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Ausgabe:

Juni/1997

Spalte:

537 f

Kategorie:

Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Köhler, Theodor W., u. Bernhard Schwaiger

Titel/Untertitel:

Wer studiert heute Theologie? Studienbeweggründe und Studienverläufe bei Theologiestudierenden. Eine Langzeitstudie.

Verlag:

Kampen: Pharos 1996. 219 S. gr.8°. Kart. hfl. 64,90. ISBN 3-89271-651-X.

Rezensent:

Franz-Heinrich Beyer

Das Verständnis und die Wahrnehmung des Hochschulstudiums ist schon seit geraumer Zeit einem Wandel unterworfen. Das Studium wird zunehmend als eigenständige biographische Phase gelebt, in der das Moment der Berufsqualifikation nur mehr eines unter mehreren ist. Diese Situation wird durch die Verschlechterung der Berufsmöglichkeiten nicht erst geschaffen, wohl aber verschärft. Die Frage nach den Subjekten in solchen als krisenhaft wahrgenommenen Wandlungsprozessen ist daher nur verständlich.

Der vorliegende Band möchte für die Beantwortung der Frage "Wer studiert heute Theologie?" eine solide Datenbasis zur Verfügung stellen. Anlaß dazu waren u. a. eine relativ hohe Zahl von Studienanfängern sowie "Vermutungen über sich häufende Studienverzögerungen und über eine relativ hohe Zahl von Studienabbrüchen" (13). Von 1980 bis 1989 wurden alle erstsemestrigen Theologen/Theologinnen an der Katholisch-theologischen Fakultät der Universität Salzburg befragt (629 Probanden) ­ sowohl Priesteramtskandidaten als auch Laientheologen und -theologinnen. Zusätzlich wurden die befragten Personen noch einmal im vierten Semester befragt (1985-1990; 225 Probanden = 63 % der im ersten Semester befragten). Hinzu kam die Befragung von jeweils erstsemestrigen Psychologie- bzw. Jura-Studierenden (237 bzw. 301 Probanden) in den Jahren 1987-1989. Bereits diese äußeren Daten der Untersuchung machen deutlich, daß hier umfassendes Datenmaterial zur Verfügung gestellt wird.

Die im ersten Semester Studierenden wurden nach ihrer sozialen Herkunft befragt. Ein Schwerpunkt lag auf der Erhebung der Studienbeweggründe, und zwar hinsichtlich des Hauptmotivs für das Studium, hinsichtlich einzelner Studienbeweggründe und hinsichtlich der Zielvorstellungen. Sowohl die Einbeziehung der Psychologie- und Jura-Studierenden als auch insbesondere die Wiederholung der Befragung der Theologiestudierenden im vierten Semester erwecken besonderes Interesse.

Bei Theologiestudierenden waren Anregungen durch Dritte (Elternhaus; Religionslehrer; Priester) zwar nicht von großer, aber im Unterschied zu Psychologie- bzw. Jura-Studierenden doch von gewisser Bedeutung. Bei der Frage nach dem Hauptmotiv für die Wahl des Theologiestudiums ist zwischen Priesteramtskandidaten und Laientheologen bzw. -theologinnen zu differenzieren. Letztere nannten vorrangig den Wunsch nach Klärung von Fragen der Lebens- und Glaubensorientierung für sich und andere, das Interesse an der Theologie als Wissenschaft und den Wunsch nach Glaubensvollzug im und durch das Studium. Diese auf die Wahrnehmung des Studiums bezogenen Motive treten bei den Priesteramtsstudenten deutlich zurück gegenüber dem Ziel, Priester zu werden. Aufschlußreich ist wieder ein Vergleich hinsichtlich des Wunsches nach künftiger Mitarbeit in der entsprechenden Berufswelt: Diese Vorgabe fand bei den Theologiestudierenden eine etwas stärkere Zustimmung als bei Psychologen und Juristen. Ein Vorteilsgesichtspunkt bei der Studienwahl wurde von Jurastudierenden eingeräumt, von Theologen strikt abgelehnt.

Die Auswertung der Eindrucksdifferentiale zu fünf Schlüsselkonzepten ergab, daß die Konzepte "Glaube" und "Gott" bei Theologiestudierenden positivere Assoziationen als bei Jura- bzw. Psychologie-Studierenden hervorgerufen hat. Letztere reagierten auf das Konzept "Kirche" beinahe nur mit negativen Assoziationen. Hinsichtlich des Konzeptes der jeweiligen Disziplin (Jura; Psychologie; Theologie) ließen sich charakteristische Ausprägungen beobachten. Lediglich die Assoziationen zu dem Konzept "Wissenschaft" wiesen größere Übereinstimmungen auf. Der Wunsch nach Klärung von Fragen der Lebensorientierung hatte bei Psychologie- und bei Theologie-Studierenden etwa dieselbe Bedeutung, wobei dieser Wunsch bei Laientheologinnen und -theologen deutlicher betont wurde als bei Priesteramtsstudenten.

Die höchste Zustimmung der Theologiestudierenden fand aber unter den Vorgaben zur Studienmotivation das Item "Theologie als Wissenschaft". Im Verhältnis dazu "geben die viersemestrigen Theologiestudierenden nur mehr eine verhalten positive Beurteilung betreffend ihrer Erfahrung mit der Wissenschaft ab" (176). Ist das Berufsmotiv "Wissenschaft" vor allem als Stereotype im Zusammenhang eines begonnenen Hochschulstudiums anzusehen, das zudem emotional als einschüchternd erfahren wird? Unterstützt wird eine solche Hypothese durch das Eindrucksdifferential zum Konzept "Wissenschaft". Nur bei diesem Konzept fanden sich zugleich extrem positive wie auch extrem negative Assoziationen. Dieses Ergebnis ist mit dem bei den Jura- und Psychologie-Studierenden vergleichbar. Damit wird die Komplexität der Studieneingangsphase sowohl in ihrer disziplinübergreifenden Relevanz, aber auch in ihrer disziplinspezifischen Bedeutung als Herausforderung sehr deutlich.

Köhler/Schwaiger haben eine wichtige Arbeit vorgelegt. Die Dokumentation der Langzeituntersuchung und die Präsentation der Daten ist vorbildlich. Dringend zu wünschen wäre eine vergleichbare empirische Studie in einer anderen Region und an einer evangelisch-theologischen Fakultät, wobei unbedingt Pfarramts- und Lehramtsstudierende befragt werden sollten.