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Ausgabe:

1876 Nr. 1

Spalte:

292

Autor/Hrsg.:

Koenig, Dietr.

Titel/Untertitel:

Ptolomäus von Lucca und die Flores chronicorum des Bernardus Guidonis. Eine Quellenuntersuchung 1876

Rezensent:

Tschackert, Paul

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Seite 1

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291

Theologifche Literaturzeitung. 1876. Nr. II,

292

wieder mit der Gens Caecilia verwandt war, von der
wir ebenfalls mehrere Vertreter hier laut Grabfchrift be-
ftattet finden. Es war alfo ein Beleg für die Bekehrung
mehrerer Glieder diefer Familie zum Chriftenthum, im
( rften, zweiten und dritten Jahrhundert.

In den genannten Auffätzen des Bullettino ,ii Ar-
clicologia cristiana publicirt nun de Roffi infchriftliche
Entdeckungen, die er in den Ausgrabungen der älteften
Katakombe Roms, der der Domitilla gemacht hat, aus
denen der Uebertritt einer Anzahl von Angehörigen des
Flavifchen Haufes zum Chriftenthum erwiefen wird. In
einer Gruppe von Grabern, zu der des Nereus und Achilles,
der beiden Kämmerer Domitilla's, die in Pontia in der
Verbannung ftarb, gehörig, find die Gräber der heiligen
Petronilla und Veneranda aufgedeckt worden, die beide
durch Malerei und Infchrift deutlich als Chriftinnen bezeichnet
find. Bei demfelben fand fich das Fragment
CRUM- ORUM, das de Roffi in (Seput)crum flavt)ornm
ergänzte, und zwar durch die Nähe des Grabes der Petronilla
darauf geführt, die nicht als Tochter des Petrus,
fondern des Petro anzufehen ift, deffen Name an der
Spitze der Genealogieen der Flavii Augufti fleht. Wir
hätten fomit hier eine der Flavifchen Familie gehörige
Begräbnifsftätte. Dies wird weiter beftätigt durch andere in
derfelben Gruppe gefundene Infchriften aus dem zweiten
Jahrhundert, von denen die eine den Namen Flavillahat, was
auf die Flavifche Familie hinweift, die zweite griechifch ge-
fchrieben lautet (DA ■ GABEINOG - Kyll ■ TITIAKH
AJEAQOl • die dritte. (DA ■ II KL Iii HAIOG ■ III'
KAI- OY Am - KONKOPJIA- GYMB ■ Was die erfte
Infchrift anlangt, fo gab es drei Titus Flavius Sabinus,
den Vater und den Bruder des Kaifer Vefpafian, welcher
letztere zur Zeit der neronifchen Verfolgung Präfect in
Rom, und als gerechter mildgefinnter Mann gerühmt,
nach de Roffi's Meinung vielleicht die Annäherung der
Flavifchen Familie an das Chriftenthum einleitete, endlich
den Sohn desfelben, den Gemahl der Julia, der Tochter
des Titus, und Bruder des Titus Flavius Clemens, des Gemahls
der Flavia Domitilla, der Nichte Domitian's, welcher
95 hingerichtet, während Domitilla nach der Infel Pan-
dataria verbannt wurde. Beide hatten zwei Söhne,
Vefpafian und Domitian fpäter genannt, von denen der
eine zur Thronfolge auserfchen war. Nach dem Er-
löfchen der Flavifchen Dynaftie nahmen fie den alten
Familiennamen wieder an, und in einem der beiden ver-
muthet de Roffi den in der Grabfchrift erwähnten Flavius
Sabinus. Der Name der Schwerter Titiana führt
de Roffi auf den Stamm der Flavii Titiani, aus dem die
Flavia Titiana, die Gemahlin des Pertinax hervorging;
die hier Begrabene habe den Namen Titiana vielleicht
von mütterlicher Seite erhalten. Was die andere Grabfchrift
anlangt, fo deutet de Roffi des UP als ftQaiztoQ
und bezieht das I1TÖAEMAIOG darauf, dafs zwei Flavii
Titiani Präfectcn von Aegypten gewefen, und von
dorther der Name auf einen ihrer Abkömmlinge übergegangen
fein könne. Bei diefer Gelegenheit fpricht fich
de Roffi noch befonders für die Exiftenz zweier Domi-
tillen aus, die um des Chriftenthums willen verbannt
wurden: die eine die Gemahlin, die andre die Nichte des
Flavius Clemens, deren Schickfale der heidnifche Schrift»
fteller Bruttius befchrieb, deffen Gefchlecht die Grab-
ftätte neben der der Flavier hatte. Den genealogifchen
Nachweis im einzelnen auszuführen, würde zu weit gehen,
es genügt, aus diefen Entdeckungen die fetten Belege
dafür, dafs eine Zahl von Angehörigen des Flavifchen
Haufes im erften und zweiten Jahrhundert Chriftcn waren,
gewonnen und auf die kirchenhiftorifche Bedeutung der
Katakombenerforfchung an einem neuen Beifpiel hinge-
wiefen zu haben.

