Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

Oktober/1997

Spalte:

945 f

Kategorie:

Philosophie, Religionsphilosophie

Autor/Hrsg.:

Volkmann-Schluck, Karl-Heinz

Titel/Untertitel:

Die Philosophie Martin Heideggers. Eine Einführung in sein Denken. Hrsg. von B. Heimbüchel.

Verlag:

Würzburg: Königshausen & Neumann 1996. 235 S. gr.8°. Kart. DM 48,­. ISBN 3-8260-1098-1.

Rezensent:

Richard Schaeffler

Der Vf. gilt als einer der besten Kenner Martin Heideggers, freilich auch als einer seiner vorbehaltlosesten Anhänger. Das zeigt auch der Text seiner Vorlesung aus dem WS 1976/77, der im vorliegenden Band aus dem Nachlaß veröffentlicht wird. Der Vorlesungstext bietet zutreffende und hilfreiche Paraphrasen wichtiger Aussagen von Heidegger aus "Sein und Zeit", aus den Schriften, die die "Kehre" auf seinem Denkweg dokumentieren, und aus den Vorträgen "Die Frage nach der Technik" und "Zeit und Sein". Dabei orientiert der Vf. sich an jener Rückschau Heideggers auf seine eigenen früheren Schriften, die dieser im Jahre 1969 auf einem Seminar im provençalischen Le Thor gegeben hat.

Der Vf. hebt insbesondere folgende Grundaussagen Heideggers hervor: In der gesamten abendländischen Geschichte war es "die Metaphysik, die seit ihrem griechischen Beginn dem menschlichen Denken die Wege und Ziele anwies" (7). In dieser gesamten Geschichte "herrscht die vollständige Seinsvergessenheit" (125). Damit aber ist auch "das Geschick", d. h. dasjenige, was den Menschen auf seinen jeweiligen Weg zu schicken vermag, "das dem Menschen heute Verwehrte, Verweigerte, das ihm Vorenthaltene" (229). Die Seinsvergessenheit des Menschen gründet so in einer Selbstverweigerung des Seins und enthüllt sich so "als eine zum Sein selbst gehörende Dimension der Verborgenheit", welche ihrerseits "als jenes anfänglich Ungelichtete" verstanden werden darf, "welches Quelle allen lichtenden Aufgehens ist" (232 f.). In dieser Lage "besteht die Aufgabe des Denkens darin, dem Geschick als einem Verweigerten zu entsprechen" (230) und gerade so "eine Bereitschaft vorzubereiten für eine mögliche Ankunft des Geschicks" (ibid). Damit ist zugleich gesagt: Das die gesamte bisherige Geschichte des Abendlandes umfassende Zeitalter der Selbstverweigerung des Seins und der Seinsvergessenheit des Menschen nähert sich seinem Ende, und die Aufgabe des Denkens besteht darin, in der Bereitschaft für eine mögliche Ankunft des Seins ein "postmetaphysisches Zeitalter" vorzubereiten. Daraus folgert der Vf.: "Das postmetaphysische Denken ist... eine weithin noch unergriffene Aufgabe... Martin Heidegger hat diese Aufgabe... als erster entscheidend erblickt und entfaltet" (8 f.).

Solche und andere Aussagen und die darin zum Ausdruck kommende Auffassung Heideggers von der Aufgabe des philosophischen Denkens scheinen dem Vf. in solchem Maße selbstverständlich zu sein, daß er sie sich, bis in Heideggers Sprachstil hinein, vorbehaltlos zueigen macht. Weder eine Begründung dieser Aussagen noch wenigstens eine Erläuterung der dabei verwendeten Ausdrücke hält er für notwendig.

Wenn der Leser sich von einer "Einführung" in Heideggers Denken eine Hinführung erwartet, die ihm ein solches Denken auch dann aufschließt, wenn er die Sichtweise Heideggers nicht von vornherein teilt, wird er enttäuscht. Erwartet er andererseits, ganz im Sinne Heideggers, ein Hineinfragen in die Sache, das stets auch ein Hinausfragen über das von Heidegger Gesagte in sein "Ungesagtes" verlangt, erwartet er also eine Auslegung, die kritisch bleibt, weil sie nur so dem Anspruch, den der Text vermittelt, gerecht werden kann, dann findet er dafür kaum einen Ansatz. Und mögliche Alternativen zu Heideggers Position werden, soweit sie überhaupt in Betracht gezogen werden, stets nur als Anzeichen eines noch nicht überwundenen "metaphysischen" Denkens bewertet, über das Heidegger und seine Schüler längst hinausgelangt sind. So bestätigt sich auch in diesem Falle die allgemeine Regel: Allzugroße Treue zu einem "Meister" kann einem Verständnis dessen, was er gesagt hat, im Wege stehen, weil sie den Blick auf die Fragen, mit denen er gerungen hat, zugunsten vermeintlich abschließender Antworten verstellt.