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Ausgabe:

1876 Nr. 8

Spalte:

201

Autor/Hrsg.:

Siegfried, Carl

Titel/Untertitel:

Die Aufgabe der Geschichte der alttestamentlichen Auslegung in der Gegenwart 1876

Rezensent:

Diestel, Ludwig

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Seite 1

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Theologische Literaturzeitung

Herausgegeben von Prof. Dr. E. Schüret*.

Erfcheint Preis
alle 14 Tage. Leipzig. J. C. HinrichsTche Buchhandlung. jährlich 16 Mark.

1. Jahrgang. 15- April 1876. N°- 8.

Siegfried, Die Aufgabe der Gelchichte der j Skworzow,Patrolog.UnIerfuchgn.(Weizfäcker). | Doedes, Der Angriff eines^ Materialiflen auf

alUeftamentl. Auslegung (Dieftel). Heydecke, Dissertatio qua Barnabae epiftola j den Glauben an Gott (E. Pfleiderer).

Smend, Moses apud Prophetas (Dieftel). interpolata demonstretur (Weizfäcker). Semper, Der Hackelismus in der Zoologie

Kuenen, De Profeten en de Profetie onder [ Lindner, Gefchichte des deutfchen Reiches (E. Pfleiderer).

Israel (Wellhaufen). unter König Wenzel I. Bd. (Tfchackert). Nebe, Die evangelifchen und epiftolifchen Pe-

Pfleiderer (O.), Die deutfche Religionsphilo- ricopen des Kirchenjahres, 6 Bde. (Stöckicht).
fophie (Bender).

Bidder, Ueber Koheleths Stellung zum Un-
fterblichkeitsglauben (Kautzfeh).

Siegfried, Prof. Dr. Carl, Die Aufgabe der Geschichte der Smend, Lic. Dr. Rud., Moses apud Prophetas sive quidnam
alttestamentlichen Auslegung in der Gegenwart. Akade- ' prophetac saeculi noni et octavi de religionis israeli-
mifche Antrittsrede. Jena 1876, Dufft. (20S. gr. 8.) M. I.— ticae moribus et institutis eorumque origine et anti-

Wenige find wohl gleich befähigt, ein Bild von der
Aufgabe zu entwerfen, welche eine wirkliche Gefchichte
der Auslegung des Alten Testamentes fich zu ftellen
habe, wie der Verfaffer. Diefes Bild ift eben fo klar wie
umfichtig gezeichnet, wie von einem Gelehrten zu erwarten
war, der grade an zwei Hauptpunkten, wo die jüdifche
Exegefe in die chriftlichc mündet (Philo und Rafchi's
P.influfs auf Lyra), ungemein fördernde Porfchungen veröffentlicht
hat. Sehr glücklich ift der Gedanke einer

quitate prodant. Commcntatio. Halle 1875, Buchh.
d. Waifenh. (76 S. gr. 8.) M. 1. 50.

Welche Religionsgeltalt, namentlich in Beziehung
auf Gefetze, Opfer, Reinheit und Unreinheit, Höhendienft,
fetzen die Propheten des neunten und achten Jahrhunderts
voraus? Diefe Frage, welche uns in den Mittelpunkt
der heutigen Hauptcontroverfe im Alten Tefta-
mente führt, fucht der Verfaffer jener Schrift auf fcharf-

