24.04.2015

Tagungsbericht: Dritte Fachtagung der Forschungsstelle Religiöse Kommunikations- und Lernprozesse am Lehrstuhl für Evangelische Religionspädagogik der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg »Religiöse Jugendfeiern zwischen Jugendweihe und Konfirmation« am 8. April 2015 in Halle (Saale)

Die dritte Fachtagung der im Jahr 2011 gegründeten Forschungsstelle Religiöse Kommunikations- und Lernprozesse am Lehrstuhl für Evangelische Religionspädagogik der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg befasste sich mit Religiösen Jugendfeiern, die in Ostdeutschland im Spektrum zwischen Jugendweihe und Konfirmation agieren. Nachdem 1998 in Erfurt die erste Feier der Lebenswende angeboten wurde, ist mittlerweile eine Vielzahl von Jugendfeiern speziell als Angebot für konfessionslose Jugendliche in allen Bundesländern Ostdeutschlands entstanden, sowohl innerhalb der katholischen als auch der evangelischen Kirche.
Michael Domsgen (Professor für Evangelische Religionspädagogik und Leiter der Forschungsstelle Religiöse Kommunikations- und Lernprozesse, Halle/S.) unterstrich dabei in seiner Einführung, dass es sich bei Religiösen Jugendfeiern im Grunde genommen um ein Querschnittsthema handele, das weitere praktisch theologisch relevante Felder berühre. Religiöse Jugendfeiern seien in einem Feld konkurrierender Angebote zu verorten. Sie stehen in Konkurrenz zu öffentlichen Feiern wie der Jugendweihe, der Konfirmation und der Firmung, aber auch zu privaten Unternehmungen und Feiern im Feld der Familie, die allerdings noch nicht erforscht sind. Zugleich werde deutlich, dass die bisher erprobten Formen religiösen Lernens viel voraussetzungsreicher seien als vielfach angenommen. Das habe auch die V. Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung wieder deutlich vor Augen gestellt. An diese Problematik schloss auch Emilia Handke (Promovendin an der Forschungsstelle Religiöse Kommunikations- und Lernprozesse, Halle/S.) an, indem sie anhand von empirischem Material aus ihrem Promotionsprojekt zeigte, dass die Konfirmation für konfessionslose Jugendliche aufgrund deren »konfessionsloser Sozialisationslogik« als rituelles Angebot in der jetzigen Profilierung biographisch kaum in Frage komme. Die mit den konfessionslosen Teilnehmern Religiöser Jugendfeiern geführten Interviews deuteten darauf hin, dass solche Feiern eine ernstzunehmende Möglichkeit darstellen können, Konfessionslose auf biographisch bedeutsame Weise anzusprechen. Die zunehmende Beziehungslosigkeit zwischen konfessionslosen Familien und Kirche, die ebenfalls ein Ergebnis der V. Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung darstellt, würde auf diese Weise durch persönliche Beziehungen verringert.
Im von Michael Domsgen und Emilia Handke verantworteten Podiumsgespräch verwies Birgit Sendler-Koschel (Oberkirchenrätin und Dezernentin für Bildungsfragen bei der EKD, Hannover) zunächst auf den Text der EKD »Jugendliche begleiten und gewinnen. 12 Thesen des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland zur Jugendweihe/Jugendfeier und ihrem Verhältnis zur Konfirmation« von 1999, in dem Religiöse Jugendfeiern als ein »interessantes Experiment« bezeichnet wurden, das man weiter »verfolgen und beobachten müsse«. Aus der Perspektive der EKD brauche es eine Offenheit dafür, »religiöse Kommunikation in unterschiedlichen Kontexten angstfrei mit verschiedenen Formaten zu gestalten«. Religiöse Jugendfeiern könnten eine solche Kommunikation des Evangeliums im Modus des Feierns und Lernens darstellen. Gleichwohl unterstrich sie die Wichtigkeit der Öffnung der Konfirmandenarbeit für ungetaufte Jugendliche sowie die Herausforderung, die Religiöse Jugendfeiern in der Breite für die Konfirmation eben auch bedeuten könnten. Für evangelische Schulen seien sie als freiwillige Feiern als eine Bereicherung ihres Profils verstehbar.
