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Ausgabe:

1876 Nr. 10

Spalte:

259-262

Autor/Hrsg.:

Furrer, Konrad

Titel/Untertitel:

Die neueren Leistungen auf dem Gebiete der biblischen Geographie 1876

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Theologifche Literaturzeitung. 1876. Nr. 10.

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den, denn (S. 221) ,Gott pflegt die Thatfachen, die er
eintreten läfst, nicht fo künSlerifch, wie hier gefchehen
ift, zueinander in Verhältnifs zu ftellen'; aber ,ein reli-
giöfer Roman' foll das Eftherbuch doch nicht fein, als
ob nicht auch in einem folchen fagenhafte Stoffe mit
einem gefchichtlichen Kern verarbeitet werden könnten.
Ja, fämmtliche gegen die ftrenge Gefchichtlichkeit vorgebrachten
Bedenken werden wieder durch die Bemerkung
(S. 222) abgefchwächt, dafs man fleh in allen diefen
Punkten mit einem blofsen ,Wahrscheinlich' oder auch
, Vielleicht' begnügen muffe. So figurirt denn die Parifer
Bluthochzeit wieder als treffende Analogie zu dem Decret
der Vernichtung aller Juden im weiten Perferreiche, und
die frühe Veröffentlichung des Edicts ,war wahrscheinlich
weniger thöricht, als es uns nach unfern Verhältnifsen
Scheint'. Der Lefer, welcher S. 222 Bertheau's Namen
als den einesZuSimmenden erwähnt findet, wird fchwerlich
ahnen, dafs nach der Anficht des Göttinger Gelehrten
das nicht durch eine Behörde eingefetzte, fondern allmählich
durch das Herkommen zur volksthümlichen
Geltung gelangte Purimfeft die Veranlaffung zur Entstehung
des Eftherbuches gab, das wahre Ifrael aber nicht
der Linie der Entwicklung angehört, auf welcher unfer
Buch, die Ereude an ihm und feine Erhebung zu kanonischer
Geltung Stehen (Bertheau, S. 285. 287).

Während Sch. den wirklichen Grund für die ab- ]
fichtliche Verfchweigung des Gottesnamens (vgl. Bleek's
Einleitung. 3. Aufl. S. 407) unbeachtet läfst und die Beziehung
des ,andern Ortes' (die Stelle Efth. 4, 14 kommt
wohl auch für die in der Mifchna häufige Bezeichnung
Gottes als Dipsj in Betracht; vgl. E. Schürer in den
Jahrbb. für proteftantifche Theologie 1876 S. 168 ff.) auf
Gott verkennt, erblickt er in dem Eftherbuche (S. 233)
,einen Stern, der uns anleitet, treu und muthig zu kämpfen,
wenn der Staat feine Omnipotenz immer mehr geltend
machen und zuletzt allzu abfolut auch in's religiöfe Gebiet
eingreifen Seilte'. Aber ich zweifle fehr, dafs die
Weigerung des ,Mordochai' Efth. 3, 2 ff. (vgl. S. 228 f.
259 f.) mit Brenz fleh auf den von Gott unter Bann geseilten
Amalekiter beziehen läfst, als beftände die eigentliche
Seele des Buches in der mir nicht unbedenklich Scheinenden
,Wahrheit, dafs die Ehrfurcht vor den Menfchen
nicht den von Gott Verurtheilten und Verworfenen zu
Theil werden darf.

Im Ganzen hat Sch. die vorhandene Literatur fleifsig
berücksichtigt; der alberne Einfall des bekanntlich einzigartigen
Nachtreters eines bedeutenden Auslegers (S. 48
Anm.) ift wohl nur zur Erheiterung der Lefer mitgetheilt
worden. Wie der Zufammenhang zwifchen Efra 4, 8 und
dem vorhergehenden Verfe richtig gefafst ifl, fo bietet
überhaupt der Verfaffcr viele gute Erklärungen, wenn
ich auch an nicht wenigen Stellen von der vorgetragenen
Deutung abweichen mufs. Da hier aber kein Raum zur Erörterung
zahlreicher Einzelheiten ift, fo fpreche ich fchliefs-
lich für eine etwaige neue Auflage nur noch den Wunfeh
einer forgfältigeren Berücksichtigung von Luther's Ueber-
fetzung aus. Die von Sch. gegebene und für die kirchlichen
Praktiker beftimmte Ueberfetzung follte doch nicht
hinter der kirchlich reeipirten Dolmetfchung Luther's,
was die Deutlichkeit und namentlich die Treue in der
Wiedergabe des Grundtextes betrifft, an manchen Stellen
zurückftehen. Das iS aber zum Theil in ESh. 4, 8. 14.
5, 1 und an nicht wenigen andern Orten entfehieden der
Fall und beeinträchtigt ohne Noth den Werth eines
Buches, dem ich von Herzen wünfehe, dafs es recht
vielen Nutzen Siften möge.

Bonn. Ad. Kamphaufen.

Die neueren Leistungen auf dem Gebiete der biblischen
Geographie.