Auslegung des A. T. innerhalb unferes heutigen mafo- , finnige und umfichtige Weife zu löfen. Mit ftrenger
rethifchen Textes, wobei freilich eine kritifche Textesge- j Logik, mit gewandter Benutzung aller Momente, na-
fchichte die Grundlage bilden wird. Indefs ift die 1 mentlich in einer die Schlufsfolgerungcn vorftchtig beAufgabe
in ihrem ganzen Umfange fo bedeutend und grenzenden Art führt er die Unterfuchung zu dem Ererfordert
fo viel Zeit und Kraft ohne die beftimmte Aus- gebnifsc, dafs jene Propheten zwar Gefetze und Gefetzficht
auf ein entfprechendes Mafs wiffenfehaftlichen Ge- bücher mit allgemeiner öffentlicher, auch fie bindenden
Winnes, dafs wohl deshalb nur Wenige fich diefen Studien Autorität nicht kennen, dafs fie dagegen den Kultus,
gewidmet haben. Grade hier tritt der eigenthümliche namentlich Opfer und levitifche Sitte, in dem Umfange
•all ein, dafs von monographifchen Vorarbeiten wenig und meift auch in der Art als beftehende Volksreligion
I- orderung deshalb zu erwarten fleht, weil die einzelnen vorausfetzen, wie fie uns in der levitifchen Gefetzgebung
{;xeScten erft_im Strome der Entwickclung, erft mit genauer vorliegt. In allen Hauptpunkten läfst fich der Inhalt
Kuckficht auf ihre Vorganger und Nachfolger fowie in ' derfelben als congruent mit der damaligen religiöfen
ihrer Abhängigkeit vom Zeitgcifte, recht gewürdigt I Sitte und Gewohnheit nachweifen; diefe Sitte übte eine
werden können. — Der Untcrfchied der Aufgabe, welche ! Macht aus, gröfser, als dies bei blofsen ,Gefetzen' der
der Herr Redner zeichnet, von der, welche ich mir in j Fall zu fein pflegt. Die Möglichkeit einer Codification
meinem Buche gefetzt hatte, beftimmt fich leicht dahin, jn fpäterer nachexilifchcr Zeit ift nicht abfolut ausge-
dafs er das Alte Testament ganz allein ins Auge fafst, ' fchloffen, ebenfowenig aber auch für eine frühere Zeit;
während für mich das Gebiet durch die Rückficht auf fie kann bereits Jahrhunderte hindurch vor jenen Pro-
die chriftlichc Gemeinschaft von felbft begrenzt wurde, i pheten vorhanden gewefen fein. Ift fie indefs fpäter
Was er daher als,empfindliche Mängel und Lücken'meiner codificirt, fö ift fie nicht ein Werk des älteren Elohiften
Arbeit betont, möchten fich doch als die unvermeidlichen { (p. 74), deffen Buch der Deuteronomiker bereits gekannt
Grenzen bezeichnen laffen, die jeder Monographie ganz | haben mufs — eine Annahme, für welche der Verf. neue,
nothwendig eignen; und ich bin fogleich bereit auch in unfern Augen freilich nicht zwingende Inftanzen vor-
jedem Dogmcnhiftoriker, der ähnliche Lücken finden kann I bringt. Der Schwerpunkt der Abhandlung liegt indefs
und mufs, dergleichen zuzugeftehen. Ueberdies bildet I jn jenem erften Punkte. Und hierin bezeichnet diefelbe
doch die Gefchichte der theologifchen Auffaffung des j einen fehr wefentlichen Fortfehritt und füllt eine nicht
A. T.'s in der chriftlichen Kirche den eigentlichen Mittel- ! geringe Lücke in den bisherigen Unterfuchungen aus.
punkt meiner Arbeit; denn bis in das Ende des vorigen 1 Wir können feinen Erörterungen und Beweisführungen
Jahrhunderts ift die chriftlichc Plxegefe in ungleich in fo umfaffendem Mafse zuftimmen, dafs die Ausnahmen
höherem Mafse von diefer Anfchauung beftimmt worden, dagegen faft verfchwinden. Wir erwähnen nur einige,
als von irgend welchen andern Einflüffen. Diefe letzteren { Auf S. 19 durchkreuzen die zu fchnellen Rückfchlüffe
näher zu beftimmen ift aber eine nothwendige Ergänzung ; auf Mofaicität den Gang der Deduction in einer Weife,
meines Werkes; vielleicht wird auch das Bild manches 1 welche ihre Kraft fchwächt und verwirrend wirkt. Die
Exegeten dadurch ungleich deutlicher. Und darum begrüfse j Bemerkung gegen Kuenen (p. 37 Nöte) trifft nicht, da
ich jenes Programm, das der Verf. aufftellt, als eine Art j der Glaube, Jahve fei höher als alle anderen Gottheiten,
Burgfchaft, dafs er feine Studien dahin richten werde. I noch keineswegs einfchlofs, er fei ihnen entgegengefetzt:
Und dafs diefe Aufgabe bei ihm in den beften Händen die Abforption des Begriffs der Gottheit durch die Jah-
fei, darüber werden wohl mit mir alle Fachgenoffen veidee ift eben der Fortfchritt, den K. im Auge hat.
einig fein. 1 Gar zu fcharflinnig find wohl die Schlüffe auf die VorTübingen
. L. Dieftel. 1 Heilungen über Reinheit, die der Verf. aus Arnos 7, 17

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