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Ausgabe: | 1876 Nr. 7 |
Spalte: | 185-188 |
Autor/Hrsg.: | Euting, Jul. |
Titel/Untertitel: | Sechs phönikische Inschriften aus Idalion 1876 |
Rezensent: | Baudissin, Wolf Wilhelm |
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Theologifche Literaturzeitung. 1876. Nr. 7.
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Völker hat eine cultifche, in rein religiöfen Handlungen
fich kundgebende Seite und eine fittlich-rechtliche, die
nicht minder auf die Gottheit zurückgeführt wird. So
auch in Ifrael, ganz abgefehen von der mittelpentateu-
chifchen Gefetzgebung. Jenes Verkennen der cultifch-
levitifchen und gefetzlichen Seite verfchuldet denn auch
eine fehr ftarke Verzeichnung des Bildes vom Deutero-
nomiker, von Ezechiel, wie von der angeblich nachexi-
lifchen .Grundfchrift'. Die Urfache hiervon liegt wohl
darin, dafs der Verf. von dogmatifchen Studien aus an
diefe Frage herantritt, weniger von religionsgefchicht-
lichen. So ift auch der Begriff der ,Naturreligion' in der
Art, wie er ihn verwerthet, mehr eine religionsphilofo-
phifche Abftraction als eine gefchichtliche Gröfse, weil,
foweit wir heute fehen können, in keiner höheren Reli-
gionsgeftalt das ethifche Moment fehlt, fowenig in Aegypten
wie in Babylon. Um die Thefe feines Titels zu
rechtfertigen, hätte er doch wohl aufser der volkstümlichen
Religionsgeftalt die gefetzlichen Theile der jahvi-
ftifchen Urgefchichte näher darlegen und mit beiden
Bildern die Religionsform vergleichen müffen, wie fie
uns in der Grundfchrift entgegentritt. Auch fetzen ja
die Propheten beim Volke die Kenntnifs des Gotteswillens
voraus. Befafs nun das Volk diefe Kunde aus
Ueberlieferung oder von Natur? Wenn erfteres, in welcher
Form? Unmöglich liefs fich dann Hofea 8, 12 durch
blofse Adoption der Hitzig'fchen Erklärung (S. 131) be-
feitigen, während er doch nach Hofea 4, 6 priefterliche,
nach 12, 11 prophetifche Unterweifung vorangegangen
fein läfst. Dem Hofea ift, wie Verf. zugefteht, der Dekalog
bekannt, dem Arnos fogar auch das kleine Gefetzbuch
Exod. 21—23. Ebenfowenig wird er die Bekannt-
fchaft diefer Propheten mit der jahviftifchen Urgefchichte
leugnen, die ja eine Fülle von Gefetzen enthielt, Gefetze,
die zum gröfsten Theile viel leichter anwendbar waren,
als die in der Grundfchrift. Dafs die nachexilifche Da-
tirung derfelben bereits ,die Feuerprobe beftanden habe',
läfst fich doch wohl nicht fagen, fo werthvoll auch die
kritifchen Beiträge find, welche Riehm und Nöldeke
gegeben haben. Mehrere Inftanzen des letzteren find
noch unwiderlegt, und die Schwierigkeiten, welche jene
Hypothefe fchafft, find viel gröfser als die Anhänger
derfelben fich vorftellen. Zweierlei geftehen wir aber
fehr gerne zu. Einmal, dafs durch diefe Thefe das Bild
der Entwickelung der ifraelitifchen Religion eine faft ver-
führerifche Geftaltung empfängt, fo rund, logifch rein
und erhaben ift es. Aber fchon deshalb möchte der 1
Zweifel daran berechtigt fein; wirklich gefchichtliche Vorgänge
vollziehen fich nicht mit diefer logifchen Sauberkeit
. Für's Andre fehen wir gerade an dem vorliegenden
Werke, dafs die ältere Vorftellung vom ,Mofaismus' unwiederbringlich
einer fehr bedeutenden Aenderung unterliegen
wird, wie ich dies fchon früher in einer Beurtheilung
der Altteftam. Theol. von Schultz (in den Theol. Stud.
und Krit.) angedeutet habe. Deshalb find folche Studien,
wie fie der Verf. bringt, trotz aller Ausftellungen, zu
denen wir genöthigt find, als Beiträge zu diefer hochwichtigen
Frage fehr willkommen. — Gern möchten wir
von der Darfteilung Günftigeres fagen. Ihre theilweife
Dunkelheit entfpringt nicht dem Mangel an Styltalent
(der Verf. kann fehr fcharf und klar fchreiben), noch
auch zugrofser Gedrängtheit der Gedanken, fondern einer
Abwefenheit der letzten Feile, welche die Gedanken-
brouillons und unausgereiften Anfätze zur Entwickelung
einer Idee gründlich ausgemerzt haben würde. Bei fortgefetzter
ftrenger Selbftkritik laffen die bedeutenden
Fähigkeiten des Verfaffers fehr Tüchtiges erwarten.
Tübingen. L. Dieftel.
Ct0 de Vogüe. Stele de Yehawmelek. roi de Gebal.
