Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

Oktober/1997

Spalte:

930 f

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Autor/Hrsg.:

Ioannis Calvini

Titel/Untertitel:

Opera Omnia. Series II: Opera Exegetica veteris et Novi Testamenti. Vol. XI/1: In Evangelium Secundum Johannem Commentarius Pars Prior. Ed. H. Feld.

Verlag:

Genf: Droz 1997. XLIX, 361 S. gr.8°. ISBN 2-600-00192-1.

Rezensent:

Joachim Rogge

Nunmehr liegt ein vierter Band der anspruchsvollen Ausgabe vor, die das ganze Werk des Genfer Reformators Johannes Calvin den wissenschaftlich Arbeitenden vorstellen soll. Über die Editionskriterien war anläßlich der Anzeige von Calvins Kommentierung des 2. Korintherbriefes berichtet worden (ThLZ 120, 1995, 1097 f.).

Insgesamt sind bisher ­ abgesehen von dem hier zu rezensierenden Johannes-Kommentar ­ in dieser Ausgabe veröffentlicht die Kommentare zu Kol, Eph, Gal, Phl (H. Feld, II,16; 1992), zum Hebr (T. H. L. Parker, II,19; 1996) und zum vorerwähnten 2Kor (H. Feld, II,15; 1994) (XLII). Man kann dem ganzen Werk nur wünschen, daß es so zügig weiter gefördert wird.

Feld bewährt in der Kommentarveröffentlichung, die Joh 1-8 einbezieht, seine herausgeberische Meisterschaft aufs neue. Er verfährt in der Anlage des Ganzen genauso wie in den schon vorliegenden Bänden. Im Vorwort zeigt er auf, wieviele Institutionen und Personen fördernd hinter dem aufwendigen Unternehmen gestanden haben.

In einer sehr ausführlichen Einleitung (XI-XLIX) gibt F. Auskunft über die Geschichte des Kommentars, dessen Ausarbeitung Calvin 1552 abschloß (XI). Gerade das Johannesevangelium diente dem Reformator dazu, die christologischen Ansätze des Trinitätsleugners Michael Servet zu widerlegen, der sich in seiner Argumentation wesentlich auf das vierte Evangelium bezog. "Calvin sah es... wohl für notwendig an, den Auffassungen Servets, in denen er eine für die Kirche gefährliche Erneuerung altkirchlicher christologischer Häresien sah, so schnell wie möglich eine auf einer korrekten Auslegung des Textes des Evangeliums basierende, rechtgläubige Christologie und Trinitätslehre entgegenzustellen" (XI). So hat der Johannes-Kommentar Calvins auch seinen theologiegeschichtlichen Ort.

Die Tatsache, daß der Kommentar der Genfer Stadtobrigkeit gewidmet wurde (3), macht deutlich, daß der Reformator der Stadt für seine theologischen Ausführungen auch eine gesellschaftspolitische Relevanz sah, wie es ja auch die Behandlung des Falles Servet bis zum Feuertod aufweist. Die schnell erfolgende Übersetzung ins Französische ist ein weiteres Zeichen dafür, daß Calvin seine exegetischen Erkenntnisse nicht nur der gelehrten Diskussion, sondern einer breiteren Öffentlichkeit zuführen wollte.

Die Einleitung enthält weiterhin Angaben über ältere Editionen und zu den Übersetzungen im Laufe der Jahrhunderte ins Französische, Niederländische, Englische, Deutsche und Japanische (in den Jahren 1963-1965). In den Apparaten gibt F. exakt an, welche Ausgaben des Kommentars er von Fall zu Fall heranzieht. Vorrangig sind die Auflagen von 1553, 1555 und 1560 (XXXVI f.) berücksichtigt.

F. richtet sein Augenmerk allerdings nicht nur auf eine zuverlässige Edition mit zugehörigem textkritischem Apparat, sondern widmet sich auch der Frage nach den Quellen des Reformators, nach der Einhängung des Kommentars in Calvins Theologie, besonders im Horizont seiner Christologie. Die in der Einleitung enthaltene Übersicht verweist auf die Textstellen im Kommentar, so daß der Leser einen ersten guten Eingang in das Kommentarwerk mit seinen Akzentsetzungen erhält. Zu Joh 5,37-39 etwa führt Calvin aus: "Sic enim illic de Filio suo testatur Pater, ut eum nobis indubie patefaciat" (180, 20 f.). Auf diese Schlüsselstelle weist der Herausgeber dann auch einführend hin: "Gott gibt dort von seinem Sohn in der Weise Zeugnis, daß er ihn uns ’ohne jeden Zweifel’ offenbart" (XXXVI).

Die Einführung in die Theologie des Kommentars und damit Calvins verbindet F. mit folgenden Themen, wozu jeweils die betreffenden Stellennotierungen erfolgen: 1. "Geschichtlicher Kontext des Johannes-Kommentars", 2. "Pervertierter Kult", 3. "Lehre der Schrift und scheinbare Widersprüche", 4. "Erwählung und Verwerfung", 5. "Verkehrte Natur und Funken der Gottesverehrung", 6. "Christus überall in der Schrift" (VII).

In einer anschließend abgedruckten Bibliographie (XXXIX) sind die zeitgenössischen Bibelausgaben, theologisch für Calvin relevante Texte ­ zum Teil in Neuausgaben ­ und neueste Sekundärliteratur verzeichnet. Nach dem Kommentartext (1-298) schließt ein Register (Bibelstellen, Personennamen, moderne Autoren und Editoren sowie Sachen) das Ganze weiterhin auf.

Wer zu Calvin Zugang gewinnen will, hat hier eine zuverlässige Gelegenheit. "Theologische Leitideen" (XXV) des Reformators angesichts der Irritationen seiner Zeit ­ wie er sie sieht ­ sind im Johanneskommentar gegen Ende seiner Lebensarbeit hervorragend gekennzeichnet. Darauf macht der Hrsg. ebenso gut aufmerksam wie auf Calvins "Hermeneutische Voraussetzungen". So haben wir ein wichtiges Stück reformatorischer Theologie in ansprechender Editionsweise vor uns. Das ist Helmut Feld herzlich zu danken.