Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1876 Nr. 14

Spalte:

373-377

Titel/Untertitel:

Italafragmente der Paulinischen Briefe nebst Bruchstücken einer vorhieronymianischen Uebersetzung des ersten Johannesbriefes 1876

Rezensent:

Gebhardt, Oscar

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2, Seite 3

Download Scan:

PDF

373

Theologifche Literaturzeitung. 1876. Nr. 14.

374

Verhält es (ich wirklich fö mit der Entftehung untrer I aufbewahrt werden. Die neuen Stücke gehören theils

Texte, dann ifl die Hoffnung, irgend wo zu der Urgeflalt | den fchon genannten Briefen an, theils den Briefen an

der älteften Quellen durchzudringen, eine völlig eitle, dann | die Römer, Galater, I Timotheus, Hebräer und dem I Jo-

kommen wir über mehr oder weniger feine Hypothefen- j hannesbrief. Eine genauere Prüfung der Fragmente er-

fpiele nicht hinaus, dann mag die Arbeit unfers Verf. gab, dafs nicht alle urfprünglich einer und derfelbenHand-

von viel Scharffinn zeugen; aber ihr wiffenfehaftlicher ; fchrift angehört hatten. Die abweichende Schreibweife,

Werth ift doch fchr gering, weil die Befchaffenhcit unfrer
Quellen derart ift, dafs ihre Elemente nur noch nach
ganz unfichern Vermuthungen unterfchieden werden
können. Zum Glück fpielt die Unterfcheidung diefer
zwei Bearbeiter keine zu grofse Rolle und läfst in den
kritifchen Bemerkungen des Treffenden und Wcrthvollen

die Qualität des Pergaments und andere Merkmale liefsen
erkennen, dafs die beiden I Joh. 3, 8 bis zum Schlufs
enthaltenden Blätter (23 und 24) mit den übrigen nur
das gemeinfam haben, dafs fie wie jene Bruchftücke
einer vorhieronymianifchen Ueberfetzung des N. T. find.
Die Ueberfetzung fclbft aber ift nach Z.'s Urtheil hier

genug übrig, das man auch dann gern erwägen wird, | und dort eine verfchiedene, und während der Schriftwenn
man in wichtigen Grundanfchauungen von dem I Charakter der Johannesfragmente auf ihre Entftehung
Verf. differirt. etwa im 7. Jahrh. fchliefsep läfst, gehört die Mehrzahl

Von dem materialen Gehalt diefer Darftcllung des
Lebens Jefu will ich nicht reden. Wer unfre Quellen
in fo viel weiterem Umfange für glaubwürdig hält, als der
Verf., und von vornherein die Wirkungen Jefu höher
veranfchlagt und anders denkt als er, der mufs ein zu
verfchiedenes Bild davon gewinnen, als dafs es' fich verlohnte
, hier über Einzelheiten zu disputiren. Das fchliefst
aber nicht aus, dafs man den wiffcnfchaftlichcn Werth
des Buches in vollem Mafsc anerkennt, und diefe Anerkennung
foll auch durch die obige Hervorhebung der
Punkte, in denen ich durchaus abweiche nicht nur von
den Refultaten, fondern auch von der Methode des Verf.,
nicht gemindert werden. Vor Allem fei noch erwähnt,
dafs dasfelbe, auch wo es fich offenbar an frühere
Lciftungen ftark anlehnt, doch überall von felbftändigen
Studien und eigenem Urtheil zeugt. Dafs der Verfaffer
fich von der Hypothefe eines in die Parufierede verflochtenen
Flugblatts freigemacht hat (S. 334), rechne ich ihm
um fo höher an, je weniger ich die kritische Analyfe und
die Exegefe gerade diefer Rede theilen kann.

Kiel. B. Weifs.

Italafragmente der Paulinischen Briefe nebft Bruchftücken
einer vorhieronymianifchen Ueberfetzung des erften
Johannesbriefes aus Pergamentblättern der ehemaligen
Freifinger Stiftsbibliothek zum erften Male veröffentlicht
und kritifch beleuchtet von L. Ziegler. Eingeleitet
durch ein Vorwort von Prof. Dr. E. Ranke.
Mit 1 phötolith. Taf. Marburg 1876, Elwert's Verl.
(VIII, 150 S. gr. 4.) M. 15. —

