Book of the month: October 2013

Kamlah, Jens [Ed.]

Temple Building and Temple Cult: Architecture and Cultic Paraphernalia of Temples in the Levant (2.–1. Mill. B. C. E.). Proceedings of a Conference on the Occasion of the 50th Anniversary of the Institute of Biblical Archaeology at the University of Tübingen (28th–30th of May 2010) Ed. with the assistance of H. Michelau.

Wiesbaden: O. Harrassowitz 2012. 614 S. = Abhandlungen des Deutschen Palästina-Vereins, 41. Geb. EUR 68,00. ISBN 978-3-447-06784-3.

»Steine können nicht sprechen« – so lautet ein geflügeltes Wort, das man bisweilen hört, wenn archäologische Funde sich nur schwerlich in ihrer Bedeutung im Kontext eines bestimmten religiösen oder kulturellen Symbolsystems eindeutig erschließen lassen. Archäologische Arbeiten, die sich auf den ersten Blick nicht durch spektakuläre Einzelfunde hervortun, werden so häufig nur von Fachspezialisten wahrgenommen, treten aber nur vereinzelt in den Blick von Theologen oder Religionswissenschaftlern, da sie häufig als nur schwer erschließbar gelten.
Wer den hier vorliegenden Band mit seinen gut 20 Artikeln, die auf Tagungsbeiträge einer Konferenz anlässlich des 50. Gründungsjubiläums des Biblisch-Archäologischen Instituts der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Universität Tübingen im Mai 2010 zurückgehen, wird schnell eines besseren belehrt. Die geographischen Schwerpunkte, auf die sich die einzelnen Arbeiten beziehen, sind die nördliche Levante (Teil I; mit Beiträgen zu Tell Tacyīnāt [Timothy P. Harrison], Tell cĀfīṣ [Stefania Mazzoni], cAin Dāra [Mirko Novák], Aleppo [Kay Kohlmeyer] und Emar [Ferhan Sakal]), die Südlevante (Teil II; mit Beiträgen zu Hazor [Sharon Zuckerman], Beth-Shean [Robert A. Mullins], Ṭabaqāt Faḥil [Stephen Bourke], Ḫirbet cAṭārūs [Chang-Ho Ji] und Ekron [Seymor Gitin]) sowie zu Jerusalem und dem Garizim [Teil III; zu Jerusalem: Erhard Blum, Othmar Keel, Diana Edelman; zum Garizim: Jürgen K. Zangenberg]. Eine gewisse Sonderrolle nehmen in diesem Abschnitt die Beiträge von Bernd Janowski und Susan Ackerman ein. Bernd Janowskis Artikel »Der Ort des Lebens. Zur Kultsymbolik des Jerusalemer Tempels« (369-397) vermag anhand biblischer und altorientalischer Textzeugnisse eindrücklich die symbolische Dimension des Phänomens Tempel zu erschließen, während Susan Ackerman die Tempelthematik unter dem Vorzeichen der Gender-Frage aufnimmt und verdeutlichen kann, dass sich der Kult am Jerusalemer Tempel vom Kult anderer Staatstempel insofern unterschied, da es israelitischen Frauen verwehrt war, das Priesteramt auszuüben (259-289).
Weitere Arbeiten des Bandes widmen sich der kultischen Ausstattung von Tempeln (Teil IV), wobei Tell Qašīš in der Jesreel-Ebene [Edwin C. M. van den Brink, Orit Segal und Uzi Ad], verschiedene Tempelanlagen in Zentraljordanien [P. M. Michèle Daviau] , philistäische [Dieter Vieweger] und phönizische [Bärbel Morstadt] Heiligtümer im Zentrum des Interesses stehen. Der Band schließt mit einem Beitrag des Herausgebers Jens Kamlah, in dem er die verschiedenen Tempelanlagen in der Levante einer vergleichenden Analyse unterzieht und einen Überblick zu so zentralen Aspekten wie zur zeitlichen Nutzung verschiedener Tempel, zu Bautypen, zur Frage eines anikonischen Kultes sowie zur figürlichen Gestaltung von Tempeleinrichtungen gibt. Deutlich wird für die Bronzezeit insgesamt eine Entwicklung vom Breitraumtempel zum Langhaustempel; für die Eisenzeit ist die längliche Ausrichtung der Gebäude typisch. Die Idee eines Wohnens der Gottheit wird – bei aller Verschiedenheit der Tempelanlagen – durch einen sakralen Zentralbereich umgesetzt, in dem in der Regel ein Kultbild die Anwesenheit der Gottheit repräsentierte (507–534). Die einzelnen Beiträge, die einen hervorragenden Überblick über die aktuelle archäologische Forschungen zum Bereich »Tempel« und »Tempelkult« geben, veranschaulichen ihren Gegenstand durch ausführliche Referenzen auf die Forschungsgeschichte und zahlreiche Zeichnungen und Fotos. Detaillierte Indizes erschließen zudem das reiche Material, das in diesem Band versammelt wird und liefern so eine solide Basis für weitere Studien und Arbeiten. Insbesondere ist hier auf das deutsch-englische Sachregister zu verweisen, das durch seine Ausdifferenzierung gleichsam »Querschnitte« zu zentralen Bereichen liefert. Wenn Steine auch nicht sprechen können, so zeigt dieser Band dennoch aufs Eindrücklichste die reiche materiale Welt, die in der Levante mit dem Tempelkult verbunden war und lässt – in Verbindung mit verschiedenen Textzeugnissen – zumindest auch dessen symbolische und lebensweltliche Dimension erahnen. So werden sowohl Archäologen als auch Exegeten, Religionswissenschaftler und alle anderen, die an dem Phänomen des Religiösen interessiert sind, den Band mit großem Gewinn zur Hand nehmen.

Beate Ego (Bochum)

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