Seit der letzten Edition von K. von Raumer's
,PaläSina' 1860 iS keine umfaffende fySematifche Dar-

Scllung über PaläSina und die angrenzenden Länder
I mehr erschienen*); wohl aber find feit jener Zeit eine
| Menge Einzelforfchungen über alle Thcile diefes Gebietes
1 zu Tage gefördert worden, und immer noch wächS die
| Fluth populärer und wiffenfehaftlicher Reifebefchrei-
bungen.

Die wichtigSen Beiträge für allgemeine Landeskunde
find in folgenden Werken enthalten: Duc de Luynes,
I Voyage en Palcstinc (herausgegeben nach dem Tode des
Verfaffers von Graf de Vogüe, Paris 1872 fg.). TriS-
I ram, The land of Israel (London 1865) und The /and
of Moab (London 1873). Porter, Handbook for travellers
in Syria and Palcsüne (London r. Aufl. 1858, Seither in
! 3. Aufl. erfchienen). Sepp, Jerufalem und das heilige
j Land (in 2. Aufl. 1872—75 Regensburg). Socin, Pa-
I läSina und Syrien, Handbuch für Reifende (Leipzig
1875). Palmer, The desert of Exodus (Cambridge 1871).
Ebers, Durch Gofcn zum Sinai (Leipzig 1872). Arco-
nati Visconti, Diario dt un viaggio in Arabia Petrea
(Torino 1872). Eine befonders reiche Fundgrube für
PaläSinakunde befitzen wir in den vierteljährlichen Mittheilungen
des Palcstinc c.xploration /und, feit 1869 unter
dem Titel: Quarterly Statement of tlie Palestine c.xploration
fand herausgegeben. Es hat Sich diefe Gefellfchaft eine
fySematifche und allfeitigc Erforfchung PaläSina's zur
Aufgabe gefetzt. Die Refultate ihrer Arbeiten find in
den zwei Werken: Tlic recovery of Jerusalem (bereits in
3. Aufl.) und Our work in Palestine (in 8. Aufl.) zufam-
menfaffend dargeSellt. Im Zufammenhang mit dem
Exploration /und Sehen die Publicationen der Ordnance
survey of Jerusalem und der of Sinai.

FaS ausfchliefslich nur Topographie und Gefchichte
der einzelnen Orte PaläSina's wurde von folgenden Werken
gefördert: Guerin, La Judee, La Samaric (5 Bde.
Paris 1868—75), Lud. Quandt, Judäa und die Nachbar-
Schaft im Jahrhundert vor und nach der Geburt ChriSi
(Gütersloh 1873), Ricfs, Bibl. Geographie (Freiburg im
Breisg. 1872). Tristram, The topography of tlie koly land
(London 1872), Lievin, Guide indicateur des sanetuaircs
et lieu.x historiques (Jerufalem 1869). Auch die Commen-
tare von Knobel und Fay zum Buche Jofua enthalten
werthvolle topographifchc Beiträge. Eingehende Artikel
über alle Theilc der biblifchen Geographie bietet Schenkel
's Bibellexikon, neben welchem auch die Arbeiten
von Ruetfchi, Leyrer, Arnold in Herzog's theol.
Realencyclopädie Erwähnung verdienen. Für die Topographie
Jerufalem's iS von Werth: Vogüe, Le temple
de Jerusalem (Paris 1864—65), Rofen, Das Haram von
Jerufalem und der Tempelplatz des Moria fGotha 1866).
Die Topographie von Nazareth iS gründlich behandelt
in Tit. Tobler: Nazareth in PaläSina (Berlin 1868).

Was bis zum Jahre 1865 von den phyfifchen Verhältnifsen
PaläSina's bekannt war, hat Robinfon in
feiner Phyfifchen Geographie des h. Landes (Leipzig
1865) in gewohnter lichtvoller Weife zufammengeScllt.
In der Geologie diefes Landes haben die Werke von
Lartet (f. namentlich Essai sur la geologie de la Palestine,
Paris 1869) und Fr aas, Aus dem Orient, geol. Beobachtungen
am Nil, auf der Sinaihalbinfcl und in Syrien
(Stuttgart 1867),Drei Monate am Libanon (Stuttgart 1876),
eine neue Epoche begründet. Weitere Beiträge danken
wir vor Allem Conders im Quarterly Statement, und
Stoppani im Bollettino della societa geografica Italiana
(Firenze 1875). Um Kenntnifs der Flora und Fauna
PaläSina's hat Sch TriSram grofses VerdienS erworben:
TriSram, The natural history of the Biblc (London 1867,
feitdem in 3. Aufl.). Ferner erwähnen wir: Wood, The
Bible animals (London 1869), Balfour, The plants of the

*) Zwei vortreffliche Darflellungen in mehr überfichtlicher Korm
find, die eine 1864, die andere 1871, in neuer Bearbeitung veröffentlicht
worden, nämlich von Räbiger in de Wette's hebräifch-jüdifcher
Archäologie und von A. Levy in Münk's Paläftina.