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Ausgabe:

1876

Spalte:

385-389

Autor/Hrsg.:

Baudissin, Wolf Wilhelm

Titel/Untertitel:

Studien zur semitischen Religionsgeschichte. I. Heft 1876

Rezensent:

Diestel, Ludwig

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Theologische Literaturzeitung

Herausgegeben von Prof. Dr. E. Schürer.

Erfcheint Preis
alle 14 Tage. Leipzig. J. C. Hinrichs'fehe Buchhandlung. jährlich 16 Mark.

1. Jahrgang. 22. Juli 1876. N°- 15.

Baudiffin, Studien zur femitifchen Religions-
gefchichle (Dieftel).

Schultze, Handbuch der ebräifchen Mythologie
(liaudiflin).

M e 11 del s fohn, Senati consulta Romanorum
quac sunt in Josephf Antiquitatibus (Schurer).

Reboul, Paulula oder Einiges Wenige zur genaueren
Erforfchung des Marcus-Evangeliums
(Weifs).

Wichelhaus, Academifche Vorlofungen über
biblifche Dogmatil; (Wold. Schmidt).

Wichelhaus, Academifche Vorlefungen über
das Neue Teftament, I. Bd. (Wold. Schmidt).

Mayor, Bibliographical clue to Latin Literature
(Hamack).

Friedberg, Eine neue kritifche Ausgabe des
Corpus juris canonici. I. Das Decretum
Gratiani (Zoepfiel).

Gerok, Jugenderinnerungen (Meier).

Baudissin, Lic. Dr. Wolf Willi. Graf, Studien zur semiti- I Combination von aar/jp und Aftartc läfst er fclbft die
sehen Religionsgeschichte. I. Heft. Leipzig 1876, 1 Möglichkeit zu, dafs fie nur ein Zufatz von Philo fein

1 könne. Und warum follte ihm nicht auch die ohnehin

Grunow. (VII, 336 S. gr. 8.) M. 8. —

Der Verf. giebt in fünf Abhandlungen verfchiedenen
Umfanges mehrere Beiträge zur femitifchen Religions-
gefchichte, die ficherlich allen Mitforfchendcn hochwillkommen
fein werden. Wenn fchon in feiner erbten Schrift
vüber Jahve und Moloch') eine umfaffende Beherrfchung
des einfehlägigen Stoffes bis in fehr entlegene Literatur-
kreife hinein, ftrenger Wahrhcitsfinn und eine feine nüchterne
Unterfuchung vortheilhaft hervortraten, fo gewahren
wir diefe Vorzüge in den vorliegenden Studien in erhöhtem
Mafse. Noch fchärfer löft fich hier das ausfchliefsliche
Intereffe am Object von überlieferten Meinungen oder
vermeintlichen Krgcbnifsen der Wiffenfchaft ab, deren
unfichtbare Schlingen den Schritt jedes Forfchers nur zu
oft hindern oder gar irre leiten.

Die erfte Abhandlung unterfucht von Neuem den
religionsgefchichtlichen Werth der phönieifchen Gefchichte
Sanchuniathon's, der Hauptquelle für die Erkenntnifs der

fehr fpärliche Gleichung phönieifcher und griechifcher
Götter zufallen, da ja Philo ausdrücklich für Griechen
gefchrieben hat, und der Uebcrfetzer vom Bearbeiter der
Quelle nicht nach heutigen Mafsftäben ftreng gefchieden
werden darf? Einen ,confequenten' Euhemerismus vermag
Verf. felbft bei Philo nicht zu entdecken; wieweit die
Quelle hierin gegangen fei, läfst fich fchwer ermitteln.
Die Ausfage, fie habe nothwendig fchon das Schema der
Theilung in Naturwefen und vergötterte Mcnfchen enthalten
, läfst fich wohl nicht mit Entfchiedenheit fefthalten,
da namentlich die letztere Auffaffung an ausgeführter
Lokalmythologie ihren eigentlichen Stützpunkt findet.
Zu weit geht die Behauptung, dafs Philo ,nachweifen'
wolle, die andern Völker hätten von den Phöniciern und
.Aegyptern ihre Göttcrlehre erhalten (S. 41): es ifl nur
eine gelegentliche Notiz. Die Anklänge (S. 39) an
Abraham's Opfer und an die Bcfchneidung find doch zu
dürftig, um eine Zeitbcftimmung zu tragen; in keinem

