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Ausgabe:

November/1997

Spalte:

1065–1067

Kategorie:

Systematische Theologie: Dogmatik

Autor/Hrsg.:

Torrance, Thomas F.

Titel/Untertitel:

Theological Science.

Verlag:

Edinburgh: Clark 1996. XXII, 368 S. 8°. Kart. £ 16.95. ISBN 0-567-08514-7.

Rezensent:

Udo Kern

Thomas F. Torrance ist emeritierter Professor für christliche Dogmatik an der Universität Edinburgh. Das anzuzeigende Buch erschien zuerst 1969 in Oxford. Es geht zurück auf die von T. 1959 in New York, Newton Center und Cambrigde/Massachusetts gehaltenen Hewett Lektures mit dem Titel "The Nature of Theology and Scientific Method". In der hier zu rezensierende Auflage von 1996 ist die relevante Literatur nach 1969 nicht eingearbeitet worden.

T.s Absicht ist es, überzeugend die Rationalität des theologischen Wissen zu explizieren. "Das Wissen (knowlegde) von Gott ist essentially a rational event" (11). Rationalität sei aber streng an Relationalität gebunden und nicht mit "self-rationality" zu verwechseln. Grundlegend für T.s Plädoyer der theologischen Rationalität ist dessen Definition von Rationalität überhaupt: "By rationality ... we do not mean something that lies in the reason itself, some sort of self-rationality ­ that is a very common error ­ but rather our ability to relate our thought and our action appropriately to objective intelligible realities. Reason ist our ability to recognize assent to what is beyond it (11). Auf diesen "objective ... realities" "beyond" us, auf dem relationalen Erkennen des uns "jenseitigen" Objekts liegt das Gewicht in T.s Definition der Rationalität (11). Theologisches Wissen unterscheide sich formal nicht von dem in "true knowledge or scientia" gebrauchten: "Das Wissen von Gott ist Wissen (knowledge) im eigentlichen Sinn des Wortes" (11). Theologie sei "fully rational" sowohl hinsichtlich des "conceptual understandig" als auch der "conceptual communication" (14). Unterschieden sei theologisches Wissen von anderem Wissen aber materialiter, d. h. in bezug auf ihr von anderem Wissen differentes Objekt.

In bezug auf unsere Wissenkonzepte müßten wir differenzieren zwischen geschlossenen Konzepten und offenen. "The way in which concepts are open is determined by what they are open toward" (16). Theologische Konzepte seien offene Wissenskonzepte, denn sie seien essentiell offen für ihren Gegenstand, ihr Objekt, also für Gott ("open toward God") (16). Theologisch gelte, daß nicht Gott problematisch geworden sei, sondern unsere Beziehungen zu Gott. Weil das so sei, benötigen wir eine "scientific theology" (IX). Theologie habe es also mit dem Wissen ihres Objektes Gott zu tun. Theologie entstünde in dem aktuellen Wissen des uns in Raum und Zeit in Jesus Christus begegnenden Gottes. Theologie sei "Hören auf a rational Word from beyond us" (30) und nicht Selbstexplikation des frommen Subjekts und seiner Befindlichkeiten. Um dieses Apriori wisse authentischer Glaube. Von Gott wüßten wir "in the giveness of faith" (28).