Unter den mancherlei für die neuteftamentliche Textkritik
werthvollcnUrkunden, deren Herausgabe Tifchen-
dorf ins Auge gefafst und z. Th. fchon vorbereitet hatte,
nehmen die von ihm mit r bezeichneten Fragmente einer
vorhieronymianifchen Ueberfetzung der Briefe an die
Corinther, Philipper und I Theffal. eine hervorragende
Stelle ein. Es waren acht einzelne Pergamentblätter,
welche J. A. Schmeller von Einbanddecken cinft der
Freifinger Stiftsbibliothek angehöriger, von da nach
München gelangter Handfchriften abgelöft und fo vor
dem Untergang bewahrt hatte. Ihren hohen Werth erkannte
Tifchendorf bei einem Befuche Münchens im
Herbft 1856 und machte fchon im folgenden Jahr in der
Deutfchen Zeitfchrift für chriftl. Wiffenfchaft und chriftl.
Leben S. 57 f. auf den wichtigen Fund aufmerkfam.
Die Lesarten der Fragmente wurden dem Apparat der
7. Ausgabe des N. T. einverleibt, aber zu einer Veröffentlichung
des ganzen Wortlauts kam es nicht. Die
vorliegende Publication L.Ziegler's macht uns nun nicht
allein mit dem vollftändigen Text jener Fragmente bekannt
, fondern fügt zu denfelben noch 16 weitere, eben

der Blätter dem 5. oder 6. Jahrh. an (fo urtheiltc auch
Tifchendorf; der gedruckte Handfchriftenkatalog dagegen
weift das ganze Convolut dem 8. Jahrh. zu), mit Ausnahme
eines einzigen (Bl. 16, Phil. 4, 11—23. I Theff.
1, 1 —10 enthaltend), welches nach Z.'s Vermuthung
zwar mit den übrigen zu derfelben Handfchrift gehörte,
dort aber von einer Hand des 7. Jahrh. an Stelle des
verloren gegangenen urfprünglichen eingefchaltet war.

Der reiche Inhalt des Ziegler'schen Buchs ift fol-
gendermafsen gruppirt. Voraus geht eine Einleitung,
in welcher 1. die Handfchrift felbft genau befchrieben
(S. 3—14), 2. über orthographifche und fprachliche Eigen-
thümlichkeiten (S. 14—18) und 3. über Werth und Stellung
der Freifinger Blätter (S. 19—30) eingehend gehandelt
wird. Dann folgt (S. 33—56) ein diplomatifch
genauer Abdruck der Fragmente, mit Beibehaltung
der Intervallen, Interpunction" und fonftigen Eigenthüm-
lichkeiten des Originals foweit es die Typen ermöglichten.
Die durch Befchneidcn der Blätter und andere Umftände
entftandenen Lücken find durch Punkte oder, wo es fich
nur um einzelne Buchftabcn handelt, die durch Conjectur
ergänzt werden konnten, durch kleinere Schrift kenntlich
gemacht. Den gröfsten Theil des Buchs füllt eine vergleichende
Zufammcnft ellung, welche uns in vier
Columnen den griechifchen Text, den Text der Freifinger
Fragmente, die demfelbcn entfprechenden Citate des
Auguftinus und Capreolus (der Grund für diefe Auswahl
wird weiter unten erhellen) und den Text der Vulgata
neben einander vor Augen Hellt (S. 68—148). Dem
griechifchen Text (Cod. Vat. und, wo diefer lückenhaft
ift, Cod. S/n.) find am Rande die Varianten in einer dem
Zweck entfprechenden Auswahl nach Tifchendorf's S.Ausgabe
beigefügt, dem Freifinger Text Lesarten anderer
vorhicronymianifcher Texte (Ciarom., Augienfis, Boerner.,
Guelferb., Sangerm., Speculum Auguftini), jedoch in der
Regel nur folche, welche mit den Freifinger Bruchftücken
übereinftimmen oder denfelben verwandt find. Den Ci-
taten aus Auguftinus und Capreolus ift der vollftändDe
Apparat beigegeben, den der Hrsg., was Auguftin anlangt
, hier und da noch aus Handfchriften der k Bibliothek
zu München vermehren konnte. Der Text der
Vulgata ift nach Tifchendorf's Ausgabe des Amiatinus
abgedruckt, unter Beifügung der abweichenden Lesarten
'des Puldcnfis (ed. Ranke), fowie der wichtigften Varianten
des officiellen Clementinifchen Textes. Bei den
Fragmenten aus dem Hebräerbrief kommt zu diefen vier
Columnen noch eine fünfte hinzu, welche den lateinifchen
Text des Claromontanus enthält. Das Refultat der Ver-
gleichung diefer verfchied enen Texte ift, wie fich aus
einer der Zufammenftellung vorausgefchickten eingehenden
Unterfuchung der textkritifchen Frage (S. 57—67)
ergiebt, dafs die Freifinger Fragmente mit keiner der
vorliegenden griechifchen Handfchriften genau übereinftimmen
, fondern bald mit der einen, bald mit der an-

falls den Deckeln von ehemals Freifinger Handfchriften , deren zufammengehen, bald von allen abweichen. Specieh
entnommene Blätter, welche mit jenen zu einem Con- ] von n und B entfernen fie fich weiter als die Amiati-
volut vereinigt unter der Bezeichnung Clm. 6436 (bris. ; nifche Vulgata; denn während letztere in den Stücken,
236) in der k. Hof- und Staatsbibliothek zu München | wo fowohl n als B verglichen werden konnte, gegen tt

29*