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Ausgabe:

1876 Nr. 9

Spalte:

246-247

Autor/Hrsg.:

Valdés, Juan de

Titel/Untertitel:

Göttliche Betrachtungen 1876

Rezensent:

Plitt, Gustav Leopold

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Theologifche Literaturzeitung. 1876. Nr. 9.

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fondern auch, dafs er felbft noch aus diefen Büchern Weiers
in Erfurt Magifter geworden. Er bezieht fich alfo
hier nur auf die philofophifchen Schriften desfelben, und
wenn es richtig ift, dafs diefe zu feiner Zeit noch dem
Studium zu Grunde gelegt worden, kann man auch das
Schweigen Tr.'s nicht aus Scheu vor dem zum Ketzer
gewordenen Manne erklären. Nirgend fonft erfahren wir
etwas über diefe Schriften Wefel's, felbft Frantl weifs j
nichts davon, denn er erwähnt ihn gar nicht. Gleichwohl j
zieht doch PI. die Vermuthung, zu welcher er fich verflicht
fühlt, Luther könne fich in der fo viel fpätern Angabe
geirrt haben, felbft wieder zurück angefichts der fo
beftimmt lautenden Worte Luther's. Wenn Flacius, welcher
blofs die Schrift über den Ablafs kannte, im Catal.
test. ver. fagt: audio, Erplwrdiae eins scripta adhuc inveniri
posse, fo klingt dies zwar nicht wie eine blofse Remi-
niscenz an Luther's Acufserung, aber es bleibt dahinge-
ftellt, ob er an philofophifche Schriften denkt, oder etwa
an andere theologifche, die, dort früher verborgen gehalten
, noch aufzufinden fein dürften. Kurz die Sache
bleibt dunkel, und es fcheint doch, als müfsten wir bei
der Annahme von logifchen Heften, deren fich die Erfurter
Studenten bedienten, und von denen Tr. aus irgend
welchem Grunde keine Notiz nimmt, flehen bleiben. Was
den directen Einflufs Trutfetter's felbft auf Luther's Bildung
betrifft, fo macht PL fchon an dem zeitlichen Verlauf
von Luther's Studiengang einleuchtend, dafs derfelbe
faft nur auf dem Gebiete des logifch-dialektifchen Unterrichts
zu fuchen fein wird, dafs Tr. nicht eigentlich als
theologifcher Lehrer Luther's betrachtet werden kann.
Ueberhaupt erfahren wir auch von PI. über feine theologifche
Thätigkeit nicht eben viel; literarifch ift Tr. auch
als Doctor der Theologie, als welcher er theologifche
Vorlefungen zu halten hatte, doch nur auf philofophifchem
Gebiete hervorgetreten, wie denn fein zweites Hauptwerk,
die Summa in totam physicam diefer fpätern Zeit angehört
. Luthers briefliche Aeufserung: ex te primo omnium
didici, solis canonicis libris deberi fidem, caeteris omnibus
iudicium (de Wette I, 109), welche übrigens über fonftige
Aeufserungen aus der Sphäre gut kirchlicher Scholaftik
nicht nothwendig hinausweift, bleibt eine vereinzelte Notiz
, und Trutfetters Theologie läfst fich faft nur indirect,
theils aus feinem Leben und Weben in der Logik und
Dialektik, theils aus feiner entfehiedenen Ab weifung
gegen Luther's Vorgehen charakterifiren. — Noch fei erwähnt
, dafs PI. auch das Verhältnifs Tr.'s zum Humanismus
, ein durchaus freundliches zu dem mit der Kirche
noch nicht entzweiten, eingehend erörtert und feine Stellung
im Rcuchlin'fchen Streit und zu Eck beleuchtet.

Kiel. Möller.

Köhler, Superint. Karl Frdr., Luther's Leben, dargestellt
in seinen Reisen von der Kindheit bis zum Tode.
Für das deutfehe Volk bearbeitet. Eifenach 1875,
Bacmeifter. (VIII, 331 S. gr. 8.; M. 2. 25.

Im Jahre 1872 erfchien: ,Luther's Reifen und ihre
Bedeutung für das Werk der Reformation. Nach Quellen
bearbeitet von K. Fr. Köhler, Superintendent der
Diöcefe Eifenach, Pfarrer in Stedtfeld. Eifenach,
J. Bacmeifter. VI, 331 Seiten'. — Wer Luther's Leben
und die Literatur darüber etwas kennt, fah nach dem
Lefen der 'erlten Seiten, dafs der Verf. der Schrift
feiner Aufgabe nicht entfernt gewachfen war und recht
oberflächlich gearbeitet hatte. Dies ward ihm auch deutlich
genug in einer Recenfion von Dr. Wagenmann
in den Jahrbb. für deutfehe Theologie 1873 S- 341—43
gefagt. Das Buch ward als wiffenfehaftlich unbrauchbar
zurückgewiefen. Jetzt erfcheint die Makulatur als ein
neues Lutherleben für das deutfehe Volk, denn das neu
Gebotene ift nichts anderes als jenes frühere Buch mit
neuem Titel, der keine Jahreszahl trägt! Das deutfehe

Volk foll 2 M. 25 Pfg. dafür zahlen! Ein Weiteres hier
beizufügen ift überflüffig.

