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Ausgabe:

1876

Spalte:

15-17

Titel/Untertitel:

Arnobii adversus nationes libri VII. Rec. et commentario crit. instruxit Aug. Reifferscheid 1876

Rezensent:

Möller, Wilhelm

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Theologifche Literaturzeitung. 1876. Nr. i.

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fcheinlich erklärt es Caspari (S. 426 Anm. 277), dafs auch nicht lange verborgen bleiben konnte. Noch im 16. Jahr-
der I. Clemensbrief in lateinifcher Ueberfetzung curfirte; ! hundert wurde der wahre Sachverhalt aufgedeckt. Der
übrigens ift die Bemerkung, dafs von einer altkirchlichen I Herausgeber der editio princeps (Rom. 1543;, Fauftus
lateinifchen Ueberfetzung diefes Briefes nichts bekannt ! Sabäus aus Brixen, Kuftos der Vaticanifchen Bibliothek,
fei, nicht ganz genau; auch hätte die alte lat. Ueber- | hat die Handfchrift, welche nach Reifferfcheid aus dem
fetzung des Barnabasbriefes in diefem Zufammenhang Anfang des 9. Jahrhunderts Itammt, aus Deutfchland
erwähnt werden muffen. Weiter kann es fehr wahrfchein- oder der Schweiz fich angeeignet; heute gehört fie der
lieh gemacht werden, dafs am Anfange des dritten Jahr- Parifer Bibliothek an; und zwar ift fie bereits im 16. Jahrhunderts
bereits eine lateinifche Ueberfetzung des Ire- hundert, wie auch R. beftätigt, dahin gekommen, wahr-
näus, ja vielleicht auch der Apologie des Juftin exiftirte; | fcheinlich vom Herausgeber zugleich mit dem Dedica-
auf erfteres führt Tertullian's Verhältnifs zu Irenäus und 1 tionsexemplar feiner Ausgabe an König Franz I. gefandt.
manches andere; letztere Annahme empfiehlt fich auf Auch R. beftätigt auf Grund eigner Unterfuchung, dafs
Grund einer Vergleichung des Abhängigkeitsverhältniffes, I die Brüffeler Handfchrift nichts anderes ift, als eine fpäte

in welchem Minucius Felix und Tertullian zu Juftin ftehen.
Die carthaginienfifche Kirche, in deren Mitte die Kennt-
nifs des Griechifchen, wie Caspari richtig fieht, fehr dürftig
gewefen fein mufs — hält doch Tertullian häufig genug
die Ueberfetzung der geläufigften griechifchen Worte für
nöthig — forderte fehr rafch latein. Ueberfetzungen. Dafs
aber der pfeudotertullianifche Tractat adversus omneshaere-
ses, den der Verf. (S. 416 ff.) fehr treffend als eine dem Titel
von de praescript. Jiacr. angehängte grofse Anmerkung bezeichnet
, wirklich fchon aus den erften Decennien des 3.
Jahrhunderts flammt, darf als fehr zweifelhaft bezeichnet
werden. Allerdings ift das, was Oehler für die Autorfchaft
des Victorinus von Pettau geltend gemacht hat,
nicht durchfchlagend, aber feine Argumente können
beträchtlich verftärkt werden, und man mufs wenigftens

Copie der Parifer (er fetzt fie ins 16. Jahrh. vgl. dazu
Schönemann, biblioth. hist. lit. Patr. latin. I, 176). Die
erhebliche Zahl älterer Ausgaben (welche Hildebrand in
der praefat. feiner Ausgabe nach Schönemann aufführt)
fo wie die Fülle von textkritifchen und exegetifchen Ob-
fervationen gelehrter Philologen und Alterthumsforfcher
des 16. und 17. Jahrhunderts, welche fich um Arnobius
gebammelt haben, zeigen das lebhafte Intereffe, welches
man an diefem Schriftfteller nahm. Zum kleinften Theil
nur war es ein theologifches Intereffe (wie bei Bu-
lenger); bei Weitem überwiegt das des Philologen und
Alterthumsforfchers; denn fowohl die eigentümliche
Latinität als der Reichthum der zum Theil recht entlegenen
mythologifchen Beziehungen übten eine Barke Anziehung
aus und reizten zu gelehrter Unterfuchung. Vor

die Möglichkeit zugeben, dafs der lateinifche Interpret den andern neuern Ausgaben (Oberthür 1783 im 5. Vol

des Hippolyt, Victorinus, auch das Qvvxayjui deffelben
verdollmetfcht hat. Scheint ja auch die von Lagarde(f. o.)
citirte Schrift des Hippolyt eine lateinifche Bearbeitung
zu fein. Die Ueberzeugung, dafs Novatian, der erfte
Schriftfteller Rom's.von umfangreicherer literarifcher Thä-
tigkeit, der in lateinifcher Sprache gefchrieben hat, fehr

