01.01.2013

Freiheit, Verantwortung, Zivilcourage Auf dem Weg zu einer Gemeindekirche in ökumenischer Offenheit 21.–23. September 2012, Halle (Saale)

Mit dem Vizepräsidenten des Kirchenamtes der EKD, Herrn Dr. Thies Gundlach, konnte der Dietrich-Bonhoeffer-Verein e. V. (dbv) für seine Herbsttagung vom 21. bis 23. September 2012 in Halle (Saale) einen prominenten Referenten für den Einstiegsvortrag gewinnen. Thies Gundlach fiel es zu, unter dem Titel »Kirche der Freiheit – Perspektiven für die Ev. Kirche im 21. Jahrhundert« das von ihm wesentlich mit erarbeitete Impulspapier der EKD »Kirche der Freiheit« von 2006 in Kurzform darzustellen sowie die sich daraus bis dato abgeleiteten Entwicklungen zu skizzieren.
Bereits in den einführenden Worten der Tagungsorganisation sowie des Referenten selbst wurde hervorgehoben, dass erhebliche Differenzen zwischen den Positionen des Impulspapiers sowie den Einschätzungen des Dietrich-Bonhoeffer-Vereins bestünden. Diese Vorbemerkungen erhielten geradezu prophetischen Charakter dadurch, dass in der den Vortrag anschließenden Aussprache des Auditoriums mit dem Referenten die unterschiedlichen Haltungen stellenweise sehr scharf gegeneinandergestellt wurden.
Gundlach erläuterte, von 2004 an sei an dem Impulspapier »Kirche der Freiheit« gearbeitet worden. Der Bedarf an dieser grundsätzlichen Arbeit habe sich aus den Erfahrungen folgender Problematiken für die Evangelische Kirche Deutschlands ergeben: Ausdünnung der Gemeinden (sukzessiver Verlust von Kirchen- und Gemeindemitgliedern); Wahrnehmung von innen wie von außen, die Kirche drehe sich zunehmend um sich selbst; »Verwohnzimmerung des Protestantismus« (zunehmende Wirkkraft der Gemeinden ausschließlich nach innen, in der Folge zurückgehende Offenheit und Horizonterweiterung). Der Referent unterstrich diese grundlegende Diagnose mit der Metapher von »drei babylonischen Gefangenschaften der Gegenwart«, welche die Evangelische Kirche erfasst hätten: Leben auf Pump. Die Kirche lebe über ihre Verhältnisse, die Erwartungen an die (haupt- wie ehrenamtlichen) Mitarbeiter hätten sich ins nahezu Unerfüllbare gesteigert. Von außen werde die Kirche inzwischen als gehetzt und erschöpft wahrgenommen. Verharren im eigenen Milieu. Die Gemeinden würden zunehmend weniger neue Menschen ansprechen, in der Folge habe sich der Fokus der Kirche vor Ort auf das bürgerliche Milieu reduziert. Diese Entwicklung lasse die Ausbildung einer geistlichen Enge befürchten. Entwicklung des Gestus eines prophetischen Wächteramtes nach 1945. Die Politisierung der kirchlichen Theologie seit 1945 habe – in Verbindung mit der zunehmenden Pluralisierung und Ausdifferenzierung der Gesellschaft – dazu geführt, dass die Evangelische Kirche verstärkt Schwierigkeiten habe, sich theologisch zu positionieren. Ein Verlust von Eindeutigkeit sei zu verzeichnen, ja geradezu ein Theologiedefizit, welches vor dem Hintergrund des pluralisierten Umfeldes doppelt schwer wiege.
