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Ausgabe:

1876 Nr. 14

Spalte:

355-356

Autor/Hrsg.:

Schäfer, Bernhard

Titel/Untertitel:

Das Hohe Lied 1876

Rezensent:

Baudissin, Wolf Wilhelm

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355

Theologifche Literaturzeitung. 1876. Nr. 14.

356

quelquefois peu chretiens quc ces nouvelles vucs ont du sou-
tenir de In pari de plusieurs savants orthodoxes. Aber
auch die nicht orthodoxen Gelehrten werden in der Behauptung
(S. 4), Brugfch ftütze feine Aufftellungen sur
/es textes de la Sainte-hcriture auxquels je n'ai pas h
changer un seid iota, eine fchwer begreifliche Verblendung
erblicken.

Für jeden unbefangenen Lefer mufs die Hypothefe
von Brugfch über den Auszug viel Beftechendes haben,
(vgl. z. B. S. 20 die Notiz über Samout oder Migdol:
ce Migdol est la seulc place de ce nom que j'ai rencontree
dans les textes geograpliiques, panui im noinbre de plus
de trois mille noms propres geograpliiques); wird aber die
Unfehlbarkeit der ATlichen Berichterftattung als Probir-
ftein angenommen, fo ift die Hypothefe von vorne herein
verworfen. Obgleich es auf der flachen Hand liegt, dafs
nach dem bibl. Bericht der verfolgende Pharao im Meere
ertrunken ift, pflegen doch die Aegyptologen bei ihren
ohronologifch-gefchichtlichen Darftellungen Siefen Thron-
wechfel nicht in Rechnung zu ziehen; wie konnte fleh
denn Brugfch zu einem Zugeftändnifs an die Orthodoxie
verleiten laffen, welches die der heil. Schrift gebührende
Ehrfurcht fo weit überbietet, dafs es die Herftellung der
gefchichtlichen Wahrheit in diefer Frage fchlechterdings
unmöglich macht? Jedermann fleht doch fofort, dafs die
Hypothefe von Brugfch in fchneidendem Widerfpruch
mit dem bibl. Berichte fteht. Wenige Andeutungen
darüber mögen daher hier genügen. Nach Ex. 14, 3 foll
der Pharao die Hebräer verirrt glauben, während fie
nach Brugfch bisher die gewöhnliche ägyptifche Heer-
ftrafse nach dem Often eingefchlagen haben. Nach Ex.
14, 9 haben die Hebräer den gefährlichen Durchgang
durch das Meer noch vor fleh, als fie Baal-Zephon gegenüber
gelagert find und das Anrücken der verfolgenden
Aegypter erfahren; nach Brugfch, der an die Stelle des
bibl. Durchgangs durch's Meer das Paffiren der erwähnten
fchmalen Landzunge fetzt, haben die Hebräer
zu diefer Zeit den gefährlichen Marfch fchon glücklich
überftanden.

Kurz, ich fage nicht, dafs die Hypothefe von Brugfch
jedenfalls irrig fei; wohl aber mufs ich es fchon jetzt als
eine ftarke Zumuthung bezeichnen, dafs man für die
Widerfprüche zwifchen derfelben und der Erzählung des
A. T. blind fein folle.

Bonn. Ad. Kamphaufen.

Schäfer, Prof. Dr. Bernh., Das Hohe Lied. Neu unter-
fucht, überfetzt und erklärt. Münfter 1876, Theifsing.
1275 S. gr. 8.) M. 4. —

Dem katholifchen Verfaffer des vorliegenden Com-
mentars (von demf. find früher erfchienen ,Neue Unter-
fuchungen üb. d. B. Koheleth.' Freiburg i. B. 1870)
fteht von vornherein feft, dafs nur die allegorifche
Auslegung des Hohen Liedes ftatthaft fei. Darüber kann i
kein Zweifel beftehen, feitdem das 2. Conftantinopolitan. !
Concil die buchftäbliche Auslegung des Theodor von
Mopfueftia verworfen hat (S. 28; f. jedoch gegen diefe An- ;
gäbe die Bemerkung von Reufch in d. Recenfion dief.
Buches, Theol. Literatbl. 1876 n. 11). Wenn trotzdem der j
Verf. fleh bemüht, das Urtheil der Kirche .wiffenfehaftlich
zu begründen' — eine Wendung, deren er fleh häufig
bedient, um durch das vielgebrauchte Wort für den "
Mangel der Sache zu entfehädigen — fo ift Alles, was j
er gegen die realiftifche Auslegung wie gegen die typifche
vorbringt (S. 28—44) äufserft fchwach und nicht der Erwähnung
werth. Hat die kathol. Auslegung fchon früher
einen sensus triplex in dem hohen Liede gefunden, indem
fie jede einzelne Auslegung einmal auf Chriftus und die
Kirche, dann auf Chriftus und die Seele und drittens
auf die Jungfrau Maria bezog, fo macht fleh der Verf.
dies zu Nutzen, weifs fich aber viel zu gut auf die

