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Ausgabe:

Juni/1997

Spalte:

580–582

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Titel/Untertitel:

Politische Korrespondenz des Herzogs und Kurfürsten Moritz von Sachsen. 4. Bd.: 26. Mai 1548 – 8. Januar 1551. Hrsg. von der Historischen Kommission der Sächs. Akademie der Wissenschaften zu Leipzig. Bearb. von J. Herrmann und. G. Wartenberg.

Verlag:

Berlin: Akademie-Verlag 1992. 1036 S. gr. 8° = Abhandlungen der Sächs. Akademie der Wissenschaften zu Leipzig, Philologisch-hist. Klasse, 72. Geb. DM 248,­ . ISBN 3-05-000748-6.

Rezensent:

Heinz Scheible

Im Jahre 1900 erschien in den Schriften der Königlich Sächsischen Kommission für Geschichte der erste Band der Edition, deren vierter hier anzuzeigen ist. Er wurde von dem 31jährigen Leipziger Geschichtsprofessor Erich Brandenburg herausgegeben, der kurz zuvor mit dem ersten Teil einer nicht fortgesetzten Biographie des Herzogs hervorgetreten war. 1904 folgte der zweite Band der Korrespondenz. Beide Teile bieten auf mehr als 1800 Seiten 1110 Dokumente, die mit dem Jahr 1546 gerade den Beginn des Schmalkaldischen Krieges erreichen. Dann erschien nichts mehr, obwohl Brandenburg noch 41 Jahre lebte. Oswald Artur Hecker (1879-1953), der kenntnisreiche Hg. der "Schriften Dr. Melchiors von Osse" (1922), sollte neben seinem Beruf als Studienrat das Werk fortsetzen. Doch alle Vorarbeiten verbrannten 1945 in Dresden.

Erst 1956 konnte die Sächsische Akademie der Wissenschaften das Projekt wieder aufnehmen. Hauptbearbeiter wurden Johannes Herrmann (*1931) und seit 1970 Günther Wartenberg (*1943). Diese beiden publizierten 1978 den 3. Bd., der auf über 900 Seiten 1107 numerierte Dokumente bietet und dazu noch zahlreiche andere, die in den Anmerkungen verwendet werden. Sie decken die Zeit vom Januar 1547 bis Mai 1548 ab.

Gegenüber den einstigen Anfängen Brandenburgs wurden bedeutsame Änderungen beschlossen. Während dieser bei der Aufnahme der Dokumente im wesentlichen nur die Außenpolitik im Blick hatte, wurden nun auch die inneren Angelegenheiten und damit die Religionssachen berücksichtigt. Hatte schon Brandenburg bei lockerer Druckgestaltung seine Texte kürzen und regestieren müssen, so mußten ab Bd. 3 bei erheblich vollerem Satzspiegel nahezu alle Stücke in Regestenform geboten werden.

Brandenburg hatte die einzelnen Jahrgänge seiner Edition mit Überblicken über den Inhalt der Dokumente und die Gründe seiner Auswahl eingeleitet. Hieraus sind bei Herrmann und Wartenberg inhaltlich gegliederte Einleitungen zum ganzen Band geworden, die um so verdienstlicher sind, als sie in knappester Form die Darstellung ersetzen müssen, auf die sich Brandenburg in den ersten Jahren noch beziehen konnte.

Der anzuzeigende Bd. 4 hat die Ereignisse vom 26. Mai 1548 bis zum Januar 1551 zum Inhalt ­ das ist die bewegte Zeit von der Vorlage des Interims auf dem Augsburger Reichstag bis zur Vorbereitung der Belagerung der geächteten Stadt Magdeburg. 820 Dokumente aus dieser Zeit werden in der Zählung regestiert. Schätzungsweise ebensoviele sind zur Erläuterung auszugsweise verwertet. Schon Brandenburg hat in den Anmerkungen zu den Texten weitere Archivalien zitiert. Diese sind durch ein chronologisches Verzeichnis erschlossen. Seit Bd. 3 wurde von der Möglichkeit, erläuternde Schriftstücke auszugsweise anzuführen, extensiv Gebrauch gemacht. Laut Vorwort zum 3. Bd. (der anzuzeigende vierte schweigt sich hierüber aus) sind etwa ebensoviele Dokumente wie die numerierten zu deren Erläuterung exzerpiert und nun nicht mehr als Anmerkung, sondern als Anhang gebracht worden. Eine Liste dieser Stücke wie in Bd. 1 und 2 gibt es in 3 und 4 nicht. Da aber die Chronologie im großen und ganzen eingehalten wird, kann man sich nach einiger Gewöhnung zurechtfinden.

Die Referate bzw. Regesten sind zwar grundsätzlich in modernem Deutsch gehalten. Doch kleben sie oft so eng an der Terminologie der Quellen, daß ein Sprachgemisch entsteht, was hingenommen werden könnte, solange der Sachverhalt erkennbar bleibt. Zuweilen sind aber falsche Zuordnungen die Folge, die sich auch im Register auswirken.