Thies Gundlach leitete aus diesen Beschreibungen ab, die EKD müsse aktiv aus diesen Gefangenschaften heraustreten. In diesem Zusammenhang sei das Impulspapier »Kirche der Freiheit« zu sehen. Allein der Umstand, dass dieses Papier zu (von zustimmenden bis zu ablehnenden) engagierten Diskussionen geführt habe, sei als Erfolg dieser Grundsatzarbeit zu werten. Kritisch konstruktive Diskussionen seien ausdrücklich erwünscht. Der Referent machte deutlich, nach seiner Einschätzung bedürfe es eines grundlegenden Mentalitätswandels in der Kirche, damit die skizzierten Gefangenschaften tatsächlich hinter sich gelassen werden könnten: Ein geistlicher Prozess in den Gemeinden wie der Gesamtkirche müsse begonnen werden mit dem Ziel einer einladenden sowie sich öffnenden Mentalität. Auf kritische Anfragen zum Impulspapier verweisend stellte Thies Gundlach fest, dieser Prozess sei selbstverständlich als langwierig zu erwarten.
Die inhaltliche Dimension des Impulspapiers fasste der Referent in drei Schwerpunkten zusammen: Beschreibung von zwölf Leuchtfeuern für die Kirche: Diese Vorstellung gehe von der Reformbedürftigkeit der Strukturen innerhalb der EKD aus. In diesem Sinne seien wesentliche Kennzeichen der Kirche auf die Erfordernisse der Gegenwart hin weiterentwickelt worden. Thies Gundlach widersprach der scheinbar oft falsch interpretierten Einschätzung, diese Leuchtfeuer sollten als gesetzte, anzusteuernde Markierungen verstanden werden; stattdessen seien sie als Orientierungspunkte gedacht. Exemplarisch griff der Referent das Leuchtfeuer »Pfarrberuf als Schlüsselberuf der Kirche« heraus. Impliziert sei hier die Stärkung des priesterlichen Amtes zur Verkündigung des Evangeliums. Entwicklung von Top-Down-Prozessen: Traditionell sei es im Protestantismus ungewohnt, Veränderungsprozesse »von oben« zu gestalten, da Leitung und Führung von jeher kritische Anfragen herausfordern würden. Gundlach brachte an dieser Stelle erstmals das nachfolgend wiederkehrende Argument vor, die einzelne Ortsgemeinde könne die gesamtkirchlichen wie gesamtgesellschaftlichen Herausforderungen weder völlig überblicken noch ihnen – vor dem Hintergrund der begrenzten Ressourcen – adäquat begegnen. Insofern machten die eingangs skizzierten gesellschaftlichen Entwicklungen Top-Down-Prozesse innerhalb der EKD erforderlich, das vielfach gewünschte Bottom-Up sei nicht ohne Weiteres möglich. Als wichtige bisherige Anstöße »von oben« nannte der Referent einen Zukunftskongress aus 2007, das Einbringen der erarbeiteten Positionen in die EKD-Synode in 2008 sowie eine Zukunftswerkstatt aus 2009. Gundlach stellte als wesentlichen Top-Down-Prozess die Etablierung einer Profilkirche mit Profilgemeinden heraus, welche Schwerpunkte setze und somit eindeutige Erkennungszeichen gebe. Angebot von vier Zentren zur Stärkung der kirchlichen Arbeit: a) Zentrum für Predigtkultur (Wittenberg). Dieses Angebot werde ungemein gut angenommen und stark nachgefragt; b) Zentrum für Qualitätsentwicklung (Hildesheim). Dieses Angebot sei von Beginn an kritisch eingeschätzt worden; c) Zentrum für Mission (Dortmund, Stuttgart, Greifswald). Um die regionalen Erfordernisse bestmöglich abbilden zu können, seien deutschlandweite Stationen eingesetzt worden; d) Zentrum für Führung und Leitung (Berlin). Dieses Angebot sei – wie zu erwarten – höchst umstritten. Im Protestantismus sei bis dato keine Tradition ausgebildet worden zum selbstverständlichen Umgang mit Führung.
