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Ausgabe: | 1876 Nr. 13 |
Spalte: | 346-348 |
Autor/Hrsg.: | Hartung, B. |
Titel/Untertitel: | Die Selbstauflösung der negativen und pessimistischen Richtungen der Gegenwart. Vortrag 1876 |
Rezensent: | Pfleiderer, Edmund |
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Theologifche Literaturzeitung. 1876. Nr. 13.
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au England bedeutet, vor welcher fie (Ich auch ohne jede
Zuneigung zur englifch-deutfchen Alliance hüten mufstc.
Die Gruppirung der Cardinäle in eine franzofenfreund-
liche Partei und ihre Gegner .ift alfo überflüfhg, und
das ,völlige Auseinandertreten des Collegs im Wahlkampfe
' eine allzukühne Combination von L.
Zur Illuftrirung des Verhaltnifses Sigismunde zu
Heinrich V dient auch die (dem Vf. entgangene) Nachricht
Dacher's und Stumpfs, dafs der jederzeit geldbedürftige
römifche König auf dem Weltmarkt zu Conftanz
einen 1 prächtigem Candelaber für 2000 Flor, erftand und
ihn zugleich mit mehreren Füffern Büffelfleifch dem eng-
lifchen König zum Gefchenk machte (vgl. Rofsmann, de
c.xt. conc. Const. apparatu. Diss. Jen. 1856. S. 40V
Wir freuen uns, mit der Bemerkung zu fchliefsen,
dafs der Hauptinhalt diefer verdicnftvollen Schrift durch
unfre Ausftellungen nicht berührt wird; Darfteilung, Stil
und Sprache dienen dem Buch noch aufserdem zur Empfehlung
, und der Druck ift correct.
Breslau. P- Tfchackert.
Benrath. Karl, Bernardino Ochino v. Siena. Ein Beitrag
zur Gefchichte der Reformation. Mit Original-Dokumenten
, Portrait u. Schriftprobe (Holzfchntaf.). Leipzig
1875, Fues. (XII, 382 S. gr. 8.) M. 7. —
Das 3. Heft der neuen Jahrbücher für proteftantifche
Theologie' enthielt im vorigen Jahre einen auf tüchtigen
Studien" beruhenden und gut gefchriebenen Auffatz des
Tic. Dr. Hafe über ,Bernardino Ochino v. Siena'. In
der Einleitung zu ihm bemerkte er: ,feltfam, es giebt
noch keine Monographie über Ochino'. Hierauf erfolgte
am Schlufse des nächften Heftes der genannten Zeit-
fchrift eine kurze Berichtigung durch Hinweis auf eine
,ziemlich umfangreiche' Differtation von G. Büchfen-
fchütz: Etüde für la tat et les oeuvres de Bernardino
Ochino de Sie/ine. Strasbourg 1871. Ueber fie kann ich
nichts fagen, da fie mir nicht in die Hände kam. Wichtiger
ift, dafs faft gleichzeitig mit jener Berichtigung das
Buch von Dr. Benrath erfchien, welches dem von Hafe
empfundenen Mangel gründliche Abhülfe fchafft. In
Einzelheiten wird fich hie und da noch Etwas genauer
feftftellen oder berichtigen laffen, aber in Bezug auf alles
Wefentliche ift mit diefem Buche das Leben Ochino's
befchrieben.
Dr. Benrath erweift fich in feinem Werke als ein
für die ihm geftellte Aufgabe wohlbefähigter und befon-
ders begünft'gter Schriftiteller. Ein deutfeher Theologe,
der fich eine gute Kenntnifs der Reformationsgefchichte
erworben hat, verweilte er feit längerer Zeit in Italien.
So ift es ihm nicht nur möglich geworden, Land und
Leute genauer kennen zu lernen, fondern er hat auch
Gelegenheit gehabt, eine Reihe von Bibliotheken und
Archiven an Ort und Stelle zu durchforfchen. Erfteres
verleiht feiner Schilderung der auf italifchem Boden fich
abfpielenden Begebenheiten eine befonders frifche Farbe,
und durch das Andere ift er in den Stand gefetzt, manches
Neue zu bieten.
Der Verf. hat feinen Stoff in 9 Kapiteln behandelt,
von denen die erften vier Ochino's Leben in der Ge-
meinfehaft der römifchen Kirche bis zur Flucht aus dem
Heimathlande, die andern fünf die Schickfale des in der
Fremde Wandernden zeichnen. Von befonderem Intereffe
ift in der erften Periode der Nachweis, wie allmählich in
Ochino der Umfchwung fich anbahnte, wie mächtig er
zu ringen hatte und wie fchon damals Spuren jener
etwas fchwärmerifchen, zügellofen Subjectivität fich zeigten
, deren ftärkeres Hervortreten ihm den Lebensabend
fo traurig verbittern follte. B. kommt auch weiterhin
mehrere Male (vgl. S. 189, 239, 295, 306) eben hierauf
zurück. Diefe ward zunächfl zurückgedrängt, als Ochino
fich entfehieden der Reformation zuwandte. Der gewal-
I tige Calvin gewann beftimmenden Einflufs auf ihn, wie
j fchon das, was der Flüchtling nach kurzem Aufenthalte
i in Genf an feine Landsleute fchrieb, erkennen läfst (S.