Wenn in der theologischen Rationalität von Gott als Objekt die Rede ist, dann müsse dieses in seiner theologischen Vorgängigkeit bedacht werden. Gott bleibt Gott, indem er sich zum Objekt theologischen Wissens macht. Es gilt die "absolute primacy of the Object ­ the Lord God Himself". In unserem Wissen von Ihm, bleibt er der Herr. Er kommt zuerst und bleibt zuerst, und "maintains His ascendency over all our knowing of Him". Hier nimmt uns das Objekt unter seinen Befehl (command) und führt unser wirkliches Sein und Existenz in Beziehung zu ihm ... Das Objekt ist uns im einzigartigen Sinn von Gegebenen (sense of given) gegeben (37). Das dem theologischen Wissen gegebene Objekt unterscheide sich von der Gegebenheit anderer Objekte in anderem wissenschaftlichen Wissen. Theologie sei die einzige Wissenschaft, die Gott gewidmet sei und diesem Gegenstand gemäß zu verfahren habe. Dieses theologische Objekt sei nicht natürlich gegeben, sondern nur durch die Gnade. Indem sich Gott als Objekt in unser Wissen begibt, bleibt er als Objekt das Subjekt. (Gott ist und bleibt Person.) Das Objekt theologischen Wissens ist nicht stummes Objekt, sondern "speaking Subject" (39). Das Objekt theologischen Wissens sei "the living, loving, acting God, God in His action toward us" und "engaged in purposive action ­ God fulfilling His creative and redeeming purposes", d. h. "wir können nicht wirklich um Gott wissen ohne sein versöhnendes und erneuerndes Sein in Jesus Christus", so daß "die Objektivität unseres theologischen Wissens unveränderlich soteriologisch" ausgelegt ist (40 f.).

Zu bedauern sei, daß viele kontinentale Theologen nicht wüßten, "what scientific objectivity really means", und einen hier untauglichen deskriptiven oder leeren Objektivismus verträten [296 Anm. 1].

Das Wissen Gottes in der Theologie bedeute nicht Minimierung unserer menschlichen rationalen Kraft und Macht, sondern es ist nüchternes und kritisches Urteilen in bezug auf unsere Möglichkeiten der Erkenntnis von Wirklichkeit. Dieses nüchterne Urteil werde der Theologie ermöglicht, wenn sie dem rationalen Wort Gottes (face to face mit ihm) gehorsam, diesem antwortend sei. Theologie sei so mehr als science. Theologie sei nur ein Teil der menschlichen Antwort zu Gott. Sie partizipiere am "ganzen Komplex der kirchlichen Antwort in worship and obedience and mission" (55). Weil aber Theologie Wissen von Gott in der Welt (in die sich Gott hinein objektiviert hat) sei, habe sie fundamentales Interesse am "natural science" (57). Als solche sei sie aber nicht natürliche Theologie. Natürliche Theologie führe eo ipso in den Gegensatz zum "natural science", da sie von den gleichen Prämissen wie diese startend ausginge, also von Prämissen, die in der Sicht rechter Theologie keine Theologisierung zuließen. Anders gesagt: Die natürliche Theologie sucht dort Gott, wo Gott nicht Gott ist, sondern mit Weltseiendem identifiziert werde.

Theologie und jede andere echte allgemein-wissenschaftliche Methode sei durch absoluten Respekt und Beugen vor dem ihr entsprechenden Objekt gekennzeichnet. Daraus ergebe sich der streng wissenschaftliche Charakter der jeweiligen Disziplin, also auch der Theologie. Theologie komme da das Prädikat wissenschaftlich zu, wenn sie rigoros, diszipliniert und methodisch rein auf ihr Objekt ausgerichtet sei. Wie allem echten wissenschaftlichen Arbeiten eigne auch der Theologie das Ausgerichtetsein auf Neues. Wissenschaftliches Fragen sei prinzipiell offen für neues Wissen. Bei allem müsse hier die Relation zum zentralen Punkt der gründenden Referenz gegeben sein, in der Theologie also auf Gott, wie er sich in Jesus Christus offenbart hat. Als wissenschaftliche Disziplin eigne der Theologie aber nicht nur das produktive Fragen, sondern auch die Erfahrung des ambivalent Problematischen.

Um der Objektivität Gottes in seiner Subjektivität entsprechen zu können, bedürfe es des Glaubens. Glauben ermögliche die Öffnung unserer Subjektivität "zur Subjektivtät Gottes durch seine (Gottes) Objektivität" (132). Das werde dem Glauben als christologisch fundierter ermöglicht. In Jesus Christus sei die Wahrheit Gottes in die Form unseres menschlichen Lebens übersetzt, in unsere menschliche Natur und Geschichte. T. betont, daß theologisches Erkennen der Wahrheit nichtsubstituierbar christologisch fundiert sei, da in Christi Gott- und Menschsein der fundamentale Konnex theologischen Wissens mit Innerweltlichem gegeben sei. Daran partizipiere der Mensch pneumatologisch. Das "scientific knowledge" und die rationale Aktivität der Theologie sei nur dann gegeben, wenn diese in strenger Konkordanz mit dem in Jesus Christus geoffenbarten göttlichen Wort stehe, das voll von Gnade und Wahrheit sei. Theologie könne nicht absehen von der Wahrheit in Jesus Christus.

