Book of the month: June 2013

Volkert Haas und Heidemarie Koch

Religionen des Alten Orients Bd. 1: Hethiter und Iran.

Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2011. 291 S. 23 m. Abb. Geb = Grundrisse zum Alten Testament. Das Alte Testament Deutsch, Ergänzungsreihe, 1,1. EUR 64,99. ISBN 978-3-525-51695-9; ISBN 978-3-647-51695-0 (E-Book).

Als erster Teil einer neuen Darstellung der Religionen des Alten Orients in der ATD-Ergänzungsreihe erschien 2011 der Band zu Hethitern und Iran von Prof. Dr. Heidemarie Koch, Marburg, und Prof. Dr. Volkert Haas, Berlin. Beide sind auf ihren Fachgebieten lange hervorragend ausgewiesen und legen hier eine auf die Belange einer breiteren Leserschaft abgestimmte Zusammenfassung ihrer Forschungen vor. Der Band ist zweigeteilt, so dass für die Darstellung der elamischen und iranischen Religion sowie der kleinasiatischen Religionen (der Hethiter) jeweils ca. 140 Seiten zur Verfügung stehen. Dieser Umfang erweist sich als glücklich, weil er zum einen hinreichend knapp ist, um eine Gesamtanschauung des Stoffes zu ermöglichen, zum anderen aber auch genügend Raum für exemplarische Quellenpräsentation und detailliertere Beschreibung bietet. Beide monographischen Behandlungen sind auf dem neuesten Stand der Wissenschaft und bieten weiterführende bibliographische Angaben.
Heidemarie Koch präsentiert zu Elamern (19–79) und Iran (80–144) Quellen, die Alttestamentlern und Altertumswissenschaftlern nicht leicht zugänglich sind. Das hängt im Fall der Elamer vor allem mit der Sonderstellung der Sprache zusammen, bei Iran mit der immer noch sehr umstrittenen Frage nach dem Verhältnis Zarathustras zur Religion der Achämeniden. Zu beidem bietet Heidemarie Koch eine ebenso klare wie vorzüglich informierende Darstellung. Dabei folgt sie einerseits ihrem Lehrer Walther Hinz, dem wir sowohl zu Elam (1964) wie zu Zarathustra (1961) immer noch lesenswerte Monographien verdanken. Zum anderen kann sie für die erste Phase der Achämenidenreligion – als eine der wenigen Spezialistinnen für die elamische Sprache – an eigene bahnbrechende Forschungen zu den elamischen Verwaltungstafeln aus Persepolis anknüpfen (108–137), wonach unter Darius d. Gr. außer Ahuramazda weitere Gottheiten beopfert und verehrt wurden. Im Blick auf die Religion Zarathustras vertritt sie mit W. Hinz eine Datierung Ende 7.–6. Jh. v. Chr., so dass Kyros d. Gr. mit seinem Gedankengut bereits bekannt gewesen sein könnte (143). Hierfür nimmt Koch an, das die berühmten fünf Gathas des Awesta, die »auf den Propheten Zarathustra selbst zurückgeführt werden« (87), tatsächlich für dessen Lehre von einem umfassenden transzendenten Schöpfergott ausgewertet werden können (88–98). Ihre Darstellung der Religion der Achämenidenzeit lebt vom vergleichenden Blick auf die Dokumente des Perserreichs und des frühen Zoroastrismus – ein ebenso wertvoller wie anregender Versuch einer Synthese.
Volkert Haas, der bereits mehrere zusammenfassende Darstellungen zur Geschichte der Religionen des antiken Kleinasien publiziert hat (am umfangreichsten im Handbuch der Orientalistik, Leiden 1994) orientiert sich für seinen vorzüglichen Überblick vor allem an den komplexen Quellen der Hethiter zu Ritualen und Festen, in denen nicht selten uralte Traditionen enthalten sein können. Er plädiert angesichts des Nebeneinanders von indigenen hattischen, luwischen, palaischen, nesischen und hethitischen »Schichten« in den Schriftquellen der zweiten Hälfte des 2. Jahrtausends (hethitische Großreichszeit) nicht für eine klare zeitliche Abfolge, sondern für die differenzierte Wahrnehmung eines »bunten Gemisch[es] lokal bedingter Vorstellungen« bis hinauf auf die Ebene der offiziellen Religion des Staates (149). Sehr aufschlussreich sind seine Darlegungen der langzeitigen Kontinuitäten in der Vorstellungswelt seit dem vorkeramischen Neolithikum (10.-8. Jt. v. Chr., etwa Göbekli-Tepe, Nevali Çori und Çatal Hüyük), die für viele altorientalische Kulturen gelten dürften: »Religionstypologisch ist von einem Weltbild auszugehen, in dessen Mittelpunkt das Wachstum des Getreides, die Wiederkehr der Wildtierherden, das Gedeihen des Viehs und natürlich das Wohlergehen der Sippe stand« (157). Methodisch versucht er einleuchtend mittels einer »retrospektiven Betrachtungsweise« (d. h. von den späteren Schriftquellen ausgehend) Elemente der vorschriftlichen Religion zu erhellen (160). Insbesondere die Abschnitte zu den »Weltvorstellungen« (Wesen der Götter, Sakralität, Reinheit und Unreinheit etc. [164–178]) und zu den »Kosmogonien« (179–199, mit einer ausführlichen Präsentation und Analyse der Mythen von Kumarbi und Ullikummi), sollte jeder religionsgeschichtlich interessierte Exeget zur Kenntnis nehmen; dasselbe gilt für die – auch Aspekte des Alten Testaments einschließenden (285–287) – Schlusskapitel zum »Nachleben der hethitischen Religion« (281–287) sowie zum Kulturkontakt mit Griechenland (287–291), mit dem der nachdrücklich zu empfehlende Band abschließt.

Friedhelm Hartenstein (München)

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