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Ausgabe:

1876 Nr. 12

Spalte:

310-311

Autor/Hrsg.:

Caro, Jac.

Titel/Untertitel:

Geschichte Polens. 4. Thl 1876

Rezensent:

Tschackert, Paul

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3°9

Theologifche Literaturzeitung. 1876. Nr. 12. 310

Regierung des Tiberius (ich erhalten haben. Von da an I der grofsen keltifchen oder keltifch-galatifchen Familie
findet fich unter den Hunderten von Eigennamen, welche angehören.

die Infchriften uns darbieten, vielleicht nur ein Frauen- | Leipzig. E Schür er

Name keltifchen Urfprungs. Alle übrigen find gnechifch. 1

1 Vgl. bef. Corp. Inscr. Graec. n. 4039)- Gegenüber diefen
Initanzen hat man als Beweis für die längere Fortdauer ! Caro. Prof. Dr. Jac, Geschichte Polens. 4. Thl. Gotha
des Keltifchen in Klein-Afien dem Verf. hauptfächlich ^75, F. A. Perthes. (X, 501 S. gr. 8.) M. 10. —
eine Stelle aus Lucian entgegengehalten. Diefer erzählt
in feinem Alexander s. Pseudomantis c. 51, dafs In dem vorliegenden Werke wird zugleich mit der
zu feiner Zeit Alexander von Abonoteichos in feiner j politifchen auch die Kirchengefchichte der örtlichen Reiche
Vaterftadt, Abonoteichos in Paphlagonien in nächster 1 an einer Stelle beleuchtet, bis zu welcher der Blick der
Nachbarfchaft von Galatien, als Gaukler und Wahrfager Hiftoriker feiten gedrungen ift. Der H. Verf. hat es veraufgetreten
fei und die dumme und gläubige Menge von (landen, auf Grund ergiebiger Forfchung in Quellen,
nah und ferne durch feine Kunft angezogen habe. Selbft welche nur wenigen in dem Umfang zugänglich und verBarbaren
kamen zu ihm, welche in ihrer eigenen Sprache i ftändlich find, durch anfehauliche Darfteilung und in der
ihn befragten —vqioxi rj Kelttaxi. Dies brachte freilich ! ihm eigenen blühenden Sprache den Lefer für einen
den Propheten zuweilen in Verlegenheit, da er nicht leicht J Gegenftand zu feffeln, welcher fonft nicht gerade Sym-
{ov gadlojc) Leute fand, welche ihm die Anfrage doli- | pathie erweckt. Das Buch befchäftigt fich mit den letzten
metfehen konnten, weshalb er die Antwort oft lange , Jahren der polnifch-nationalen RegierungJagiello's (71433),
Zeit fchuldig blieb. Aus diefer Erzählung foll nun er- 1 mit der kirchlich-univerfaliftifchen feines älteren Sohnes

Wladyslaw (7 1444) und der wieder national einlenkenden
des zweiten jagielloniden Kafimir bis zum Jahre 1455. —
Sehen wir hier von den politifchen Beziehungen Polens
zum" Ausland ab, fo bieten fchon Themen wie der zum
Chriftenthum bekehrte König Jagiello, der deutfehe Orden
in feiner unheilvollen Stellung zu ihm, der Hufitismus in
Polen, Wladyslaw's Kreuzzugsromantik mit der Kata-
ftrophe von Warna, Polens Verhältnifs zum bafeler Concil,
dazwifchen die Machinationen des krakauer Hierarchen

h'ellen, dafs damals (im zweiten Jahrh. nach Chr.) in
Galatien noch keltifch gefprochen wurde. Mit Recht entnimmt
aber Perrot gerade ihr einen neuen Beweis zur
Betätigung feiner entgegengefetzten Anficht. Denn 1.
find unter jenen keltifch-redenden Barbaren nicht die
benachbarten Galater, fondern Leute aus weiter Ferne,
alfo Gallier zu verftehen, und 2. wenn man das ,Kel-
tifche' in Galatien, in nächster Nachbarfchaft von
Abonoteichos. noch verflanden hätte, fo hätte es dem
Alexander nicht fchwer werden können Dollmetfcher zu j Zbygniew Olesnicki, Namen wie Cäfarini, Capiftrano u. a.
finden. So zeigt alfo gerade diefe Erzählung, dafs die Veranlaffung genug, die Beiträge, welche auch diefes
keltifche Sprache damals in Galatien fchon ausgeftorben j Werk für die Kirchengefchichte des 15. Jahrhunderts

war. Was aber die Notiz des Hieronymus betrifft, fo
ift zu beachten, dafs fie fich mitten unter einer Menge
anderer, ebenfo confufer, gelehrter Reminiscenzen findet.
Es fcheint daher, dafs er etwas der Art, wie er hier bebietet
, dankend aufzunehmen. — Wir fehen den deutfehen
Orden feinem Niedergange entgegen eilen, welchen Kaifer
Sigismund felbft befchleunigen hilft, indem er den Hoch-
meifter zum Werkzeug feiner eigenen, gegen Polen

richtet, bei irgend einem älteren Hiftoriker oder Geo- ! richteten Politik macht. Denn der aufdrehende Slaven-
graphen gefunden und leichtfertigerweife auf feine Zeit fürft Jagiello war klug und mächtig genug, des Kaifers
tibertragen hat. Pläne zu durchkreuzen, da er trotz äufserer Ergebenheit