Selbstkritisch merkte Gundlach an, im Impulspapier seien die Themen Seelsorge (Stichwort: Beheimatung in Kirche und Ortsgemeinde), Kirche in der Fläche sowie Ökumene deutlich unterrepräsentiert. Insofern sei er sehr dankbar, dass diese von außen kommenden Impulse als kritische Hinweise auf Defizite erkannt und in die weitere Arbeit der theologischen Abteilung der EKD eingehen würden. Er schloss seinen Vortrag mit einem Ausblick für die Evangelische Kirche im 21. Jahrhundert sowie mit den sich bereits abzeichnenden Auswirkungen des Impulspapiers. Hatte er zuvor noch den Vorwurf an das Impulspapier, dort würden betriebswirtschaftliche Termini dominieren, zurückgewiesen, wählte Gundlach in diesem Abschnitt des Vortrags auffällig häufig Vokabular aus dem Bereich der Ökonomie. Als entscheidende Kraft bei der Reformierung der Kirche nannte Gundlach die mittlere Leitungsebene (Superintendenten, Dekane, Pröpste). Konkret verwies er auf ein Zukunftsforum im Mai 2014 im Ruhrgebiet, zu dem sämtliche 1800 Mitarbeiter der mittleren Leitungsebene geladen würden, um zur Herausforderung der Transformationsprozesse innerhalb der Kirche gemeinsam arbeiten zu können. Gundlach warb für Unterstützung bei der Reformierung der Evangelischen Kirche im Geist des Impulspapiers, indem er auf die im Zusammenhang mit der weiter fortschreitenden Dynamisierung der Gesamtgesellschaft stehenden Sachzwänge abhob. Zwar sei allenthalben eine Reformmüdigkeit zu verzeichnen, da Veränderungen zuletzt vorwiegend als einschneidend erlebt worden seien; gleichzeitig erzeuge die umfassende Pluralisierung Reformbedarf, welcher wiederum ›Verfahrensrationalität‹ durch die Berücksichtigung größerer Zusammenhänge notwendig mache.
Wie bereits angedeutet, erregte der Vortrag von Gundlach umfassenden Diskussionsbedarf im Plenum. Der Referent hatte bereits eingangs bemerkt, einen engagierten Austausch zu erwarten. Die intensivsten Auseinandersetzungen sind nachfolgend zusammengefasst:
Widerspruch zwischen Wunschzustand von Beheimatung einerseits und Drang zu Pluralität andererseits: Es könne nicht erreicht werden, dass sich die Gläubigen in der Kirche bzw. Ortsgemeinde verbeheimaten und gleichzeitig eine maximale Offenheit nach außen geschaffen werde. Dies stelle einen Zielkonflikt dar. Gundlach gab seiner Einschätzung Ausdruck, wonach dieser scheinbare Widerspruch aufgelöst werden könne. Das Impulspapier gehe beim Begriff der Beheimatung von der Sehnsucht nach Innerlichkeit aus, also nach spiritueller Kultur. Insofern sei eine Beheimatung bei Gott gemeint, welche sich eben nicht an einen konkreten festen Ort binde. Dieser Ansatz könne Spannung dort erzeugen, wo Sehnsucht nach örtlicher Beheimatung bestehe.
Einordnung der EKD in die Gesamtkirche und ihre Stellung darin: Die Leitung der EKD schätze ihre Rolle unrichtig ein, wenn sie sich über die Selbstbestimmtheit der Ortsgemeinde stelle. Insofern sei das Kirchenbild der Leitungsebene verzerrt: die Rolle der EKD werde deutlich überschätzt. In der Folge komme es zu struktureller Gewalt innerhalb der Kirche, wenn Veränderungen durch die Hierarchie (mittlere Leitungsebene) gegen den Willen der Betroffenen (Ortsgemeinden und einzelne Mitarbeiter) durchgesetzt würden. Gundlach nahm hierzu Stellung, indem er die Umkehrung der zeitlichen Abfolge bei Reformprozessen kritisierte: Zuerst seien die Gemeinden in Schwierigkeiten gekommen (Ausdünnung, Reduzierung der Ressourcen), erst dann habe sich daraus abgeleitet die Notwendigkeit zu Veränderungen ergeben. Hinsichtlich der Kritik am Verhalten der mittleren Leitungsebene sei zu bedenken, dass diese Positionen von den Gemeinden selbst gewählt würden (synodal). Eine Führungsebene bringe notwendigerweise die Übertragung von Befugnissen mit sich, dies sei ihr immanent; über das synodale Prinzip der EKD sei gewährleistet, dass die Kirchenleitungen der verschiedenen Ebenen letztlich von den Ortsgemeinden bestimmt würden.
