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Ausgabe:

Februar/1999

Spalte:

144–146

Kategorie:

Religionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Weippert, Manfred

Titel/Untertitel:

Jahwe und die anderen Götter. Studien zur Religionsgeschichte des antiken Israel in ihrem syrisch-palästinischen Kontext.

Verlag:

Tübingen: Mohr 1997. XIV, 281 S. gr.8 = Forschungen zum Alten Testament, 18. Lw. DM 228,-. ISBN 3-16-146592-X.

Rezensent:

Rainer Albertz

Im vorliegenden Sammelband hat der renommierte Heidelberger Alttestamentler seine wichtigsten Vorträge und Aufsätze zu religionsgeschichtlichen Themen aus 30 Jahren Forschungstätigkeit zusammengestellt. Alle sind zuvor, zum Teil mehrfach und teilweise in unterschiedlichen Sprachen, an verstreuten Orten publiziert worden (vgl. die Dokumentation S. 194 f.). Der deutsche Leser wird sich freuen, daß der bisher nur in englischer Sprache veröffentlichte Aufsatz "The Balaam Text from Deir ’Alla and the Study of the Old Testament" nun im deutschen Original zugänglich ist.

Der Vf. hat sich entschieden, die Aufsätze weitgehend unverändert abzudrucken; nur die Fehler wurden beseitigt und die Literaturangaben vereinheitlicht. Leider hat er darauf verzichtet, "die Aufsätze durch Nachträge zu modernisieren" (VII). Dies ist zwar angesichts der "Literaturflut" in einigen der von ihnen behandelten Gebieten verständlich. Doch da einige der abgedruckten Aufsätze inzwischen "Klassiker" sind, welche die Diskussion auf bestimmten Feldern nicht unwesentlich stimuliert haben, wäre es für den Leser hochinteressant und für die Forschung förderlich gewesen zu wissen, was der Autor zu den Aufnahmen, Abwandlungen und Kritiken, die seine Thesen inzwischen erfahren haben, meint. So hat der Sammelband mehr archivarischen Charakter, der Leser und Bibliothekare insofern erfreut, als damit nun ein wesentlicher Teil der Forschungstätigkeit Weipperts schön gebunden, leicht zugänglich und über Namen-, Sach- und Wortregister gut erschlossen vorliegt.

Folgende neun Aufsätze finden sich in dem Sammelband: 1. Synkretismus und Monotheismus: Religionsinterne Konfliktbewältigung im alten Israel (1990). 2. Über den asiatischen Hintergrund der Göttin "Asiti" (1975). 3. Jahwe (Reallexikon der Assyriologie V, 1976-80). 4. Gott und Stier: Bemerkungen zu einer Terrakotte aus Yafa (mit Tafelbildern, 1961). 5. "Heiliger Krieg" in Israel und Assyrien: Kritische Anmerkungen zu Gerhard von Rads Konzept des "Heiligen Krieges im alten Israel" (1972 = 1991). 6. Ecce non dormitabit neque dormiet qui custodit Israhel: Zur Erklärung von Psalm 121,4 (1983/84). 7. Elemente phönikischer und kilikischer Religion in den Inschriften von Karatepe (1969). 8. Die "Bileam"-Inschrift von Tell De r’Alla [mit Helga Weippert] (1982). 9. Der "Bileam"-Text von Tell De r’Alla und das Alte Testament (1991).

Eine Besprechung eines so großen Straußes von Aufsätzen, die alle je für sich nach wie vor substantielle Beiträge zur Forschung darstellen, ist an dieser Stelle unmöglich, aber auch nicht nötig, da sie alle längst in die Forschungsdiskussion eingegangen sind. Ich möchte hier nur einige allgemeinere Bemerkungen dazu machen: W.s Aufsätze bestechen nach wie vor durch hohe philologische, historische und archäologische Kompetenz und Detailgenauigkeit und eine ganz und gar unprätentiöse, eher zum understatement neigende Sachlichkeit. Das tut der Präsentation der religionsgeschichtlichen Gegenstände innerhalb eines theologischen Faches gut; sie werden ohne apologetischen Unterton, aber auch ohne theologiekritische Häme, die sich in der gegenwärtigen Forschungsdiskussion zuweilen einschleichen, ausgebreitet bzw. zurechtgerückt.

Allerdings besteht in der bewußten Konzentration auf das Detail auch eine gewisse Grenze der Arbeiten, die sich zusammen keineswegs zu einem stimmigen Bild einer Religionsgeschichte Israels fügen. Es fehlt an übergreifenden religionsvergleichenden und religionstheoretischen Reflexionen und Mo dellen. Selbst der thematisch umfassendste Aufsatz W.s zu "Synkretismus und Monotheismus" in Israel, der manches von meiner Modellbildung aufnimmt (religionsinterner Pluralismus) und von dem ich viel gelernt und manches direkt übernommen habe (vgl. Religionsgeschichte Israels, 41; 271 f.), läßt die an sich unumgängliche Reflexion vermissen, warum es denn ausgerechnet in Israel zu einer monotheistischen Entwicklung gekommen ist, wenn das Urteil gilt, das W. - vielleicht doch etwas provozierend - ohne Wenn und Aber über die israelitische Religion der vorexilischen Zeit fällt: "Diese Religion war polytheistisch" (10). Muß man nicht doch nach Zügen in diesem israelitischen Polytheismus suchen, die die spätere Sonderentwicklung erklärbar machen? Wenn W. gar in seinem zweiten Aufsatz über die De r ’Alla -Inschrift formuliert: "Ich bin fest davon überzeugt, daß die israelitische Religion bis in die Persische (wenn nicht Hasmonäische) Zeit polytheistisch war", dann muß man erst recht fragen, ob die Bezeichung "polytheistisch" nicht viel zu grobschlächtig ist, das gemeinte Phänomen angemessen zu beschreiben, da W. ja selber immer stärker werdende monotheistische Tendenzen in dieser Religion ab dem 9.Jh. bzw. ab dem 6. Jh. beschreibt (19-24).

Das bedeutet aber: Die Bezeichnung Polytheismus, die als polemischer Gegenbegriff vom Standpunkt des Monotheismus gebildet wurde, bedürfte einer religionsvergleichenden kritischen Überprüfung. Wahrscheinlich gibt es ganz verschiedene Typen von sog. "polytheistischen" Religionen, deren Differenzen durch eine inadäquate Begrifflichkeit bzw. Modellbildung bis jetzt noch überdeckt werden. Von daher stellt sich z. B. auch die von W. positiv beantwortete Frage, ob die De r ’Alla -Inschrift als eine Quelle für die Religion Israels anzusehen sei, noch einmal neu. So weist das Buch neben einer Fülle von soliden Informationen, die es liefert, auf wichtige Desiderata für zukünftige religionsgeschichtliche Forschung innerhalb der alttestamentlichen Wissenschaft hin. - Insgesamt liegt also ein durchaus nützliches Buch vor, das W.s wichtige Beiträge zur religionsgeschichtlichen Forschung im Rahmen alttestamentlicher Wissenschaft erneut und breiter bekannt macht. Doch wird die Verbreitung, die man einem solchen Sammelband wünschen würde, leider durch den Preis der gewählten Reihe ganz erheblich limitiert. Sollten nicht gerade solche wichtigen Aufsatzsammlungen auch für Studierende erschwinglich sein?