Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

Oktober/1997

Spalte:

881–883

Kategorie:

Altertumswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Bieberstein, Klaus, Bloedhorn, Hanswulf, u. Michael Hamilton Burgoyne

Titel/Untertitel:

Jerusalem. I: Bieberstein, K. u. H. Bloedhorn: Grundzüge der Baugeschichte vom Chalkolithikum bis zur Frühzeit der osmanischen Herrschaft. Bd. 1–3. II: Bieberstein, K.: Baugeschichte. Karten 1–3. III: Bieberstein, K., u. M. H. Burgoyne: Baugeschichte. Karte 4.

Verlag:

Wiesbaden: Reichert 1994. 239+456+554 S. m. 1 Faltkte gr.8° = Beihefte zum Tübinger Atlas des Vorderen Orients. Reihe B, 100/1-3. Kart. DM 158,­; Ktn je DM 28,­. ISBN 3-88226-671-6.

Rezensent:

Eckart Otto

Die hier anzuzeigenden drei Bände der Beihefte zum Tübinger Atlas dokumentieren die Vorarbeiten der Autoren unter Mitarbeit u.a. von Andreas Michel für die Erstellung der Karten B IV 7 1-4 des Tübinger Atlas zur Baugeschichte Jerusalems, die ebenfalls vom Dr. Ludwig Reichert Verlag über den Buchhandel zu beziehen sind. Das dreibändige Handbuch will nun aber nicht die vielfach strittigen Entscheidungen der Autoren bei der Rekonstruktion der Baugeschichte Jerusalems gerade in ihren frühen Phasen begründen. Vielmehr ist es aus einer Sammlung bibliographischer Hinweise zu den auf den Karten dargestellten Ortslagen entstanden. Dann wurden in einem zweiten Schritt kurze Zusammenfassungen ihrer Geschichte und Archäologie hinzugefügt, um in einem dritten Schritt eine angesichts des Gesamtumfanges der drei Bände sehr knappe Synthese der Baugeschichte Jerusalems dem Werk voranzustellen. So ist schließlich ein mixtum compositum von Bibliographie, knapper Fundbeschreibung und Synthese einer Baugeschichte Jerusalems entstanden, deren Wert in der Sammlung der bibliographischen Daten liegt.

Der Bereich der Siedlung Jerusalems bis in frühosmanische Zeit im Umfang von 4 km2 wird nach dem Palestine Grid in Streifen von 100 m Breite aufgeteilt und den Streifen folgend durch die historischen Perioden vom Chalkolithikum bis zur osmanischen Zeit beschrieben, so daß unmittelbar nebeneinander chalkolithische, eisenzeitliche und osmanische Funde behandelt werden können. Das führt zu einer nicht geringen Unübersichtlichkeit, die das vorgelegte Werk von vornherein auf die Funktion eines Nachschlagewerkes reduziert. So wäre eine diachrone Anordnung des Materials der Übersichtlichkeit dienlich und einer historischen Auswertbarkeit im Dienste einer Synthese der Baugeschichte Jerusalems förderlich gewesen, zumal es den Autoren nicht gelingt, in das geographische Gliederungssystem die nur literarisch belegten Ortslagen, deren Lokalisierung z.T. strittig ist, zu integrieren, so daß sie anhangsweise ohne erkennbares Gliederungssystem abgehandelt werden. Nur für die nichtdatierten Funde wäre das von den Autoren gewählte Gliederungsverfahren angemessen. So haben die Autoren im wesentlichen eine Bibliographie vorgelegt, die nun angesichts des aufgewendeten Sammlerfleißes alles in den Schatten stellt, was es bislang auf dem Markt an Bibliographien zu diesem Thema gibt. Allerdings wird der Wert dadurch gemindert, daß Aufsätze in Zeitschriften und Sammelwerken nur mit dem Fundort, nicht aber dem Titel angegeben werden, also doch wieder bibliographische Nachforschung erforderlich wird, will man mit den zusammengetragenen Daten arbeiten.