Gemeindebild der Kirchenleitung geprägt von »Zurückgebliebenen« und unmündigen Gläubigen: Den Ausführungen des Impulspapiers und insbesondere den daraus bis dato aufgezwungenen Veränderungen für Gemeinden folgend sei in der EKD-Leitung offenbar ein Grundmisstrauen gegenüber den Ortsgemeinden gegeben. Bei Gläubigen entstehe der Eindruck, von der jeweiligen Leitungsebene nicht ernst genommen, vielmehr als zurückgeblieben und unmündig eingestuft zu werden. Ein solches Bild von den Gemeinden und ihren Mitgliedern widerspreche fundamental dem Evangelium und verhindere die Überwindung von gegenseitigen Vorbehalten. Gundlach entgegnete hierzu, die von Gemeinden nachgefragte Verantwortlichkeit der Kirchenleitung gegenüber den Gläubigen müsse sich auch auf Menschen außerhalb der Kirche erstrecken. Die Intentionen des Impulspapiers gingen gerade dahin, die Evangelische Kirche zu einer an den Erfordernissen gesamtgesellschaftlicher Prozesse orientierte einladende und Pluralität abbildende Kirche zu gestalten und damit möglichst viele Menschen zu erreichen. Im Hinblick auf den Vorwurf der ungenügenden Wertschätzung der Ortsgemeinden wie der Gläubigen durch die Kirchenleitung sei zu konstatieren, dass eine Vielzahl von Gemeinden ihre jeweiligen Herausforderungen ohne Inanspruchnahme der Unterstützung durch die Kirchenleitung nicht bewältigen könne, sich die Leitungsebene also explizit für die Kirche vor Ort einsetze.
Dem im Impulspapier angemahnten Theologiedefizit wird dort selbst nicht abgeholfen: Der elementare theologische Begriff des Vertrauens finde in dem Impulspapier keinen Niederschlag. Stattdessen werde operationales Handeln beschrieben, welchem keinerlei theologische Begründung an die Seite gestellt werde. Veränderungen und Reformen innerhalb der Kirche müssten jedoch zuallererst theologischen Fragestellungen folgen. Gundlach erläuterte, für das Impulspapier seien die Ursachen für die gegenwärtigen Herausforderungen der Evangelischen Kirche theologisch erörtert worden. Deutlich erkennbar befinde sich die Gesellschaft in einer Frömmigkeitskrise, da grundlegende Selbstverständlichkeiten innerer religiöser Prägung zunehmend nicht mehr gegeben seien. In diesem Umfeld ergebe sich für die Kirche die Gefahr der theologischen Sprachlosigkeit, wenn kein adäquater Zugang mehr zu den Menschen gefunden werden könne. Das Impulspapier wolle im Zuge von Reformen die Rahmenbedingungen für die Ausbildung von theologischer Qualität verbessern.
Kirchenverständnis der EKD-Leitung grundsätzlich ungleich zum Kirchenverständnis der Mehrheit im dbv: Das Verständnis von hierarchischem Konzentrat in der Ortsgemeinde widerspreche augenscheinlich den Intentionen des Impulspapiers. Dort werde nicht die Gemeinde als Keimzelle der Kirche – aus welcher sich jede weitere Kirchenstruktur abzuleiten habe – gesehen, sondern die EKD (bzw. die Kirchenleitung) selbst. Die Entwicklungen aus dem Impulspapier heraus hätten gezeigt, dass es nicht allein beim Anschieben von Diskussionen geblieben sei, vielmehr konkrete Gesetzesänderungen mit unabwendbaren Auswirkungen für Ortsgemeinden verabschiedet worden seien. An diesem Punkt zeigte sich die vermutlich einschneidendste Differenz innerhalb der Diskussion. Zur Frage, in welche Richtung Entscheidungen innerhalb der Kirchenstruktur getroffen werden sollten (»von oben« oder »von unten«), konnte in intensiver Diskussion keine Übereinstimmung erzielt werden. Gundlach benannte deutlich, dass hinsichtlich des jeweiligen Kirchen- und Gemeindeverständnisses offensichtlich Unterschiede bestünden. Seiner Auffassung zufolge müsse die Leitung der EKD notwendigerweise die Gesamtheit der Kirche und damit die Gesamtheit der Gemeinden im Blick haben. Eine solche umfassende Sicht entspreche dem protestantischen Kirchenverständnis wesentlich mehr als der isolierte Blick auf eine einzelne Ortsgemeinde. Ferner gelte: Wenn eine Kirchenleitung gewählt werde, müsse sie dann auch Leitungsaufgaben übernehmen.