Theologie hängt in ihrer Rationalität und Wissenschaftlichkeit daran, daß sie auf das in Jesus Christus offenbarte Wort Gottes hört. Indem auf dieses Wort gehört wird, ereigne sich die Dialogizität der Theologie, zugleich aber die ständig notwendige Korrektur der Theologie. Wir könnten nicht der Wahrheit Gottes befehlen, wir könnten auf sie warten. Die Annahme der Wahrheit Gottes durch den Menschen sei unbedingt mit aktuellem Engagement für die Wahrheit verbunden. Der theologische Weg unseres Denkens komme nicht aus uns selbst, sondern von Gott durch sein Wort. Theologie habe es mit Gott zu tun und damit dem Ganzen, nicht wie die anderen Wissenschaften mit Begrenztem, aber das unter Anwendung ganz normaler wissenschaftlichen Methoden. Theologie sei nicht Königin der besonderen Wissenschaften (wie das Mittelalter nach T. dachte), aber als rechte Theologie, d. h. auf ihren Gegenstand hörende, in der Lage, kritisch der Verabsolutierung und Ideologisierung besonderer Wissenschaften zu wehren. Zwischen Theologie und anderen Wissenschaften gebe es folgende "similarities" (vgl. 286 ff.):

1. Beide sind "human inquiry". 2. Beide haben "respect for the objectivity of facts" und "reference to the externally given reality". 3. Theologie und die andern Wissenschaften arbeiteten unvermeidlich mit "a preconceived metaphysics". Als authentische Wissenschaften seien beide in der Lage, jeweils neu die ihrem Gegenstand entsprechende Metaphysik zu entwerfen. 4. Beide kennen die Grenze wissenschaftlichen Arbeitens. 5. Beide haben es mit dem Problem der Diskrepanz zwischen wissenschaftlicher und Alltagssprache zu tun. ­ Auf Grund ihrer unterschiedlichen Objekte sei natürlich "essential difference between every special science" gegeben (295). Aber dessen ungeachtet gäbe es zwischen Theologie und den anderen Wissenschaft einen fundamentalen Unterschied: "All the other sciences deal with creaturely realities and only with aspects of being, whereas in theology we have to do also with the creative source of all being" (295), also mit Gott.

Die "scientific intention of theology" versteht diese "as rational, human inquiry into the knowledge of God" mit ihren eigenen Kategorien, Axiomen und Postulaten, gemäß ihrem theologischen Objekt. Dem habe die Dogmatik als "science of dogma" (345) zu entsprechen. Indem die Dogmatik ihre primäre Intention in der Korrelation mit dem göttlichen Objekt, d. h. dem sich selbst in Christus offenbaren Gott, hat, wird sie zur "höchst kritischen Wissenschaft" (352).

T.s fast 30 Jahre alte Arbeit liest man mit Interesse und Gewinn, auch dann, wenn man durchaus manches Problematische in ihr sieht. Schade ist es, daß in der Neuauflage von 1996 nicht auf den wissenschaftstheoretischen, theologischen und philosophischen Diskurs nach 1969 rekurriert wird. Das ist um so bedauerlicher, da es dem Vf. doch gerade darauf ankommt, Theologie im alltäglich-rationalen Wissenschaftsdiskurs von heute zu beheimaten. Auch kommt die kritische Infragestellung theologischer Ansätze zu kurz. T. hat ein wichtiges, die Theologie immer wieder bewegendes Thema, das der Wissenschaftlichkeit der Theologie im Rahmen des allgemeinen Wissenschaftsdiskurses, engagiert angesprochen.