156, wozu S. 176 u. 187). An 20 jähre ftand dann O.
bei den reformirten Theologen, denen er fich mit ganzem
Herzen anfchlofs und mit denen er fich fogar am Streite
gegen die lutherifchen betheiligte, in hohem Anfehn. Er
fchien nicht nur ein vollftändig Gewonnener, fondern ein
I zuverläffiger Führer zu fein. Da ganz am Lebensende
| brach bei dem merkwürdig geiftesfrifchen Greife die alte,
; lang zurückgehaltene Eigenart wieder mächtig durch und
1 machte ihm das Bleiben in der fo lieb'gewordenen neuen
j Gemeinfchaft unmöglich. Gewöhnlich hat man diefen
Durchbruch auf den Einflufs des Lälio Socin zurückgeführt
. B. widerrpricht dem, wie es fcheint, mit Recht
I und fchreibt die Flntfcheidung den langjährigen und zu-
| letzt anhaltenderen Einwirkungen Caftellio's zu. Das Ge-
I fchick beider Männer war dann ein gleiches. Mit der
eben feflgeftellten Kirchenlehre innerlich nicht mehr im
Einklang flehend, wurden fie natürlich von der Theil-
nahme an der Leitung der Gemeinden ausgefchloffen.
Ja felbft den Aufenthalt im Lande gönnte man nach der
damals bei Evangelifchen wie bei Römifchen herrfchenden
| Anfchauung den fonft im Leben tadellos Daftehenden
nicht. Caftellio ward nur durch Krankheit und Tod von
; dem Exil bewahrt und den 76jährigen Ochino mit feinen
4 unmündigen Kindern warf die rauhe, um nicht zu fagen
[ rohe Hand des Züricher Rathes in gröfster Winterkälte
noch einmal wie einen Ball in die Welt hinaus. — Er
j ift zu beklagen wegen diefes wahrhaft tragifchen Endes,
aber ein ganz unverfchuldetes darf man es nicht nennen,
1 Ein Mann in feiner Stellung mufste anders an fich halten
! mit Grübeleien und Zweifeln. Und unbillig ift es, wenn
man von den ftimmführenden Männern jener Zeit, geift-
j liehen wie weltlichen, diejenige Duldung verlangt, welche
I heute gewährt werden kann und foll. Religiöfe Freiheit
! im Zufammenleben der Menfchen folgt aus den Prin-
eipien des Proteftantismus, aber diefe Folgerung war
j eben damals noch nicht gezogen; ja man wird fagen
dürfen, wie die Dinge wirklich lagen, konnte fie noch
i gar nicht gezogen werden.
Um noch einmal zurückzukommen auf das Werk B.'s,
in welchem der berufene Gefchichtfchreiber der italieni-
fchen Reformbewegung zu erflehen fcheint, fo bemerke
ich, dafs auch jetzt noch eine genauere Erforfchung und
; Darftellung des Oratoriums der göttlichen Liebe zu wün-
| fchen bleibt. Ferner ift noch forgfältiger zu unterfuchen,
ob die Schrift von der Wohlthat Chrifti wirklich, wie
B. S. 162 mit den Meiften annimmt, von dem allerdings
durch Valdes beeinflufsten (S. 179 u. 249) Paleario flammt,
oder, wie Edi Böhmer will, nur im Allgemeinen aus dem
Valdes'fchen Kreife. — S. 192 ift ,Auguft 1545' flatt 1542
zu lefen. — S. 263 vermag ich die Darfteilung B.'s nicht
j ganz als der Sache entfprechend anzuerkennen und mufs
endlich S. 272 feine Deutung einer Stelle Calvin's be-
anftanden.
Erlangen. or. q. Plitt.
i Ha.rtu.ng, Diac. B., Die Selbstauflösung der negativen und
pessimistischen Richtungen der Gegenwart (Straufs, v.
Hartmann). Vortrag. Leipzig 1876, Hahn's Verlag.
(36 S. 8.) M. — 50.
Der Verf. gefleht felbft zu, dafs es ein etwas fchwicriges
j und gewagtes Unternehmen ift, auf kaum 36 Seiten eine
folche Fülle des Gegenftands zu bewältigen, wie fie zwei
der modifch verbreitetften Richtungen zufammen ausmachen
. Er will deshalb, .durch die Form eines Vor-
| trags entfchuldigt, hier auch nur die abgedeckten Fähnlein
der Bahn bezeichnen, welche die chrifthehe Wiffenfchaft
einfchlagen zu müffen fcheint, um die inneren Wider-
I fprüche der bekämpften Wcltanfchauung darzulegen.
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