Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1876 Nr. 11

Spalte:

284-286

Autor/Hrsg.:

Keil, Carl Frdr.

Titel/Untertitel:

Handbuch der biblischen Archäologie. 2. verb., verm. u. theilweise umgearb. Aufl 1876

Rezensent:

Baudissin, Wolf Wilhelm

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

283 Theologifche Literaturzeitung. 1876. Nr. II. 284

Und das pafst erft nicht an allen Stellen; darum nimmt
er die Zuflucht zur Annahme, dafs das Wort nicht am
rechten Platze flehe! Dafs ferner die Eintheilung, die
mit ] a ■ ^ w*_ic L*ca_». bezeichnet wird, der (gricchifch-)
chriftlichen und nicht der jüdifchen Liturgie angehört,
hätte der Verfaffer aus Di et rieh's trefflicher Abhandlung
(de Psaltern usu publico et dknsione in ecclesia Syriaca,
Marburg 1862) fehen können. Die Hauptfache find aber
für ihn und für uns die Ueberfchriften der Pfalmen, die
fo oft für den chriftlichen Urfprung der Pefchittho geltend
gemacht wurden und mit denen er den jüdifchen
beweifen zu können hofft. Die meiften derfelben beftehen
aus einem hiftorifchen und einem chriftlich-dogmatifchen
Theil. Letzterer habe mit dem erfterngar nichts zu thun und
fei fpätereZuthat, fagt der Verf., und er hat richtig ge-
fehen, dafs derfelbe fehr häufig mit den beiEufebius fleh
findenden Pfalmenüberfchriften übereinftimme. Diefelben
find im Anhang (S. 71—75) gegeben: inscriptiones Psalmo-
rutn, quae extant apud Eusebium, in appendice III congessi,
find dieWortc desVerfaffers, fo dafs man meinen könnte,
derfelbe habe fie aus Eufebianifchen Werken, etwa feinem
grofsen Pfalmenkommentar gefammelt. Dies ift aber
nicht fo; die Sammlung flammt vielmehr fchon aus dem
Alterthum, vielleicht von Eufebius fclbfl, und die ältefte
Hds., welche diefelbe unter der Ueberfchrift 7ZSQio%ai
tig tovq rf'uX/nncg enthält, ift der Codex Alexandrinus, aus
dem fie fchon in der Londoner Polyglotte (Band VI.
Theil 6. S. 137 ff.) und fpäter von Grabe (Bd. 4 feiner
LXX-Ausgabe) abgedruckt wurde. Darnach hätte Prager
an vielen Stellen den Text verbeffern follen, z. B.
Pf. 93 duoyuctrwv ftatt öiny^iuTiov, Pf. IOI venu Xctnv flatt
rot' Xanr, Correcturen, die fchon eine Vergleichung mit
dem fyrifchen Text nahegelegt hätte. Weiter hätte
Prager fchon bei Grabe die Uebereinftimmung beider und
die Abhängigkeit der fyrifchen von den griechifchen angemerkt
gefunden; ftatt de ffen ftellt er die Sache auf den
Kopf und hält es für wahrfcheinlichcr, dafs Eufebius fie
aus dem Syrifchen genommen. Wie man bei der ge-
ringften Kenntnifs der fyr. Sprache und der fyr. Literatur-
gefchichte eine folche Meinung haben kann, ift unbegreiflich
; dars IZooiLfi /A^v ,scrmo divinitatis' Ueber-
fetzung von tkeoXoyla und nicht umgekehrt DaoXoyiu I chäologie. 2. verb., verm. u. theilweife umgearb. Aufl.
Ueberfetzung des erfteren ift u. f. w., follte einer auf den j Mit 4 lith. Tat Frankfurt a. M. 1875, Heyder &

erften Blick fehen. Aber weiter fcheint dem Verfaffer Zimmer (XIV 766 S. gr. 8.1 M. 14. _

