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Ausgabe:

Oktober/1997

Spalte:

953 f

Kategorie:

Systematische Theologie: Dogmatik

Autor/Hrsg.:

Mancherry, Cheriyan

Titel/Untertitel:

Christ: The Mystery in History. A critical Study on the Christology of Raymond Panikkar.

Verlag:

Frankfurt/M.-Berlin-Bern-New York-Paris-Wien: Lang 1996. 311 S. 8° = Theion, 5. Kart. DM 89,­. ISBN 3-631-48369-4.

Rezensent:

Horst Georg Pöhlmann

Es ist verdienstvoll, daß der Vf. sich dem wohl bedeutendsten Vertreter einer indischen christlichen Inkulturationstheologie beschäftigt, R. Pannikar, der, wie schon vor ihm A. J. Appasamy, in der Mystik eine Brücke der Verständigung zwischen Hinduismus und Christentum erblickt. Ansatzpunkt der Verständigung ist die mystische Einheit mit dem Absoluten oder mit Gott in Christus. Christus durchdringt den Kosmos, folglich auch den Hinduismus. Der eine Christus, "außer dem es kein Heil gibt", ist nach Panikkar auch "im Hinduismus und in den Hindu-Sakramenten" als "universaler Erlöser" "gegenwärtig" (74). Nach Jes 45,15 und Act 17,23, Lk 2,14, Lk 24,13 ff. und Mt 25,40 begegnet er allen Menschen anonym als der "unknown Christ". Er war nach Joh 1,9 schon vor seiner Inkarnation allen Menschen offenbar (74, 78 f.).

Der "unknown Christ" wird in anderen Religionen unter anderen Namen angerufen (82 ff.), wie etwa unter dem Namen des Hindugottes Ishwara (95). Eine Besonderheit der Christologie Panikkars ist die fast gnostisch-nestorianische Unterscheidung von Christus und Jesus. "Jesus ist Christus", aber "Christus ist nicht nur Jesus", sondern "größer als Jesus" (112 ff.). "Christus ist der Herr, aber der Herr ist nicht nur Jesus" (115). "Jesus" ist nur "ein Aspekt von Christus" (171), dessen "weißes Licht" sich in "vielen Farben" bricht, nicht nur in einer einzigen. Der "Regenbogen" seiner Offenbarung ist vielfarbig (170f.). "Die Erscheinung Christi in Jesus ist" folglich "nicht exklusiv" (169). Der Christuslogos ist nach Panikkar ein "kosmisch-gottmenschliches Geheimnis" ("Cosmotheandric Mystery") (117 ff.), das alles durchdringt und nicht nur in einem "einzelnen, historischen Individuum" begegnet, in das es eingesperrt wird (147 ff.).

Der Vf. skizziert die Christologie Panikkars sachgerecht und detailgenau in allen ihren Einzelverästelungen. Die Bewertung seiner Christologie ist freilich wenig einfühlsam. Nach Art einer lehramtlichen Zensurierung und formalautoritär wird Panikkars Christologie an den römisch-katholischen Normen von Schrift und Tradition gemessen, ohne daß sich der Vf. die Mühe macht, seine Kritik inhaltlich zu begründen (183 ff.). Es ist kein Argument, einfach nur festzustellen, daß Panikkars These, Christus sei in gleicher Weise im Christentum und Hinduismus offenbar, "nicht übereinstimmt mit der Lehre von Lumen Gentium" von der "vollen Gegenwart Christi" nur "in der Kirche" (187). Es ist auch wenig überzeugend, lediglich festzuhalten, Panikkars Lehre "kann nicht akezptiert werden", weil sie in der "Bibel" und in der "Lehre der Kirche" nicht die einzige Glaubensquelle erblickt, sondern auch aus "hinduistischen Traditionen" als Glaubensquelle schöpft (187 ff.).

Ebensowenig überzeugt die Kritik des Vf.s, wenn er lediglich konstatiert, Christus habe bei Panikkar neben den "zwei Naturen, der göttlichen und menschlichen", von Chalzedon noch eine "dritte Natur", die "kosmische Natur" als das "kosmisch, gottmenschliche Geheimnis", in Wirklichkeit habe er aber nur zwei (193). Eine ängstliche Orthodoxie spricht auch aus den sicher richtigen, aber unbegründeten Behauptungen: "Panikkars universaler Erlöser ist der Logos vor der Inkarnation und der Pantokrator nach der Auferstehung" als den beiden "Dimensionen seines kosmisch-gottmenschlichen Geheimnisses. Was soll Jesus von Nazareth dazwischen?" Er ist nur "ein für das Christentum notwendiges Symbol". "Panikkar relativiert Jesus" (202). Der Vf. hat Recht: Christus und Jesus sind identisch und nicht zu trennen. Christus ist nur in Jesus Mensch geworden (202 ff.). Aber warum kann dieser in Jesus Mensch gewordene Christus sich nicht auch in anderen Religionen anonym und unter anderen Namen als der einzige Heilsbringer offenbaren? Wie soll man sonst erklären, daß wir auch in anderen Religionen befreite, erlöste Menschen finden? Christus ist nicht größer als Jesus, aber er ist größer als die Kirche. Der Vf. versäumt es, die Kondeszendenz Gottes in Jesus Christus als Argumentationsmuster ins Feld zu führen, in der Gott sich uns vorbehaltlos preisgibt und sich nicht unter Vorbehalt inkarniert nach Art des Extra Calvinisticum: Logos extra carnem, caro extra logon. Hier liegt m. E. der Fehlansatz Panikkars.