Communication faite ä l'Academie des inferiptions et
bellcs-lettres. (Extrait des comptes rendus de l'Academie
des inferiptions et belles-lettres.) Paris 1875,
Imprimerie nationale. (25 S. m. 1 Taf. 4.)
Eitting, Jul., Sechs phönikische Inschriften aus Idalion.
Strafsburg 1875, Trübner. (17 S. m. 3 Taf. 4.) M. 4. —
Nur nach ihrer religionsgefchichtlichen Bedeutung
oder infofern fie zur Erklärung des A. T. einen Beitrag
liefern, können die beiden neuen Veröffentlichungen phö-
nieifcher Infchriften in einer theologifchen Zeitfchrift
zur Sprache kommen; ihre weitaus gröfsere Wichtigkeit
für die Philologie fowie auch die für die Profangefchichte
mufs hier ganz unberückfichtigt bleiben. Indeffen greifen
diefe Infchriften als Urkunden von Weihungen für Gottheiten
(nur bei einer der idalifchen Infchriften ift diefe
Bedeutung nicht beftimmt zu erkennen) direct in das
religionsgefchichtliche Gebiet ein. — Die von dem Grafen
de Vogüe zum erften Male (in der Sitzung der Akademie
vom 22. Jan. 1875) bekannt gemachte Infchrift des Königs
Jechawmelek von Gebal ift die Urkunde einer Weihegabe
für die Göttin Baalath. Sie wurde bei Dfchebel
an der Stelle des alten Gebal und fpäteren Byblos von
Peretie aufgefunden und befindet fich jetzt in der Sammlung
des Herrn L. de Clercq in Paris. Während des
Transportes der Stele durch Konftantinopel hat Graf de
Vogüe fie einer feiner eigenen Ausfage nach nur flüchtigen
Prüfung unterzogen und daraufhin der Akademie
feine Mittheilung gemacht. Eine kurze Hinweifung auf
den Fund gab fchon Renan in den Zufätzen zur Mijfion
de Plicnicie S. 855. Nach den dem Ref. zuerft zu Geficht
gekommenen Notizen darüber in d. Revue crit.
vom 30. Jan. 1875 S. 79 f. und in d. Academy vom 6.
Febr. 1875 S. 146, wo der Name des Königs Yehu-
melekh wiedergegeben wurde, konnte der erfte Theil des
Namens für den Gottesnamen in* — nirt; gehalten werden
, der bisher infehriftlich noch in keinem phönic.
Eigennamen nachgewiefen war. In diefem Sinne hat Ref.
auf die Infchrift aufmerkfam gemacht in d. Zeitfchr. f.
d. hiftor. Theol. 1875 S. 455 f. und fo auch Wellhaufen
in d. Jahrbb. f. deutfehe Theol. 1875 S. 633. Allein die
Abbildung der Infchrift bei De Vogüe läfst keinen Zweifel,
dafs -p'2-,rr ,Melek fchenke Leben' (fchwerlich vivit
Melek) zu lefen fei. Was aber die Infchrift wirklich neu
bietet ift der Name der Göttin bas-nbya, da wir die
Baaltis oder Beltis (entfprechend affyr. Bilit) bisher nur
aus griech. und röm. Schriftftellern kannten. Wir erfahren
jetzt zum erften Male, welches der einheimifche Name
der Göttin war, welche als Aphrodite oder mit andern
fremden Bezeichnungen in der Schrift De Syria dea und
fonft vielerwärts dem Adonis von Byblos zur Seite geftellt
wird. Ihr hatte der König, wie die Infchrift befagt, zu
Gebal verfchiedene Tempelbauten gewidmet. Die Weihung
ift über der Infchrift bildlich dargeftellt: der König,
in perfifcher Kleidung, überreicht der Göttin, welche in
ägyptifchem Gewände, angethan mit den Symbolen der
Ifis auf einem Throne fitzt, eine Schale — ganz fo wie
auf ägyptifchen Denkmälern die Weihung eines Tempels
dargeftellt zu werden pflegt. Die beiden Figuren find,
wieder nach ägyptifcher Weife, überfchattet von zwei
Flügeln, deren mittlere Füllung bis auf den Vogelfchweif
ausgebrochen ift. Das perfifche Coftüm des Königs läfst
nicht daran zweifeln, dafs er zur Zeit der perfifchen
Oberherrfchaft lebte, und auch der Schriftcharakter
fpricht nach D. V. S. 13 für das VI. bis IV. Jahrh. v. C.
Die ägyptifche Darfteilung der Göttin entfpricht ganz
den Angaben der griechifchen Schriftfteller über die
Vermengung des Cultus zu Byblos mit dem Dienfte des
Ofiris und der Ifis. Die Hörner in dem Kopffchmuck
der Göttin beftätigen die Vermuthung Renan's, Philo
Byblius habe feine Angabe über die Hörner der Aftarte
(Sanchon. ed. Or. S. 34) aus bildlichen Darftellungen
derfelben entnommen. Gerechtfertigt ift jetzt auch die
Angabe Philo's, Kronos habe die Stadt Byblos der Baaltis