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Ausgabe: | 1876 Nr. 15 |
Spalte: | 399-400 |
Autor/Hrsg.: | Mayor, John E. B. |
Titel/Untertitel: | Bibliographical clue to Latin Literature 1876 |
Rezensent: | Harnack, Adolf |
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Theologifche Literaturzeitung. 1876. Nr. 15.
400
Erklärung feines erflen Capitels, eine Auslegung des
erften Briefes Petri, doch fo, dafs Cap. 4 und 5 erft
durch den PIrsg. ergänzt wurden, und eine Erklärung des
Jacobusbriefes. In der erfteren Arbeit, nach Zahn ,einem
wahren Mufterftück wie die Schrift vor Studenten in
nutzenbringender Weife behandelt werden mufs', wird viel
Fleifs aufgeboten, den paulinifchen Urfprung des Briefes
zu erweifen. W. läfst den Hebräerbrief durch den Apo-
flel aus der römifchen Gefangenfchaft i. J. 63 an gläubige
Juden in Paläftina gefchrieben fein, welche unter dem
Druck jener ernften Zeit des Troftes und der Ermahnung
bedurften. In feine Apologie nimmt er dankbar auch
den Gedanken des Pantaenus auf, dafs Paulus diefem
Briefe feinenNamen und fein Apoftelamt gefliffentlich nicht
vorausgeftellt hat, weil er Apoftel der Heiden, nicht der
Juden war und diefen Brief nicht als Apoftel, fondern
als Bruder fchrieb. Das 01 a7rn «je. 'IraXictg, (13, 24)
aber, durch das fich Andere mit Recht auf einen Aufenthalt
des Autors aufserhalb Italiens weifen laffen, nimmt
er kühn von Pauli Anwefenheit in Rom; auch deckt er
feine Erklärung durch den Namen Winer's (Gramm.
5. A. S. 607), unterdrückt jedoch deffen Zufatz: ,Ein kri-
tifches Argument über den Abfaffungsort des Briefes
hätte man nie in diefen Worten finden follen'. — Minder
eingehend als die Erklärung von Hebr. I ift die
des erften Petrus- und des Jacobusbriefes. Jenen fchrieb
Petrus, fo urtheilt W., in Babylon am Euphrat während
Pauli römifcher Gefangenfchaft, um Gläubige Kleinafiens
(1, 1 .Fremdlinge auf Erden in der Zerftreuung', nicht
blofs Juden) unter vielen Leiden zu tröften und zu ermuntern
. Die Abfchnitte über des Briefes Lefer und
Aechtheit find nach den wichtigen neueren Verhandlungen
befonders dürftig zu nennen. Aus dem Commentar fei
hier nur hervorgehoben, dafs 3, 18 f. (in Uebereinftim-
mung mit Auguftin, von Hofmann u. A.) von Chrilti
Bufspredigt vor den Ungläubigen zur Zeit Noah's gedeutet
wird, welche unter der abwartenden Geduld Gottes in
göttlichem Gcwahrfam, in einem ,Gefängnifs' waren.
Doch unterläfst's der Verf., die Bedenken zu zerftreuen,
die fo von felbft fich nahe legen. Im Jacobusbriefe endlich
fieht er die Schrift des Apoftels Jacobus Alphäi,
welcher bei Marcus (15, 14) 'JitMofiog n /.uxopg, bei Lucas
(Ev. 24, IO; Apoftelgefch. 15) fchlechthin Jacobus genannt
und von Paulus (Gal. i; 1. Cor. 15) durch den Beinamen
äde/q>dg tov KvqIov von Jacobus, dem Bruder Johannis
Apoftelgefch. 12,2 unterfchieden wird. Meinen Wider-
fpruch habe ich hiergegen fo wenig erft zu conftatiren,
wie gegen die Behauptung, dafs 2, 14 ff. nur eine fchein-
bare Differenz mit Paulus und bei correcter Deutung
das unverkürzte ,sola fidc' vorliegt. — Die Auslegung des
Einzelnen kann einer Befprechung hier nicht unterworfen
werden. Wir verkennen nicht die feinen, finnigen Bemerkungen
, welche oft entgegentreten, wiffen auch die
Wärme der Darfteilung zu würdigen, die durch das Ganze
geht. Nur find jene guten Bemerkungen viel Schiefem
und Unhaltbarem beigemengt, was auch durch die bc-
geifterten Vorreden des Hrsg. fich nicht verdecken läfst.
Leipzig. Wold. Schmidt.
Mayor. John E. B., Bibliographical clue to Latin Literature.
Edited after Dr. E. Hübner with large additions.
London and Cambridge 1875, Macmillan and Co.
(XII, 220 S. 8.)
