigen Männcr aus der Gemeinde a f , gere ITeo
^^vS3ä^'?d£driSKu!£iäS Wld7 ahTn ! logen ausüben. In diefer Eigenthumlichkeit des ächten
V^^^^f^^Ä^ i JN 1 m fchWabifGhen PiCtismUS ^lÄie Individualitat des durch-
erörtert, und gegen Friedberg Forfchungen VIII) und
Bernheim (a. a. ü.) die Thatfächlichkeit der Angabe
fcftzuhaltcn fucht, dafs Lothar auch in Rom noch einmal
wie in Lüttich die alte Inveftitur zurückgefordert
habe. Kürzlich hat fich in diefem Sinne auch Rofen-
mund (die älteften Biographien des h. Norbert, Berlin
1874) ausgesprochen, den M. erft nach Abfaffung feiner
Arbeit gclefen zu haben angiebt. In der That folgt
feine Darftellung mehr der von ihm beftrittenen Bern-
heim's, die Anficht des letzteren über den ftreitigen
Gegenftand hat er wohl kaum erfchüttert; dafs fich die
Lütticher Forderung in diefem Augenblick wiederholt
habe, bleibt unwahrfcheinlich und ift nicht zu erweifen.

aus originellen und kraftvollen, reichbegabten Verfaffers.
Die lebhafte Phantafie des fchwungvollen Mannes, die fich
mit einem kerngefunden geiftlichen Realismus und einem
plaftifchen Ausdruck verbindet, giebt feinen Lebensbildern
eine fehr frifche Färbung; fie find das erquickende Gegen-
thcil einer kühl-gefchichtlichen Objectivität.

Man mag über verfchiedene Urtheile mit dem Verfaffer
rechten; bei manchen hat der treffliche Mann fich
von feiner lebhaften Phantafie hinreifsen laffen und in
allzu paiiegyriftifchcn, überfchwänglichen Ausdrücken
feinen Helden gefeiert; namentlich fcheint er uns in der
übrigens fehr gelungenen Biographie Balde's nicht genug
die Kritik haben walten zu laffen, wenn er ihn zu einem
,der herrlichften Dichter aller Zeiten' ftempelt; auch feine
Tübingen. C. Weizfäcker. | Urtheile über Arnold als Kirchenhiftoriker und über