Erlangen. Dr. G. Plitt.

Luther's, Dr. Martin, Tischreden od. Colloquia, fo er in
vielen Jahren gegen gelahrten Leuten, auch fremden
Gälten u. feinen Tifchgefellen geführet, in Auswahl
für das deutfehe Volk. Berlin 1876, Berggold. XV,
158 S. 8.) M. 2. 40.

Der ungenannte Herausgeber diefer Auswahl, die
felbft keinerlei wiffenfehaftlichen Werth beanfprucht, hält
fich an die bekannte Ausgabe von Förftemann und
Bindfeil; nur in der Anordnung weicht er von ihr ab,
um die ermüdende Einförmigkeit in der Häufung gleichen
Stoffes zu vermeiden. Er hat ,das Dargebotene in 20
„Sammlungen" gegliedert und fich in die Vorftcllung
einer gefelligen Unterhaltung gefetzt, wo die Gegenftände
des Gefprächs durch eine gewiffe Ideenverwandtfchaft,
wenn auch nur lofe in Verbindung flehen und dennoch
nach aufgeworfenen Fragen oder augenblicklichen Einfällen
mannigfaltig wechfeln'. Die Auswahl ift nicht un-
gefchickt, doch bezweifle ich, dafs es richtig war, in
einem für das gröfsere Publikum berechneten Buche fo
ganz die alte Sprache mit ihren Formen beizubehalten,
wie hier gefchehen ift.

Erlangen. Dr. G. Plitt.

Valdes, Juan de, Göttliche Betrachtungen. Ueberfetzt von
Reg.-R. a. D. Dr. Otto Anger. Leipzig 1875, Buchh.
d. Vereinsh. (151 S. gr. 8.) M. 3. —

Genauere Bekanntfchaft mit dem, was die beiden
fpanifchenEdelleute, die Brüder Alphonfo und Juan deVal-
des, waren und leifteten, ift uns in Deutfchland erft durch
Prof. Ed. Böhmer vermittelt worden. Seit 1860 hat er
theils Schriften Juan's, theils Forfchungen über das Leben
beider Brüder veröffentlicht. Das Wichtigste in letzterer
Beziehung ift fein Auffatz im 17. Bande der theologifchen
Real-Encyklopädie, welcher mit Berichtigungen und Erweiterungen
1870 wieder abgedruckt ward als Anhang
zu einer deutfehen Ueberfetzung der 110 göttlichen Betrachtungen
des Juan de Valdes. Diefe 1550 zuerft in
Bafel gedruckten Betrachtungen hatte Böhmer 1860 auf
Korten englifcher Freunde in italienifcher Sprache, der
Sprache des erften Druckes, herausgegeben, und liefs
dann ein Jahrzehnt fpäter die von einem Anderen angefertigte
, aber von ihm durchgefehene Ueberfetzung
mit jenem Anhang folgen. Faft gleichzeitig erfchien
die auch von ihm verglichene Ueberfetzung fünf anderer
Traktate desfelben Verfaffers über die chriftlichen Grundlehren
, die 1545 in Rom felbft zuerft gedruckt waren.
Diefe letzteren Traktate mit den Ueberfchriften: t. wie
man zu Werke gehen foll, die Grundlagen der chriftlichen
Religion zu lehren und zu predigen ; 2. von der
Rechtfertigung; 3. nochmals von der Rechtfertigung;
4. dafs das ewige Leben uns von Gott gefchenkt wird
durch Chriftum Jefum, unfern Herrn; 5. über die chrift-
liche Gewifsheit von der Rechtfertigung und Verklärung,
— find das bedeutendere Werk und der vollften Beachtung
nicht nur derer, welche fich um die Reformations-
gefchichte kümmern, fondern aller Freunde evangeli-
fcher Erbauungsliteratur werth. Jene 110 Betrachtungen
find, wie fchon der erfte Herausgeber bemerkte, in etwas
schwerfälligem Stile gefchrieben und laffen in der Cor-
reetheit der Lehre einiges vermiffen. Aber auch fie enthalten
eine Fülle geiftvoller und aus tiefer Erfahrung
gefchöpfter Bemerkungen, die vornehmlich auf das fitt-
liche Leben fich beziehen. Sie lohnen dem aufmerk-
famen Lefer feine Mühe. Dennoch ift kaum zu erwarten,
dafs diefe Betrachtungen in Deutfchland als Erbauungsbuch
fich einbürgern werden. Dies wird der zweite

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