In diefem Buche, welches fich an den Grundrifs
zu Vorlefungen über die römifche Literaturgeschichte
von E. Hübner (Berlin, Weidmann, 1872) anlehnt
, findet man auch die chriftlich-lateinifchen Schrift-
fteller, freilich in wenig überfichtlichcr Reihenfolge, bis
Beda und Bonifacius mitbehandelt. Die bibliographischen
Angaben, foweit Ref. bisher fie controlirt hat, find mit
der gröfsten Sorgfalt zufammengetragen. Somit kann
das Werk als bequemes Nachfchlagebuch beftens empfohlen
werden. Nicht nur die Ausgaben, fondern auch die
literärgefchichtlichen Auffätze und Monographieen follen,
wo möglich vollftändig, hier verzeichnet fein. Einzelnes
wäre immerhin noch nachzutragen. So ift z. B. der
Artikel über Cyprian recht dürftig, während der über
Tertullian fehr vollftändig ausgearbeitet ift; Victorinus
von Pettau fehlt ganz. Hermas und die Italafragmente
werden verzeichnet, Irenäus aber übergangen, was fich
doch fchwerlich rechtfertigen läfst.
Leipzig. Ad. Harnack.
Fried berg, Emil, Eine neue kritische Ausgabe des Corpus
juris canonici. I. Das Decretum Gratiani. Leipzig 1876,
Gratulationsfchrift zur Feier des fechzigjährigen Doc-
torjubiläums Guftav Friedrich Hänel's. (39 S. Lex.-8h
Mit diefer Feftfchrift hat fich der Verfaffer einen
Anfpruch auf den Dank nicht nur des Jubilars, fondern
— wir dürfen fagen — auch den dreier, auf ihren Grenz-
I gebieten fich berührenden Wiffenfchaftcn, der Jurisprudenz,
der Gefchichte und der Theologie erworben. Die Ankündigung
einer kritifchen Ausgabe des Decretum
Gratiani, welche fich die Rcconftruction des urfprüng-
lichen Textes zur Hauptaufgabe ftellt, mufs das wiffen-
fchaftliche Publikum infofern befonders freudig berühren,
als Gratian's Rechtsfammlung, obwohl fie feit ihrem erften
Erfcheinen unter den gedruckten Werken (1471, zu
Strafsburg) bis auf die in aller Hände fich Befindende
Edition Richter's (1839) c. 40 Ausgaben erfahren, dennoch
keinen Bearbeiter bisher gefunden hatte, der es fich angelegen
fein liefs, den ächten Text Gratian's wieder
herzuftellen. Auch die werthvolleren Editionen, wie- die
Bafeler von 1481, die der Correctorcs Romani von 1582,
die von J. H. Boehmer 1747, fowie die von Richter 1839
beforgte, haben entweder gar nicht oder doch nur in
fehr unzureichender Weife ihr Augenmerk auf eine Colla-
tion der älteften Handfchriften zum Zweck der Feft-
ftellung des urfprünglichen Textes gerichtet.
In vorliegender Feftfchrift entwickelt nun Friedberg
die Grundfätze, die er bei der Edition des jetzt fchon
im Druck befindlichen Werkes befolgt hat. Um von
diefen leichter und überfichtlicher Rechenfchaft geben
und fie völlig würdigen zu können, ift es gerathen, fie
mit denen der früheren Editoren in Bezug auf die text-
kritifche Behandlung 1) der Canones und Decreta, 2) der
Distinctioncs und Inscriptioncs und 3) der Palette zu
vergleichen.
1) Was die fogenannten Canones und Decreta, das
heifst die von Gratian aus Concilien, Dekretalen, Kirchenvätern
etc. beigebrachten Belegftellen anlangt, die
bekanntlich die Hauptmaffe unfrer Rechtsfammlung
bilden, fo befindet fich die Textkritik — allerdings mehr
fcheinbar als thatfächlich — in einer fehwierigen Lage. Soll
fie diefelbcn in der Geftalt zum Abdruck bringen, in
der fie Gratian überliefert hat, oder in der, welche die
Originale und diejenigen Rechtsfammlungen befitzen, aus
welchen Gratian feine Quellennachweife zu fchöpfen
pflegte? Die Correctorcs Romani, die feit 1566 die römifche
Ausgabe veranftalteten, gingen überall auf die Originale
der von Gratian aufgenommenen Excerpte zurück, machten
aus jenen in den Text des Gratian Einfchaltungen. Nur
einen leifen Verfuch, auf Grundlage von Handfchriften
aus dem 13. und 14. Jahrhundert den von Gratian angezogenen
Canones und Decreta die Form, in der fie diefer
aufgeführt hat, zu geben, machte Boehmer, obwohl er
meift die römifche Ausgabe der feinigen zu Grunde
legte. Dagegen leiftete Richter auf die Herftellung des
urfprünglich Gratianifchen Textes völlig Verzicht, indem
er den römifchen Druck ohne alle Abänderungen wiedergab
. Mag auch diefe von den genannten Herausgebern
in Bezug auf den Text der Canones und Decreta bisher