"Princeps" ist nicht dasselbe wie das deutsche "Prinz", sondern kann jeden Fürsten bezeichnen. S. 720 Nr. 629 wird im Regest Herzog Philibert Emanuel von Savoyen als "Prinz" bezeichnet. Im gleichen Brief (der teilweise bei Langenn publiziert ist) ist aber auch von der Heirat des "Prinzen in Hispanien" die Rede, das ist der Kaisersohn Philipp, der sehr oft erwähnt wird. In Nr. 629 ist dieser Name aber nicht ergänzt worden, so daß die nicht unwichtige Heiratsangelegenheit auf den Savoyer bezogen wird, der aber nur im Ehrengeleit der Königin Maria erwähnt ist. Konsequenterweise fehlt diese Stelle über Philipp von Spanien auch im Register. Solche Fehler sind unvermeidlich, wenn die Aufgabe des Regestierens, die eine sehr genaue Kenntnis der Sachverhalte und des Sprachgebrauchs verlangt, wechselnden Mitarbeitern (acht sind in Bd. 3 ­ Bd. 4 hat kein Vorwort ­ namentlich genannt) überlassen wird. Es entstehen dadurch Fehler, die der verantwortliche Redaktor nicht erkennt und also nicht beseitigen kann.

Ein weiteres Beispiel: "Fürsprache des Kg." (S.881) läßt nicht erkennen, daß im (wiederum bei Langenn gedruckten) Text ausführlich von den Bemühungen um die Freilassung des Landgrafen aus der Gefangenschaft die Rede ist. Andererseits werden belanglose Pleonasmen wiedergegeben. Da die meisten der referierten Schriftstücke ungedruckt sind, hat der Benutzer nicht die Möglichkeit, im Zweifelsfall den Text zu überprüfen. Die wörtliche Wiedergabe der wichtigen Passagen, wie sie in den von Brandenburg bearbeiteten Bänden die Regel ist, wäre also hilfreich gewesen.

Die Textreferate von "PKMS 4" wurden angefertigt, bevor 1987 die Regesten von "Melanchthons Briefwechsel" (MBW) erschienen sind. Diese wurden zwar notiert, aber nicht kritisch verglichen. Der lateinische Brief Melanchthons an den Kanzler Fachs vom 9.12.1548 (MBW Nr. 5374; PKMS Nr. 194) hätte dadurch richtig wiedergegeben werden können.

Nicht Melanchthon zweifelt, ob der Zwickauer Pfarrer zu entlassen sei, sondern der Stadtrat zögert; Melanchthon spricht sich für die vom Pfarrer selbst gewünschte Entlassung aus. Dies ist gravierend, denn es handelt sich um den Hauptinhalt des ganzen Briefs, der auch an anderen Stellen mißverstanden wurde. Ästhetische Gesichtspunkte spielen in solchen Publikationen ja selten eine Rolle. Doch wäre das altertümelnde Sprachgemisch, das bei Archivaren auch sonst recht beliebt ist, nicht immer notwendig. "Ankunft des Bischofs" braucht nicht mehr Platz als "bischöfliche Ankunft" (874). Störend ist der meist unmotivierte Wechsel von direkter und indirekter Rede, weil der Leser sich überlegt, ob hier vielleicht eine Bedeutungsnuance ausgedrückt werden soll. Es liegt aber anscheinend das Bestreben vor, die schwer erträglichen Konjunktive zu reduzieren, was nicht immer gelungen ist. Klammern werden nur in der runden Form gebraucht, so daß nicht immer eindeutig erkennbar ist, ob es sich um Bestandteile des Textes oder um Ergänzungen der Bearbeiter handelt. Dabei wird auch Klammer in der Klammer hingenommen (z. B. Nr. 630).

Die zahlreichen Personen und Orte, die in den Dokumenten erwähnt sind, darunter viele, die nur Spezialisten bekannt sind, werden durch ein Register erschlossen, das wie schon beim 1.Bd. knappe Identifizierungen bietet. Diese wurden seit Bd. 3 gegenüber den Erläuterungen Brandenburgs erheblich verbessert. Dennoch: weiß jeder Benutzer, wer der nur als "Bürgermeister zu Chemnitz" charakterisierte Georg Agricola wirklich ist?

Diese dem Amt des Rez. obliegenden Kritikpunkte dürfen aber nicht verdecken, wie viel gute und nützliche Arbeit in diesen gewaltigen Bänden steckt. Im Gegensatz zu den stärker philologisch ausgerichteten Editionen literarischer Texte und Korrespondenzen von Gelehrten bieten die Aktenpublikationen von Hessen, Straßburg, Württemberg und nicht zuletzt die Reichstagsakten eine Fülle von Informationen auf engstem Raum, was nur um den Preis mehr oder weniger rigoroser Bearbeitung erreichbar ist. Die "PKMS" ist ein wertvolles Glied dieser Reihe, denn sie stellt die Quellen für eine ereignisreiche Zeit bereit, deren Auswirkungen noch in den Grenzen der heutigen Bundesländer sichtbar werden.