Aenderung, welche er vornimmt, indem er nicht überall
die drei Bedeutungen nebeneinander hergehen läfst,
fondern für die erfte und zweite eine Entwickelung nachweifen
will (S. 79—88). Er hat folgende Gliederung
des Gedankengangs herausgefunden: 1. Vermählung
Chrifti mit der menfehlichen Natur (1, 1—2, 7); 2. Vermählung
Chrifti mit der Kirche (2, 8—5, 1); 3. Vermählung
Chrifti mit der einzelnen Seele (5, 2—8,4); 4. Das Weltende
in drei Bildern (Zweite Ankunft Chrifti 8, 5—7. Bekehrung
der Synagoge 8, 8—10. Weltgericht und Auffahrt in den
Himmel 8, 11—14). — Wo die Jungfrau Maria gemeint
fei, das läfst fich nicht beftimmt fagen und braucht auch
nicht gefagt zu werden. Man kann fie überall angedeutet
finden, wo von der Seele und der Kirche die
Rede ift; denn dafs fie ,die begnadigte Seele in ihrer
Liebe zum Bräutigam und vice verfa zu repräfentiren
geeignet ift, bedarf keines Beweifes'; fie ift weiter ,als
Mutter und Jungfrau, in ihrem Beruf und in ihrer ganzen
Perfönlichkeit die Repräfentantin der Kirche' (S. 87).
Was mit diefen Mitteln der Verfaffer in dem Hohen
Liede alles gefunden hat, ift geradezu erftaunlich: ,So
fand ich ein chriftliches Geheinmifs nach dem andern
z. B. Chrifti Lehrthätigkeit, Kreuzigung, Euchariftie,
Sendung des hl. Geiftcs-, Gnadenleben, Verfluchung,
Wiedererfcheinen des Kreuzes etc. Ich verhehle auch
nicht, dafs ich durch das Studium des Breviers Einiges
gefunden habe' (S. 6). — Die Erklärung des Einzelnen
wird gegeben auf Grund einer eigenen Ueberfetzung des
Verf. ohne Berückfichtigung des Hebräifchen. Auf 15 der
kleinen weitläufig gedruckten Seiten (257—271) folgen
am Schlufs Sprachliche Erklärungen fchwieriger Stellen
und der Divergenzen zwifchen Urtext und Vulgata'.
Unter den wenigen hier und in der Einleitung vorkommenden
hebr. Wörtern ift auffallend feiten eines correct
gedruckt. Das Buch hat einzig Werth als erheiterndes
Curiofum der katholifchen Exegefe, als charakteriftifches
Beifpiel deffen, was das bifchöfliche General-Vicariat zu
Münfter dem Clerus als ,ein treffliches Buch' voll ,hin-
gebendfter Forfchung' angelegentlich empfiehlt.

Leipzig. Wolf Baudiffin.

Müller, Ed., Parallelen zu den messianischen Weissagungen

u. Typen des Alten Teftamentes aus dem Hellenifchen
Alterthum. [Aus : Jahrb. f. claff. Philol. 8. Suppl.-Bd.]
Leipzig 1875, Teubner. (158 S. gr. 8.) M. 4. —

Nach dem Titel diefer Schrift ift man verfucht zu
glauben, der Verfaffer bemühe fich, eine Aehnlichkeit,
einen gemeinfamen Inhalt der von ihm verglichenen
Parallelen nachzuweifen. Das Refultat feiner prüfenden
Vergleichung ift aber beinahe durchgängig die Verneinung
einer innerlichen Verwandtfchaft der fraglichen Stellen
aus den Schriften hellenifcher Philofophen mit ähnlich
lautenden aus dem Alten Teftamente. Jede Vergleichung
zweier Dinge conftatirt allerdings zweierlei, einmal ein •
Uebereinftimmung in gewiffen Punkten, fo da 1111 einen
Unterfchied in anderen Eigenfchaften. Stellt fich bei
dem Nebeneinanderftellen nur in äufserlichen, zufälligen,
nebenfächlichen Dingen eine Aehnlichkeit heraus, fo be-
fteht zwifchen den verglichenen Objecten in der Hauptfache
ein wefentlicher Unterfchied, und es liegt dann
ein weiterer Anlafs zu Vergleichen nicht mehr vor. Nur
wo in nothwendigen Merkmalen eine Uebereinftimmung
wiederkehrt, wo gewiffe Beftandtheile und Eigenfchaften
bei allen verglichenen Beifpielen sich wiederholen, bietet
das Refultat der Vergleichung Grund und Stoff zu weiterem
Nachdenken und Prüfen nämlich darüber, woher
die gefundene Uebereinftimmung flamme, wie fie zu erklären
fei, was aus ihr folge u. f. w.

DerVerfafferkommtbei der angeftelltenParallelifirung
zwifchen einerAnzahl altteftamentlicher Weifsagungen und
Typen mit ähnlich klingenden Stellen aus griechifchen