Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

Juni/1997

Spalte:

571–573

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Zager, Werner

Titel/Untertitel:

Gottesherrschaft und Endgericht in der Verkündigung Jesu. Eine Untersuchung zur markinischen Jesusüberlieferung einschließlich der Q-Parallelen.

Verlag:

Berlin-New York: de Gruyter 1996. XIII, 420 S. gr.8° = Beihefte zur Zeitschrift für die neutestamentliche Wissenschaft und die Kunde der älteren Kirche, 82. Lw. DM 188,­. ISBN 3-11-015263-0.

Rezensent:

Markus Oehler

Mit dieser von der Universität Bochum im Jahr 1995 angenommenen Habilitationsschrift legt der Vf. eine Untersuchung zur Gerichtserwartung Jesu vor, die bereits die dritte in einem Zeitraum von sechs Jahren ist (vgl. M. Reiser, Die Gerichtspredigt Jesu, NTA.NF 23, Münster 1990 und C. Riniker, Die Gerichtsverkündigung Jesu, Diss. Bern 1992). Als dritter hat er den Vorteil, auf bereits Erarbeitetes (vor allem zum alttestamentlich-jüdischen Umfeld, zur Logienquelle und zu den Sonderguttexten) verweisen zu können. Um darüber hinaus einen neuen Beitrag zu liefern, hat sich Z. vor allem Mk zugewandt (45 Anm.2). Die Gliederung einer Arbeit zu diesem Thema ergibt sich zwangsläufig: Einer Hinführung zur Bedeutung der Fragestellung im Rahmen der Theologie (1-7) folgt ein Überblick über "Forschungsgeschichte und Forschungsstand" (11-44) sowie methodologische Überlegungen (45-49). Hier vermißt man übrigens einen Hinweis auf die ­ aufgenommene (etwa 154 und 310) ­ Deuteromarkushypothese sowie auf die vorausgesetzte mk. Kenntnis von Q (251 ff., 284). Daran schließen sich die Textuntersuchungen an: Die Endgerichtserwartung im antiken Judentum unter Einschluß Johannes des Täufers (53-136) und die Aussagen Jesu im MkEv zum Endgericht (137-303). Eine Zusammenfassung der Ergebnisse und ein Ausblick (307-319) schließen das Werk ab. Ein Anhang (320-420) bringt das Literaturverzeichnis, Stellen-, Autoren-, Sach- und Personenregister.

Bereits der Forschungsüberblick, der bei H. S. Reimarus beginnt, deutet immer wieder an, daß gerade das Verhältnis von Gottesherrschaft und Endgericht in der Verkündigung Jesu besonderes Augenmerk verdient. Es ist dabei "von entscheidender Bedeutung, ob sich die Vorstellung eines Endgerichts als notwendiger Bestandteil von Jesu Basileia-Botschaft erweisen läßt" (26 f.). In der dafür wichtigen Echtheitsfrage liegt die Beweislast bei denen, die jesuanische Herkunft behaupten. Als Kriterien gibt Z. dazu Dissimilarität und Kohärenz an, wobei er aber um deren Beschränktheit durchaus weiß (48). Ist so der Rahmen abgesteckt, kann Z. nun zu den Textuntersuchungen übergehen.

Dabei beginnt er im "weiteren Umfeld der Endgerichtsaussagen Jesu" bei den Königspsalmen (v.a. Ps 96-98). Dort sieht Z. den Gegensatz zwischen Israel und den Heidenvölkern als Kernpunkt des Gerichtshandelns Jahwes an, während die exilisch-nachexilische Prophetie (Ez 20,32-44; Zeph 3,9-20; Sach 14; Jes 24,21-23; 25,6-8; 33,7-24) das Gericht auch für die Sünder in den Reihen des eigenen Volkes erwartete. Die frühjüdische Apokalyptik (Dan, äthHen, AssMos, TestXII) setzte dies fort, freilich zum einen vermehrt um den Gesichtspunkt des Martyriums angesichts der kommenden Gottesherrschaft und zum anderen verbunden mit der Aufforderung zur Mitwirkung am eschatologischen Kampf. Ähnliches läßt sich für Texte aus Qumran (1QM, 11QMelch) sagen, während die PsSal sowohl ein innerisraelitisches Gericht als auch nationale Hoffnungen (c.17) enthalten. Eine aufschlußreiche Zusammenfassung zum palästinischen Judentum (104-106) bringt dann einen systematischen Überblick über den vielfältigen Zusammenhang der Königsherrschaft Gottes mit dem Endgericht. Eine knappe Würdigung erfahren die rabb. Zeugnisse (MekhY, TanB, MTeh) sowie das hellenistische Judentum (Sib 3, SapSal).