Von Seiten des Plenums wurde der Einschätzung zugestimmt, dass die Klärung des Kirchen- und Gemeindeverständnisses für eine weitere konstruktive Auseinandersetzung essentiell sei (insbesondere in theologischer Dimension!). Diesen Bedarf aufnehmend wird der dbv im Rahmen seiner Frühjahrstagung 2013 in Erfurt intensiv das Kirchen- und Gemeindeverständnis bei Dietrich Bonhoeffer erarbeiten. Aus dem Auditorium heraus wurde bereits angemerkt, es dürfe keine einseitige Parteinahme Bonhoeffers für die Ortsgemeinde erfolgen. Der berühmte Ausdruck des »Christus als Gemeinde existierend« entsage geradezu der Bindung an Strukturen jedweder Art, eine Wertung für (bspw. Ortsgemeinde) bzw. gegen (bspw. EKD) eine konkrete Form von Kirche dürfe somit nicht vorschnell im Namen Bonhoeffers vollzogen werden.
Dem großen Engagement der Diskussion zum Trotz war zum Ende dieses Tagungseinstiegs eine allgemeine Unzufriedenheit wahrzunehmen. Im Verlauf der Aussprache wurde je länger je mehr deutlich, dass es letztlich zu keinem echten Dialog zwischen dem Referenten und dem Plenum kam, vielmehr die bereits bekannten gegensätzlichen Sichtweisen tradiert wurden. Diese Problematik wurde noch verstärkt durch eine im Diskussionsverlauf zunehmende Verschärfung der Tonlage, welche von Gundlach explizit benannt wurde. Letzten Endes entstand der Eindruck von Unversöhnlichkeit, welche an diesem Abend nicht mehr ausgeräumt werden konnte.
Äußerungen von Tagungsteilnehmern im Anschluss an die Diskussion gingen dahin, die hitzige Debatte sei stellenweise unwürdig verlaufen und habe dem Stil des dbv widersprochen. Während ein Teil des Auditoriums nicht zu Wort gekommen sei, hätten sich bei einzelnen Beiträgen Ressentiments und grundsätzliche Voreingenommenheit gegenüber kirchlicher Hierarchie gezeigt. An dieser Stelle muss selbstkritisch festgehalten werden, dass ein solcher Diskussionsverlauf dem Anliegen des dbv nach Wahrnehmung christlicher Verantwortung in Kirche und Gesellschaft zuwider läuft.
Diese ungenutzte Chance zum Dialog ist umso bedauerlicher, als dass das Impulspapier sowie seine Auswirkungen vor Ort genügend berechtigte kritische Anfragen nötig machen. In diesem Zusammenhang sind besonders zu nennen die Erfahrungen einzelner kirchlicher Mitarbeiter sowie Ortsgemeinden mit Formen von struktureller Gewalt, welche im Zuge der eingeleiteten Reformprozesse geschehen sind. Des Weiteren wird nach der Deutungshoheit für das protestantische Kirchen- und Gemeindeverständnis zu fragen sein und somit auch danach, wie alternative Überzeugungen zu derjenigen der Kirchenleitung Berücksichtigung finden. Letztlich kann auch die »Vision« des Impulspapiers, wonach die Evangelische Kirche der Zukunft »kleiner, ärmer, älter« sein wird, nicht unwidersprochen bleiben, da diese Vorstellung einseitig von einem Mangelblick ausgeht und eben dadurch notwendigen Veränderungen von vornherein eine Verlustdimension beigibt.

Halle (Saale)
Daniel Baldig