ganz unbekannt, dafs die Inhaltsangaben der Pfalmen

in unfern gedruckten Ausgaben alle von der jungen der | Die Anordnung diefer zweiten Auflage ift durchaus
Parifer Polyglotte zu Grund liegenden Hds. abhängen, diefelbe wie in der früheren (1858. 59); nur find die beiden
während (fast) alle alten Hdss. gar keine, oder ganz 1 Bände jetzt in einem verbunden, und einige Vcrthcilungen
andere Ueberfchriften haben. Ganz fehlen fie auch in der §5 geändert. Dagegen ift im Einzelnen die fort-
der Ausgabe von Erpenius; und dies fchon und ihre j arbeitende Hand des Verf. wohl zu erkennen. Die neue
grofse Verfchiedenheit unter einander (in Rofen und ] Literatur ift fleifsig nachgetragen und auch fachlich
Forfhalls' Catalog. Codd. Syr. Mus. Brit. und im neuen ! Manches geändert oder neu aufgenommen. Wir können
von Wright, den Keiner, der über Pef. fchreiben will, hier nur auf das Neuhinzugekommene aufmerkfam machen
unbeachtet laffen darf, find eine Menge Proben gegeben) und heben das hervor, worauf der Verf. felbft in der
hätte den Verf. in der Benutzung derfelben voriiehtig Vorrede Gewicht legt. Wefentlich umgearbeitet find die
machen follen. Schon Dathe hatte 1768 aus dem Fehlen religionsgefchichtlichen Partieen. 5 f4 »Die Anfänge der
der Ueberfchriften und ihren Abweichungen vom hebr. i ifraelitifchcn Gottesverchrung' hat eine Erweiterung erText
gefchloffen, dafs die hebr. Ueberfchriften von den ! halten durch die Bcfprechung des Urfprungs der Reli-
Syrern nicht für infpirirt gehalten worden. Nach Prager j gion S. 51 ff. Die fchon früher angedeutete Anfchauung
ift das cadueum, imoecillttm, nititxrque opipionc falsissima. des Verf. hat fich in diefem Punkte nicht geändert. Er
Nach ihm follten die jetzigen fyr. Inhaltsangaben nicht läfst mit den Erzählungen der Genefis den erften Men-
die ächten hebr. verdrängen, fondern nur gelegentliche fehen die Gottcscrkenntnifs mitgetheilt werden durch
Bemerkungen für den jüdifchen Lefer oder hebr. Syna- I Offenbarung. Auf M. Müller (Effays Bd. I, 1869 S.
gogendienft fein und follen vielfach mit Talmudifchen 305 f.) hätte fich der Verf. dabei beffer nicht berufen
Angaben übereinftimmen und fo den jüdifchen Urfprung (S. 53); denn Müller fpielt mit dem Wort Offenbarung
der Pefchittho ftützen. Diefe Uebereinftimmung ift nun und meint wohl im Grunde nichts Anderes als dafs ein
aber gar nicht fo grofs; die angeführten Parallelen find Trieb zu Gott dem Menfchen als folchem eigne. Eine
gar keine Ueberfchriften, fondern gelegentliche Bemer- eigentliche Entwickelung der Anfänge ,ifraelitifchcr Got-
kungen über Inhalt und Veranlaffungen der Pfalmen; ! tesverehrung' kann es bei des Verf. ftricterer Auffaffung
und wir behaupten, diefe Anklänge erklären fich voll- ; der Offenbarung nicht geben; es ift von-vornherein die
ftändig bei der Annahme einer chriftlichen, von jüdifcher ; Gottescrkenntnifs fertig, und nur äufserliche Einrich-
Tradition abhängenden, in den Inhaltsangaben fich aus- tungen des Gottesdienftes find im Verlaufe der Ge-

fprechenden Exegefe; und diefe Annahme wird durch
hiftorifche Zcugnifse beftätigt, von denen freilich unfer
Verf. Nichts vveifs. Die hiftorifchen Inhaltsangaben (denn
es find eigentlich keine Ueberfchriften) im fyr. Pfalter
gehen zurück auf den bei den fyr. Neftorianern unter
dem Ehrennamen 11 * * «-■« 6 sSrjyrpiy, Commentator gefeierten
Theodor von Mopsveftia. Dies ift uns in 2
Hdss. des Brit. Mus. (Rofen u. Forshall, Catal. S. 11 u.
Wright I, 134) und einer der Pariser Bibl. (f. Zotenberg's
Catalogue S. 9) ausdrücklich gefagt. Dafs weiter Theodor
von Mopsveftia die hebr. Pfalmenüberfchriften nicht
für infpirirt gehalten und auf jüdifcheExegefe fich ftützend
eigene Inhaltsangaben (p Wv ^ argumenta find fie im
Syr. genannt, das griech. Original ift leider verloren)
verfertigt habe, wiffen wir aus Theodoret's Vorwort
zu feinem Pfalmencommentar, der unter den tiveg, welche
das ToXar/Qov xai XLav stquoI gethan haben, pevbtlg vavtag
rüg fiuygacpug fdie hebr., von den LXX mit dem übrigen
Text überfetzten Ueberfchriften,) 7CQooaiyoQaittr, xul tovg
oixsiovg XoyiOfiovg rrjg toi- Ih evuccrog evegyeiag Ooqmx&QOvg
Xaiißciveiv, Niemand anders als Theodor von Mopsveftia
verfteht. Auf Inhalt und Bedeutung diefer Ueberfchriften
können wir hier nicht eingehen: wir fagen blofs: find
die Ueberfchriften der Pfalmen, die fo viel jüdifche Tradition
enthalten, trotz deffen chriftlichen Urfprungs,
warum foll dann nicht auch die ganze Ueberfetzung, in
der viel weniger von jüdifchem Einflufs wahrzunehmen
ift, ebendaher flammen?

Zu rügen haben wir endlich noch die fchlechte
Correctur der kleinen Abhandlung, zu den 30 im Anhang
corrigirten Druckfehlern laffen fich leicht noch einmal
30 finden; einer ift uns befonders aufgefallen, nicht
weniger als 5mal ift innerhalb 36 Seiten auxie ftatt anxie
gedruckt; follte das auf etwas Schlimmeres als Nach-
iäfsigkeit in der Correctur fchliefsen laffen? Im Syrifchen
haben wir 5mal ^ und ^, 2mal I und •), im hebr. t u.
-1 verwechfelt gefunden.

London. Dr. E. Neftle.

Keil, Prof. Dr. Carl Frdr., Handbuch der biblischen Ar-