Leipzig. Cl. Brockhaus.

Koenig, Dr. Dietr., Ptolomäus von Lucca und die Flores
chronicorum des Bernardus Guidonis. Eine Quellen-*
unterfuchung. Würzburg 1875, Stuber. (72 S. gr. 8.)
M. 1. 80.

Bei der Unterfuchung über das Verhältnifs diefer
beiden gleichzeitigen Gefchichtsfchreiber aus dem Dominicanerorden
(1300 c.) kommt der Verf. zu dem nach
zwei Seiten hin neuen Refultat, dafs man dem ,päpft-
lichen Hofhiftoriographen' Ptolomäus von Lucca mit Unrecht
mifstraut, dann, dafs fein fran/.öfifchcrOrdensbruder
Bernardus Guidonis wenig oder gar keinen Anfpruch auf
Originalität hat. Denn, um den zweiten Punkt kurz: zu
erklären, feine ,Chronikblüthen' (bei Bouquet. tom. XXI.
ruhen auf den Schultern Martin's von Troppau und
Ptolomäus' von Lucca. Aber wie gelangt der Verf. zu
feinem von Janus (der Papft und das Concil. S. 303) fo
abweichenden Urtheil über den lucenfifchen I Iiftoriker r
Weil er ihm die drei Papftviten Bonifaz' VIII, Benedicts
XI und Clemens' V zufchreibt, welche in einem
paduanifchen Codex (bei Muratori SS. rer. Ital. XI)
als 24. Buch der ,Kirchengefchichte' diefes Autors überliefert
find. In diefen Viten vertritt nun ein durchaus nicht
blind papaliftifcher Gefchichtsfchreiber unerfchrocken feine
eigene Meinung; man erwartet dies nicht von Ptolomäus
von Lucca; und doch glauben auch wir ihm mit dem
Verf. unfrer Quellenunterfuchung die Autorfchaft zu-
fchreiben zu dürfen, da er auch anderweitig geschwankt
hat; denn obwohl fonft ein beredter Prediger desGehorfams
gegen die Hierarchie, hat er in hohem Alter die Opposition
gegen feinen eigenen Patriarchen nicht gefcheut,
ein Umftand, welchen K. für feine Anficht hätte anführen
follen. (Vgl. Krüger, des Ptolomäus Leben und Werke.
Gött. Diff. 1874. S. 20 ff.) Nunmehr werden wir uns
auch nicht wundern, dafs Ptolomäus den FVeimuth, welchen
er in den Papftviten bei Gelegenheit an den Tag
legt (vgl. Muratori. 1. c. XI, 1221 E), an der entfprechenden
Stelle feines andern Gefchichtswerkes, der ,Annalen'
(vgl. Muratori 1. c. XI, 1305 A) unterdrücken kann. Die
Analyfe diefer anderen Hinterlaffenfchaft des lucenfer
Kirchenhiftorikers fcheint uns trefflich durchgeführt. Hiernach
hat er erft die Annalen bis 1300 verfafst, diefe
darauf in die Papftviten hineingearbeitet und fchliefslich
einen Auszug aus diefen als Fortfetzung der Annalen
angefertigt.

Breslau. Paul Tfchackert.

Krafft, Past. Carl, u. Dr. Wilh. Crecelius, Beiträge zur
Geschichte des Humanismus am Niederrhein und in Westfalen
. 1. u. 2. Hft. Elberfeld 1870 u. 75. (Berlin, Cal
vary & Co.) (80 u. 67 S. gr. 8.) M. 3. —

Diefe beiden, fehr forgfältig und mit grofscr Sach-
kenntnifs gearbeiteten Hefte find Separat-Abdrücke aus
der Zeitfchrift des Bergifchen Gefchichts-Vereins. Das
erfte von 1870 macht vornehmlich Mittheilungen aus den
in der Univerfitätsbibliothek zu Bonn handfehriftlich befindlichen
Werken des Joh. Butzbach, Priors im Klofter
Laach, die fchon Pöcking für feine Hutten-Ausgabe ausgebeutet
hat. Das erfte Stück handelt von Alex. Hegius,
unter welchem Butzbach die Schule zu Devcnter befucht
hat. Man erhält da Auffchlüfse über das damalige Stu-
dienwefen, befonders auch bei den Brüdern des gemein-
famen Lebens, die darnach in fehr nahen Beziehungen
zu den reformirten Benediktinern der Bursfelder Con-
gregation ftanden und diefer viele Mönche lieferten. Man
darf ihre vorreformatorifche Bedeutung nicht zu hoch
anfchlagen, und dafs ihre wiffenfehaftlichen Leiftungen
auch in ihren beften Schulen fehr abgenommen hatten,
zeigt eben das hier Vorgeführte. — Die dann mitge-
theilten kurzen Biographieen aus dem Aitctarium Butzbachs
, einer Fortfetzung des bekannten Werkes von