Auch ist es bedauerlich, daß themen- und epochenübergreifende Monographien zu den einzelnen Fundorten nicht aufgeschlüsselt und ausgewertet wurden.Es ist verdienstvoll, daß das epigraphische Material in hebräischer, griechischer und lateinischer Sprache dokumentiert wird, daß arabischsprachiges Material aber übergangen wird, ist bedauerlich, weil dadurch angesichts von mehr als eintausend Jahren muslimischer Präsenz in der Stadt im Untersuchungszeitraum der vorgelegten Baugeschichte Jerusalems eine empfindliche Lücke entsteht. Die mangelnde Kenntnis des Arabischen wird auch dafür verantwortlich sein, daß arabischsprachige Literatur nicht in die Bibliographie aufgenommen wurde. Angesichts von 13 im Vorwort genannten, z. T. promovierten Mitarbeitern an dem Projekt wäre zu erwarten gewesen, daß in dem Team auch ein Mitarbeter oder eine Mitarbeiterin Aufnahme gefunden hätte, um das arabischsprachige Material zu bearbeiten, was auch möglicherweise dazu geführt hätte, die unbegründete Zäsur des Jahres 1750 n. Chr. zu vermeiden, die wohl die bis in die Moderne hinein prägend wirkende spätottomanische Baugeschichte Jerusalems mit ihrer Fülle von Bauwerken ausklammern wollte.

Sind damit Bereiche genannt, in denen die Bibliographie zur Baugeschichte Jerusalems Lücken aufweist, so muß im selben Atemzug auf Stärken im Bereich der Baugeschichte christlicher Kirchen in byzantinischer und in der Kreuzfahrerzeit hingewiesen werden. Hier schlägt das Herz der Autoren und sie verweisen auf eine 800seitige Ausarbeitung zu diesem Thema, die zu einem späteren Zeitpunkt veröffentlicht werden sollte. Es wäre wünschenswert, wenn das zügig geschehen würde, da die bisherige Veröffentlichung der Autoren zu diesem Thema Wichtiges erwarten lassen. Weniger überzeugend dagegen ist die Behandlung der vorrömischen Epochen. Allzu oft ist nicht ausreichend erkennbar, nach welchen Kriterien die Autoren sich in strittigen Fällen für den Eintrag in die Karte entschieden haben. Aufgrund der Nachgrabungen von B. Pixner führen sie z.B. die vorexilische Befestigung des Südwesthügels bis in den Bereich unterhalb des Protestantischen Friedhofs auf der Linienführung der "Ersten Mauer" des Josephus aus hasmonäischer Zeit. Sie konstatieren selbst, daß die These, eine unterhalb des sogenannten "Essenertores" liegende Trockenmauer sei nicht Fundierung, sondern Rest einer eisenzeitlichen Stadtbefestigung, angesichts der fehlenden Veröffentlichung der Stratigraphie unsicher sei. Eine derartige Stratigraphie mit Aussagewert ist auch angesichts der Zerstörungen durch die Ausgrabungen von Bliss-Dickie kaum zu erwarten.

Vieles spricht dagegen, bislang kaum etwas dafür, daß eine eisenzeitliche Mauerführung den Südwesthügel vollständig eingeschlossen habe und durch das südliche Zentraltal verlaufend auf die Befestigung des Südosthügels gestoßen sei. Warum wird dann eine derartige Linienführung in die Karte eingezeichnet? Daß die Autoren in diesem Zusammenhang noch auf unbestätigte Nachrichten der Tageszeitung "Jerusalem Post" verweisen, muß als Entgleisung gewertet werden. Trotz aller akribischen Literatursammlung sind die Autoren dem Systemzwang erlegen, die Linienführung einer Stadtbefestigung in die Karte zeichnen zu müssen, deren Verlauf wir nicht kennen, von der wir nur sagen können, daß sie nördlicher als von den Autoren angegeben verlaufen ist.

Doch zunächst ist festzuhalten, daß die Autoren die gegenwärtig erschöpfendste Bibliographie zur Baugeschichte Jerusalems vorgelegt haben. Jeder, der sich mit der materialen Kultur dieser Stadt auseinandersetzt, wird sie als Hilfsmittel benutzen. Für die große Mühe, der sich alle Beteiligten unterzogen haben, um das dreibändige Werk zu erstellen, gebührt ihnen Dank. Wenn die Datei fortgesetzt werden könnte, möglicherweise auf elektronischer Basis, wäre das für die weitere Jerusalemforschung ein Gewinn.