In drei Workshops wurde die Frage nach der Gestaltung und Ausrichtung von Religiösen Jugendfeiern tiefergehend erörtert. Im Workshop »Religiöse Jugendfeiern als Angebot Evangelischer Schulen« gaben Pia Kampelmann (Leiterin der Evangelischen Sekundarschule Haldensleben) und Robert Neumann (Gemeindepädagoge, Haldensleben) einen Einblick in die dort seit dem Jahr 2011 angebotene Segensfeier, die sich in vielfacher Hinsicht in die Schulkultur eingebettet findet. An ihr nimmt mittlerweile die deutliche Mehrheit der Klasse teil, einige wenige nehmen neben der Segensfeier auch an der Konfirmation teil. Auch die Intensität ihrer Vorbereitungszeit (Praktikum, Projekt, Vorbereitungsstunden, Fahrt) wurde genauer vorgestellt. Die »Liturgie« der Segensfeier planen und gestalten die Schülerinnen und Schüler weitestgehend selbst.
Reinhard Feuersträter (Diakon und Seelsorger an einem katholischen Krankenhaus, Halle/S.) thematisierte »Religiöse Jugendfeiern als schulübergreifendes Angebot der Katholischen Kirche«. Die Feiern zur Lebenswende werden in Halle seit 2001 angeboten und erreichen in diesem Jahr ungefähr 500 Jugendliche aus Halle und Umgebung. Ursprünglich als Angebot eines katholischen Gymnasiums konzipiert, sind die Feiern inzwischen schulübergreifend sinnvoll geworden. Im Zentrum steht der Übergang vom Kind zum Jugendlichen, symbolisch gestaltet durch das Ablegen eines Gegenstandes aus der Kindheit und der Segnung der Jugendlichen. Nach inhaltlicher Vorbereitung ist für die gelingende Gestaltung der Feier ihre diakonische Ausrichtung entscheidend, verbunden mit einer strikten Elementarisierung. Christliche Inhalte werden nicht verschwiegen, kommen aber ausschließlich in ihrer lebensgeschichtlichen Relevanz zur Sprache. Die Agierenden fungieren als authentische Vertreter, indem sie ein segenstheologisch klar konturiertes Angebot unterbreiten, in dem die Jugendlichen selbst als Akteure im Mittelpunkt stehen.
Der Workshop von Hagen Kühne (Pfarrer, Berlin-Blankenburg) stand unter dem Thema »(Religiöse) Jugendfeiern als schulübergreifende Jugendarbeit mit dem Aufbaumodul Konfirmation – Visionen und Konflikte vor Ort«. Kühne stellte das »proJekt E« vor, das 2008 erstmals durchgeführt und gezielt als Alternative zur Jugendweihe in Eberswalde etabliert wurde. Innerhalb kurzer Zeit erreichte das Projekt schulformübergreifend rund ein Drittel der Schülerinnen und Schüler, darunter auch Konfirmandinnen und Konfirmanden. In mehreren Wochenendblöcken wurden in verschiedenen Workshops, z. B. Musik, Tanz, Journalismus, zentrale biographisch-lebensweltliche Themen diskutiert, die sich auch in der Konfirmandenarbeit bewährt haben, z. B. »Wer bin ich?« oder »Wozu braucht man Regeln?«. Bei der Abschlussveranstaltung, einer auf hohem technischem Niveau inszenierten Bühnenshow, erhielten die Jugendlichen ein »Zertifikat«. Nach Weggang der initiierenden Personen ist das Projekt trotz seines großen Zuspruchs nicht mehr weitergeführt worden.
Michael Meyer-Blanck (Professor für Religionspädagogik, Bonn) bezeichnete Religiöse Jugendfeiern in seinem Vortrag unter dem Titel »›Konfirmation light?‹ Über das schwierige Verhältnis Religiöser Jugendfeiern zur Konfirmation« als ein ganz »eigenständigen Genus« neben Jugendweihe und Konfirmation. Sie seien keine Konfirmation und keine Konfirmation light – sie seien überhaupt keine Konfirmation, sondern vielmehr als »ein kirchliches Angebot auf dem freien Markt, ohne ekklesiologische Hintergedanken« zu verstehen.
Schultheoretisch und in allgemein-pädagogischer Perspektive referierte Werner Helsper (Professor für Schulforschung und Allgemeine Didaktik, Halle/S.) über »Schulfeiern: Zu ihrer – auch religiösen – Bedeutung für die Schulkultur«, die er dabei als »Rituale imaginärer Sinnstiftung in der Schulkultur« bezeichnete. Dabei hob er deren gemeinschaftsstiftende Bedeutung für die Schulen hervor, machte aber auch darauf aufmerksam, wie »anspruchsvoll und störanfällig« solche Feiern seien, weil sie immer in der Gefahr stünden, eine »Zwangsvergemeinschaftung« darzustellen.
In der abschließenden Podiumsdiskussion kamen Eltern von Jugendlichen zu Wort, die aus ihrer Sicht den Entscheidungsprozess ihrer Kinder, an einer Religiösen Jugendfeier teilzunehmen, nachzeichneten. Deutlich wurde dabei, dass auch die Elternperspektive immer mit zu berücksichtigen ist, denn Schülerinnen und Schüler sind bis zu ihrer Pubertät »Familienmenschen«. Die Dimension der Familie ist darum bei Religiösen Jugendfeiern immer präsent zu halten.

Halle (Saale) Ekkehard Steinhäuser