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Ausgabe:

Oktober/1997

Spalte:

896–898

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Hildesheim, Ralph

Titel/Untertitel:

Bis daß ein Prophet aufstand wie Feuer. Untersuchungen zum Prophetenverständnis des Ben Sira in Sir 48,1–49,16.

Verlag:

Trier: Paulinus 1996. VIII, 279 S. gr.8° = Trierer theologische Studien, 58. Kart. DM 48,­. ISBN 3-7902-1286-5.

Rezensent:

Georg Sauer

"Die vorliegende Arbeit stellt eine für die Drucklegung nur leicht veränderte Fassung meiner Doktordissertation dar, die im Sommersemester 1996 von der Theologischen Fakultät Trier angenommen... wurde" (VII). So leitet der Vf. sein Vorwort ein. Die Dissertation war von Reinhold Bohlen, einem auf dem Gebiete der Ben Sira-Forschung ausgewiesenen Forscher, angeregt und betreut worden. Mit dieser Untersuchung geht die seit drei Jahrzehnten zu beobachtende intensive Arbeit an dem Buche Ben Sira weiter. Nach vielen Bearbeitungen des Textes und der textkritischen Überlieferungen wendet sich nun vermehrt das Augenmerk auf inhaltliche Probleme. Das vom Vf. auf den S. 265-279 erarbeitete Literaturverzeichnis gibt darüber beredte Auskunft.

Das gewählte Thema ist deshalb von besonderer Bedeutung, weil damit einerseits die Traditionsgebundenheit Ben Siras untersucht und aufgewiesen werden kann, andererseits aber auch seine in die Zukunft weisenden Gedanken durch die Behandlung der vorgegebenen Stoffe deutlich hervortreten. Diese Aspekte hat der Vf. richtig erkannt und eingehend ausgeführt. Dem entsprechen auch Aufbau und Ergebnis der Arbeit.

In drei einleitenden Kapiteln werden eingangs mehr allgemein gehaltene Angaben über den "Stand der Forschung" (5-19), "Zur Textkritik" (20-37) und "Zur Formkritik" (38-63) gemacht. Hier wird manches ausgeführt, das nicht unmittelbar zum Gang der Untersuchung hinführt und ohne Qualitätsverlust auch hätte unterbleiben können. So wäre unter dem vielversprechenden Titel "1.1. Das Buch Jesus Sirach in der Forschung seit 1896" noch mehr zu sagen, was aber dem Gang der Darlegungen nicht zugute gekommen wäre, sondern ihn eher belastet hätte. Es wird aber hier schon deutlich, daß der Vf. vor allem den Arbeiten von N. Peters und P. W. Skehan/A. A. Di Lella verpflichtet ist. Andere Exegeten werden zwar benutzt und in Auseinandersetzungen zitiert, treten aber eher zurück. Wertvoll sind die immer wieder gebotenen Zusammenfassungen und vor allem die am Ende des ersten Kapitels stehende "Aufgabenstellung und Zielsetzung der Arbeit" (18 f.). Wie oben aus der Themenstellung abgeleitet worden war, werden hier die Schwerpunkte in der exegetischen Arbeit und in der Erhebung des Prophetenbildes gesehen.

Diesem Bemühen dienen nun die folgenden gut vorbereiteten Ausführungen: 4.1.: Sir 48,1-15d: Elija und Elischa (64-124); 4.2.: Sir 48,15e-25: Hiskija und Jesaja (125-168); 4.3.: Sir 49,1-3: Joschija ( 168-184); 4.4.: Sir 49,4-7: Judas Untergang und Jeremia (185-206); 4.5.: Sir 49,8-10: Ezechiel, Ijob und die 12 Propheten (206-221); 4.6.: Sir 49,11-13: Serubbabel, Joschua und Nehemia (222-240) und 4.7.: Sir 49,14-16: Von Henoch bis Adam (240-255).

Alle Teile sind in übersichtlicher Weise in gleicher Form lo-gisch aufgebaut: Nach der "Konstituierung des Textes" folgen Ausführungen über die Struktur des Abschnitts mit einer abschließenden Formulierung des Ergebnisses. Der Schwerpunkt liegt danach bei den erschöpfenden und allen feinen Verästelungen nachgehenden "traditionskritischen Untersuchungen", aus denen die "theologische Deutung" abgeleitet wird. Eine Zusammenfassung erleichtert es auch hier immer wieder, die Zielsetzung der Arbeit zu erkennen und zu verfolgen.