Im Appendix befpricht Perrot noch eine Stelle aus gegen die Kirche, fein ,waldfrohes' Heidenthum nicht
Paufanias, die man ihm ebenfalls entgegengehalten fo weit zurückgedrängt hat, um papalem und kaifer-
hat. (Paufan. X, 36, I: xt)v de Aduvov tavxov''hoveg (ÄV 1 lichem Univerfalismus feine politifche Selbftändigkeit zu
xat to akXo 'E'/.l>jVL7.bv y.6/.xov, Paldxai de 01 vtisq 'Dqv- opfern. Wir verweifen auf die vorzügliche Charakteriftik

yicxg epcov/j tf, e/nyontit) orpienv ovopaCovoiv vg). Diefe desfelben im 8. Buch, 4. Kap. (S. 91 —115). _ Anders

Notiz beweift vollends nichts gegen die Perrot'fche 1 fein Sohn, der jugendliche Wladyslaw Jagiello, welcher
Thefe, da man nicht einmal weifs, ob vg der Sprache | unter klerikalem Einflufs zu der polnifchen die Krone
der Galater oder, was fogar wahrfcheinlicher ift, der j Ungarns-gewinnt, um von da aus einen Kreuzzug gegen
Sprache der von ihnen bereits vorgefundenen Urein- ! die Türken zu unternehmen. Aber der romantifche Held
wohner angehört. Uebcrdies beweift natürlich die Fort- | verblutete auf dem Schlachtfeld von Warna (1444L nicht
erhaltung eines einzelnen Pflanzennamens nichts für die j fern von ihm, am Ufer der Donau, fein geiftlicher Be-
Forterhältung der Sprache als folcher, ganz abgefehen | rather, die Seele des Kreuzzuges, Juliano Cäfarini. —
davon, dafs auch Paufanias diefe Notiz einer älteren j Ungebrochen überlebt das Unglück Polens der mächtige
Ouelle entnommen haben kann. i Bifchof von Krakau, Zbygniew Olesnicki. Er war es,

Die keltifche, nicht germanifche, Nationalität der j welcher mit unbeugfamer Confequenz fein Vaterland auf"
Galater, welche Perrot einfach vorausfetzt, ift neuerdings i die Bahn ,ultramontaner Politik' brachte und die ver-
— um dies hier beiläufig noch zu bemerken — gründ- j meintlichen Rechte des Papflthums gegen den zweiten
lieh nachgewiefen worden von Grimm in einer Abhand- Jagielloniden Kafimir rückfichtslos vertheidigte; noch
hing in den Studien und Kritiken 1876, Heft 2, S. mehr, grade ihm gebührt die Schuld, das polnifche Kö-
199—221. Nur in fehr entfernter Beziehung zu diefem 1 nigthum in Abhängigkeit vom Reichstage gebracht zu
Inema flehen die Abhandlungen von: Alexandre Ber- ; haben, welcher von da an ihm Freiheit auf Freiheit abzu-
trand, Les Gaulois {Revue archcologique 1875, Mai und , trotzen verftand, bis es — ein Schatten wurde. — Alfo
Juni iNouvelle Serie T. XXIX, p. 281—303. 391—394]). j Polen im Gegenfatz zur Politik Sigismunde — vielleicht
D'Arbois de Jubainville, Lcs Celtcs, /es Galales, lcs , aus denfelben Beweggründen wie Böhmen? Wohl hatte

man in Polen Sympathieen für die hufitifche Bewegung,
aber nur aus politifchen Rückfichten, während fie in
ihrer Heimath wefentlich oder wenigftens zugleich reli-
r^ fte^M. 1876, Januar bis' März Nouv. Ser. ; giöfen Motiven entfprang. Doch verfehlen wir nicht
7". XXXI, p. 1—24. 73—98. 153—161]). Der Streitpunkt auf ein merkwürdiges Beifpiel von Wiclifismus in Polen
zwifchen diefen beiden ift der, dafs Bertrand einen Unter- ; um die Mitte des ^.Jahrhunderts aufmerkfam zu machen,
fchted ftatuiren will zwifchen Kelten und Galatern, ^ (Vgl. Caro IV, 405 ff.) Ein Magifter der krakauer Uniwährend
d'Arbois de Jubainville Kelten, Galater und verfität, Galka, feheute fich nicht, 1449 Wiclif's Theo-
Gallier für identifche Begriffe erklärt. Beide fetzen aber logie auch in ihren für die papale Kirche bedenklichften
ftillfchweigend voraus, dafs die kleinafiatifchen Galater Folgerungen rückfichtslos zu vertreten; zugleich mit feiner

24*

Gaulois {Revue archeol. 1875, Juli [Nouv. Ser. T. XXX,
p. 4—18]). Alexandre Bertrand, De la valeur des
expressions Kelxoi et Palatal, Kehciv.r] et Palatia dans