phönieifchen Religion. Unbegründet ifl der Zweifel, dafs i Falle verrathenfie Kenntnifs mit den jüdifchen Schriften

wir bei Eufebius nicht ,im Ganzen den authentifchen
Text' des Philo Byblius befitzen: ein Citat des Johannes
Lydus aus Philo, das fich bei Eufebius nicht findet,
entfpricht ganz dem bekannten Euhemerismus jenes
Autors. Die Hauptfrage ift aber, ob Philo's Schrift fein
eignes Werk oder nur eine Ueberfetzung war. Für die
letztere Anficht find Ewald und Renan eingetreten, für
die erftcre Movers und Bunfen. Der Verf. fchlicfst fich
im Ganzen Movers infofern an, als auch er meint, dem
Philo habe eine phönieifche Schrift nicht vorgelegen;
die Woiviy.i/.u von Sanchuniathon feien eine Fiction
Hiebei ift fofort auffallend, warum derfelbe feinen Mit

Um das Alter der </>nivr/.ixd zu beftimmen, ift natürlich
der Name Sanchuniathon werthlos; aber ebenfo wenig
darf man gewiffe Züge von Euhemerismus und Synkretismus
dazu verwenden. Die ziemlich fpäte Entftchung
der Quelle fcheint mir aus dem mit kühlen Reflexionen
durchfetzten gelehrten Charakter des Werkes zu folgen,
welches eine Sammlung von Mythen und Sagen enthielt.
Ob es nun in der feleucidifchen Zeit entftand oder noch
unter perfifchcr Herrfchaft, läfst fich fchwer angeben. In
der Hauptfache ftimmen wir aber mit dem Verf. völlig
überein, nämlich in der Art, wie er den religionsgefchichtlichen
Werth der Quelle beurtheilt. Sehr feine und

theilungen nicht einen Schein noch gröfserer Urfprüng- , geiftreiche, leider nur hie und da zu fehr fkizzirte Be
lichkeit und Wahrheit durch die Behauptung zu geben | merkungen g.ebt feine Erörterung über die arifche und
verfucht habe, er habe den Inhalt von den Tempelfäulen ' iemitilche Art des Euhemerismus. Davon kann keine
abgelefen, wie er dies von feinem Gewährsmann be- | Kcdc lern, dafs eine wirkliche Volksmythologie auf euhe-
richtet. Dafs feine Quelle femitifchen Sprachtypus ver- 1 mcr.ltilcnem1 Wege entftanden ift (S. 33), wohl aber dürfte
rath, gefleht der Verf. zu, ftützt fich aber auf die Notiz gFra.ve aul 1 .mitifchem Gebiete der Trieb der rehgiofen
Philo's, er habe das von den Prieflern verborgene Buch f)r!j'K an andern benachbarten Göttergeflalten feit alter
wieder hervorgezogen und veröffentlicht. Die Stelle DJ« rege gewefen fein, nicht nur, wie Verf. richtig anenthält
freilich die irrige Meinung, der Euhemerismus beutet, im^Uebcrgange von^^Naturgottheitcn zu pohtifchen
fei die ältefte Anfchauung vomWefen der Götter gewefen. . .Uro's-n> fondern auch im Vcrhaltnifse der Religion eines
Aber warum kann nicht fchon die Quelle diefe Unrichtig- herrfchenden Stammes gegenüber den Vorftellungen der
keit enthalten oder Philo felbft fie aus feinem Gewährs- be hegten Einwohner, ebenfo durch Rivalität bedeutender
manne herausliefen oder auch in ihn hineingedeutet Gultusfitze, endhehdurch das unwillkürliche Hervorbrechen
haben? Gegen <Jie Exiftenz der Quelle felbft folgt daraus , des monotheiftifchen Zuges, das wir ja auf femitifchem
nichts, wohl aber, falls er derfelbcn die Erklärung phöni- , wie auf anfehem Gebiete im Cultus felbft gewahren, wie
eifcher Götternamen aus dem Griechifchen aufbürden b. 32 fehr richtig bemerkt ift.

wollte. Doch weift der Verf. mit Recht eine dahin Eine höchft dankenswerthe Bereicherung der altgehende
Meinung von Movers ab und bei der an fich teftamentlichen Religionsgefchichte erhalten wir in der
nur möglichen, im Texte felbft nicht klar gegebenen zweiten Abhandlung(S. 49—177), welche ,die Anfchauung