Bei dem Bemühen, die einzelnen Abschnitte gegeneinander abzugrenzen, nimmt der Vf. den großen Rahmen des Väterlobs mit Kap.44-50 an. Diese Abgrenzung aber ist in den neueren Untersuchungen durchaus kritisch hinterfragt worden, was der Vf. auch weiß und benennt. Vielfach wird die gut begründete Meinung vertreten, daß die Teile 42,15-43,33 als "Vorspann" zu verstehen sind, ähnlich wie Gen 1-11 vor der Vätergeschichte. Dieser Abschnitt muß nicht als selbständige Einheit gewertet werden, wie dies der Vf. vorschlägt, indem er in diesen Ausführungen eine parallele literarische Aussage zum Väterlob erkennt. Zu beachten ist, daß Hm die Überschrift in 44,1 nicht bietet. Damit fällt eine wesentliche Stütze hinweg für die Annahme eines vollkommen neuen Einsatzes mit Kap. 44.

Einzelheiten der textkritischen Arbeit können hier nicht eingehend erörtert werden. Es wird aber an der Behandlung des Textes deutlich, daß das hebräische Manuskript B der Untersuchung zur Grundlage dient, aber doch immer wieder konjiziert wird. Dem Ermessen des Exegeten ist hier ein gewisser Spielraum offengelassen. In Einzelfragen könnte durchaus anders entschieden werden. Dem Rez. fiel besonders die unterschiedliche Deutung des hebräischen Verbums pqd in 49,15 f. auf, das bei Hildesheim mit "sorgfältig berücksichtigt werden" übersetzt wird (242-244). Der Rez. aber hatte im Hinblick auf die vorherige Erwähnung des entrückten Henoch als Gegensatz dazu diese Aussage gedeutet und mit "wurde bestattet" übersetzt.

Die traditionskritischen und theologischen Folgerungen sind überzeugend. Sie werden im "Resümee" (256-263) zusammengefaßt. Es wird immer wieder darauf verwiesen, daß Ben Sira in der Not seiner Zeit Halt und Hoffnung geben möchte aus der Erinnerung an die Geschichte heraus. Mit Recht wird eine Messiashoffnung abgelehnt, da sie nicht in den Vorstellungskreis des an Kult und Tempel gebundenen Ben Sira paßt. Von daher ist auch die Nichterwähnung Esras zu verstehen.

Ob man allerdings von einer eschatologischen Hoffnung wird sprechen können, wie dies zum ersten Male bei der Erwähnung Elijas in der Verwendung des Maleachi-Zitats geschieht, wird behutsamer zu beurteilen sein, als dies bei der Untersuchung geschieht. Gewiß geht der Vf. bei seiner Beweisführung vorsichtig vor. Aber doch betont er immer wieder die Anzeichen einer eschatologischen Hoffnung, auch da, wo es einfach um den Hinweis auf eine Zukunft des Volkes geht, die nicht ohne Heilszusage ist. In die Zu-kunft gerichteter Glaube unter der Gewißheit des erwarteten Heils ist nicht gleichbedeutend mit eschatologischer Erwartung. Hier überhöht der Vf. sehr schnell kleine Anzeichen zu einem endzeitlichen Geschehen. Dies trifft besonders bei der Behandlung des Königs Hiskija zu, wo bei der Erwähnung des Übrigbleibens eines kleinen Teiles für Juda an die Restvorstellung erinnert wird, aus der eschatologische Erwartung abgeleitet werden könne (161).

Ansatzweise wird auch bei der Behandlung der einzelnen Abschnitte dargestellt, welche Aussagen aus der alttestamentlichen Tradition für die Darstellung der Propheten durch Ben Sira nicht berücksichtigt werden, z. B. der Bericht von dem verzagenden Elija (1Kön 19). Diese negative Auswahl Ben Siras hätte an einigen Punkten noch weiter ausgeführt werden können, z.B. bei Jesaja, wo es auffällig ist, daß die Berufungsvision in Kap. 6, die ja am Tempel (!) geschieht, übergangen wird. Sollte damit eine zu enge Bindung des Prophetenamtes an den Tempel vermieden werden? Auch bei der Behandlung des Propheten Ezechiel läßt sich fragen: Warum benutzt Ben Sira nicht Kap. 37 als Zeichen für die (eschatologische) Hoffnung des Volkes? Wollte Ben Sira damit eine zu enge Bindung an eine Auferstehung der Toten vermeiden, wie der Vf. sonst mit Recht feststellt? Andere Beispiele ließen sich noch beibringen.

Die Arbeit enthält keine Register, was man bedauern kann. Die Übersichtlichkeit der sorgfältigen Arbeit macht aber einen Zugang leicht. Ein Druckfehler wurde festgestellt: Die Arbeit von Oda Wischmeyer ist in den Beiheften zur ZNW (nicht ZAW) erschienen (279).