feiner Ausgabe latein. Väter und Orelli 1816 mit dem
nachträglichen Appendix 1817) hatte nun Hildebrand's
Ausgabe (1844) zwar den Vorzug, dafs er die Handfchrift
felbft auf's Neue verglichen, aber freilich nach R.'s Ur-
theil diligenter quidem sed Parum perite. Auf ihn fowie
auf Oehler (1846 in Gersdorfs Bibl.) ift der neufte Herauswohl
griechifch verftand (S. 429 Anm. 287), hätte viel geber fehr fchlecht zu fprechen. Sie haben nach ihm

einfacher durch einen Hinweis auf das Äbhängigkeits
verhältnifs, in welchem die Schrift de trinitate zu der
Apologie des Theophilus fleht (vgl. c. 2 mit Theoph.
ad Autol. I, 3), begründet werden können. Intereffant
wäre es gewefen, wenn Caspari darauf geachtet hätte,
wie früh wiederum die lateinifch-chriftliche Literatur auf
die griechifche einzuwirken begonnen hat. Referent gefleht,
dafs nach feiner Kenntnifs das tertullianifche Apologeti-
cum (Euseb. h. e. II, 2, 4) das erfte gröfsere Werk ift,
welches die Griechen von den Lateinern entlehnt haben,
während zuerft in den Philofophumenen lateinifche Quellen
(Tertullian) benutzt zu fein Rheinen.

Doch wir brechen ab. Der Verfaffer möge aus dem
hier Bemerkten, welches fich fammt und fonders aus
naheliegenden Gründen nur auf einen kleinen Ausfchnitt
feiner Unterfuchungen bezieht, lediglich das dankbare
Intereffe erfehen, welches Ref. an feinem werthvollen
Buche genommen hat. Hoffentlich dürfen wir erwarten,
dafs diefe ,Quellen zur Gefchichte des Tauffymbols und
der Glaubensregel' in eine zufammenfaffende Gefchichte
der altkirchlichen Bekenntniffe ausmünden und dafs berufene
Gelehrte den grundlegenden ,Excurs' Caspari's in
eine Gefchichte der römifchen Kirche im vorconftantini-
fchen Zeitalter verwandeln werden.

Leipzig. A. Harnack.

Arnobii adversus nationes libri VII. Ree. et commentario
crit. instruxit Aug. Reifferscheid. A. u. d. T.: Corpus
scriptorum ecclesiasticorum latinorum. Vol. IV.
Wien 1875, Gerold's Sohn. (VIII, 352 S. gr. 8.) M. 6.

Unfer Arnobiustext ruht bekanntlich auf der fchmalen
Grundlage einer einzigen Handfchrift, derfelben, welcher
wir den Octavius des Minucius Felix verdanken; denn
diefer tritt hier als achtes Buch des Arnobius auf und fo
auch in den erften Ausgaben, ein Irrthum, der freilich

dem Arnobius mehr gefchadet als genützt; Oehler fei,
trotz aller Oppofition gegen Hildebrand doch in die Fufs-
tapfen deffelben getreten, und habe deffen inepliac noch
durch neue vermehrt, überdies aber Nachläffigkeitsverfehen
feines Vorgängers herübergenommen. Ref. hält fich nicht
für berufen, aus eigner Einficht über die Leiftungen jener
Männer endgültig abzuurtheilen. Soviel aber zeigt ihm in
derThat der Augenfchein, dafs wir es hier bei Reifferfcheid
doch zum erften Male mit einer auf gediegener Hand-
fchriftenkunde ruhenden und in der Methode den heutigen
Anforderungen der wiffenfchaftlichenKritik entfprechenden
Ausgabe des Arnobius zu thun haben. Von der Be-
fchaffenheit der Handfchrift und den aus conftanten Fi -
fcheinungen derfelben zu ziehenden Folgerungen gibt er
in der praefaüo die nöthige Rechenfchaft. Er weifs ferner
drei alte Correctoren (von denen der ältefte die Abfchrift
mit der Handfchrift, aus welcher fie genoffen, verglichen
haben müffe) zu unterfcheiden von einem fpäteren des
16. Jahrhunderts, welcher bereits die edit. princ. vor fich
gehabt habe, andererfeits' aber von Jof. Juft. Scaliger
(deffen Excerpte bei Meurfius vorliegen) fchon benutzt
fei. Aufserdem unterfcheidet er an einigen Stellen noch
eine Hand aus dem 15. Jahrhundert. Schon früh ift als
eine an zahlreichen Stellen wiederkehrende Eigenthüm-
lichkeit der Diction bemerkt worden, dafs Arnob. es
liebe, fynonyme Ausdrücke ohne Verbindung durch die
Copula neben einander zu ftellen. Auf Grund nun der
Wahrnehmung, dafs in der Handfchrift felbft in den erften
Büchern (namentlich im erften) an folchen Stellen je eines
der Synonyma durch Correctur mitteilt untergefetzter
Punkte als zu tilgen bezeichnet werde, war Hildebrand
(der diefe Correctur vom Schreiber felbft herleitete) dazu
fortgegangen, auch in den übrigen Büchern (wenn auch
keineswegs confequent) danach zu verfahren. Auf den
erften Blick fehen allerdings einige diefer (bei Hild. praef.
p. VII sq. angeführten) Stellen fo aus, als fei, wie H.
meint, ein zur Erläuterung eines feltneren Ausdrucks über-