Die Untersuchung der Täufertexte (114-136), die die Basileia erwähnen (v. a. Lk 16,16 par [Q]; 7,28 par [Q]), und jener, die die Gerichtserwartung des Johannes dokumentieren (Lk 3,16 f. par [Q]), ist einleuchtend, wenn auch etwa die Frage, ob die johanneische Ankündigung der Geisttaufe tatsächlich historisch ist, nicht erörtert wird. Der Abschnitt schließt mit der Aussage, Johannes habe sich als der wiedergekommene Elia verstanden (136). Leider unterläßt es Z. aber, dies und die damit verbundenen Aspekte auch für die Botschaft Jesu, für den der Täufer und seine Bewegung der "unmittelbare geschichtliche Hintergrund" (114, vgl. 311) war, auszuwerten.

Die Untersuchung der Endgerichtsaussagen Jesu gliedert Z. nach Gattungen: Gleichnisse (137 ff.), Logien (169 ff.), prophetische und apokalyptische Worte (231 ff.).

Die behandelten Gleichnisse (Mk 4,26-29; 13,28f. par; 13, 33-37 [Lk 12,35-38]; Mk 12,1-12 par [EvThom 65 f.]) geben nach Z. sämtlich wenig für die Thematik her: Beim Sämanngleichnis handelt es sich ursprünglich nicht um einen Gerichtstext, beim Feigenbaumgleichnis um mk. Redaktion, bei dem Türhüter- und dem Winzergleichnis um Gemeindetradition, wobei mir bei letzterem der Aufweis, daß mit dem Sohn Johannes gemeint ist (164 ff.) gelunger erscheint, als der Abweis dieser Ansicht. Von den Weisheitsworten sind nach Z. mit einiger Gewißheit nur Mk 9,43.45.47 f.; Mt 5,29 f. (Q!) (Abhauen der Glieder) und 10,25 par (Kamel und Nadelöhr) authentische Aussagen Jesu über das Endgericht. Für Mk 4,24c; Lk 6,38c (Q) ist dies ebenso wie für Mk 4,25 par; Lk 19,26 (Q) und Lk 17,1b.2 (Q) immerhin möglich. In weiten Teilen negativ fällt schließlich auch das Authentitätsurteil über die prophetisch-apokalyptischen Worte aus, die tatsächlich auf das Endgericht ausgerichtet sind. Lediglich das Wort vom Ersten und Letzten (Mk 10,31 par; Mt 20,16; Lk 13,30 ­ nicht Q!) ist sicherlich dem historischen Jesus zuzuordnen, für die Anweisung an abgelehnte Sendboten (Mk 6,11 par; Lk 10,10f. [Q]) ist dies nach Z. zumindest möglich, vielleicht auch für Lk 11,43 (Q). Eine ausführliche Auseinandersetzung führt Z. in diesem Abschnitt vor allem mit den Menschensohnworten im MkEv, die er sämtlich für nachösterlich hält (274) und dem hellenistischen Stephanuskreis zuordnet (269 f.).

Trotz dieser eher negativen Ergebnisse lassen die wenigen authentischen Jesusworte zumindest für die Frage, ob Jesus ein bevorstehendes Endgericht verkündigte, auch nach den Texten des Markusevangeliums eine eindeutige Bejahung zu (311). Zwar hat Jesus dies vom Täufer übernommen, im Lichte der anbrechenden Gegenwart der Gottesherrschaft aber neu interpretiert. Die endgültige Durchsetzung der Basileia geschieht freilich durch Gottes richterliches Einschreiten (313 ff.), das seine Schatten u.a. mit den Dämonenaustreibungen bereits vorauswirft. Die endzeitliche Alternative besteht zwischen dem "ewiges Leben eröffnende(n) endzeitliche(n) Paradies" und der Gehenna (315), das Gericht wird überdies eine grundsätzliche Umkehrung der Verhältnisse bringen (Mk 10,25.31). Eigentliches Ziel der Endgerichtsverkündigung Jesu ist die Umkehr (315 f.), als weiteres Moment nennt Z. "Zuspruch und Trost" für Arme und Unterdrückte (316). Zustimmen muß man Z., wenn er am Ende schließt: "Wenn auch der historische Jesus den Akzent klar auf das Heilsangebot der Gottesherrschaft gelegt hat..., bedeutete für ihn nichtsdestoweniger das bereits anhebende und sich in einem zukünftigen endgültigen Akt ereignende Endgericht die notwendige Voraussetzung des Reiches Gottes."

Dies ist zwar nichts neues, aber Z. hat ­ mit vielleicht etwas zu strenger Kritik, aber desto sicherer ­ dies wieder gezeigt. Daß dies in gut verständlichem Stil und mit reichen Belegen aus den Quellen und der Sekundärliteratur geschehen ist, wird dem Anliegen nur nützlich sein, das Z. in dem abschließenden Ausblick (317 ff.) zum Ausdruck bringt: Die Endgerichtsverkündigung Jesu für die Theologie und die Verkündigung wieder in Erinnerung zu rufen. Ob dies so geschehen kann, wie Z. dies versucht ­ keine Geschichtsmächtigkeit Gottes, Jesus darf nicht vergöttlicht werden ­, mag dahingestellt bleiben. Als Aufgabe ist es uns mit dieser Monographie wieder einmal aufgegeben.