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Ausgabe:

Mai/2008

Spalte:

565–567

Kategorie:

Praktische Theologie

Autor/Hrsg.:

Grillo, Andrea

Titel/Untertitel:

Einführung in die liturgische Theologie. Zur Theorie des Gottesdienstes und der christlichen Sakramente. Eingel. u. übers. v. M. Meyer-Blanck.

Verlag:

Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2006. 252 S. gr.8° = Arbeiten zur Pastoraltheologie, Liturgik und Hymnologie, 49. Kart. EUR 49,90. ISBN 978-3-525-62393-0.

Rezensent:

Jörg Neijenhuis

Dass man mit diesem Buch einen Einblick in die sehr interessante Diskussion um eine liturgische Theologie, wie sie in Italien geführt wird, erhalten kann, ist Michael Meyer-Blanck zu verdanken, der dieses Werk aus dem Italienischen ins Deutsche übersetzt und mit einer Einleitung versehen hat, die nicht nur in das Werk einleitet, sondern auch Hinweise zur Weiterarbeit unter bestimmten Fragestellungen bietet. Denn Andrea Grillo, der am Päpstlichen Liturgieinstitut San Anselmo in Rom und am Pastoralliturgischen Institut in Padua lehrt, setzt sich zwar vorrangig mit Entwicklung und Fragestellungen zur Liturgietheologie in Italien auseinander, die aber auch im deutschsprachigen Bereich relevant sind, nicht zuletzt deshalb, weil hier auch fundamentaltheologische Belange angesprochen werden. Zu­dem wird bei G. die Liturgische Bewegung, wie sie von Romano Guardini und Odo Casel beeinflusst worden ist und sich auf Italien ausgewirkt hat, ebenso beachtet wie auch Karl Barth, der erstaunlich oft zitiert wird. Eine von G. fertig ausformulierte liturgische Theologie darf man nicht erwarten, obgleich Konturen dafür erkennbar sind. Es geht ihm vielmehr um eine Auseinandersetzung mit Entwicklungen, Fragestellungen und um Antwortversuche auf diesem Gebiet, auf dem er selbst ein Akteur unter anderen ist. Insofern ist der Titel beim Wort zu nehmen: Er führt in die liturgische Theologie ein, indem er sich mit der Theorie des Gottesdienstes sowie der christlichen Sakramente auseinandersetzt.
G. möchte eine liturgische Theologie konzipieren, die von der Feier des Gottesdienstes als einem zelebrierten Geheimnis ausgeht. Dabei geht es ihm nicht um eine Gottesdiensttheologie, die als ein spezielles Gebiet neben vielen anderen Gebieten der Theologie zu begreifen ist, sondern es soll die Theologie als Ganze von der Feiergestalt her konzipiert werden. Das »zelebrierte Geheimnis« ist eine Quelle nicht nur christlicher Erfahrung, sondern auch theologischer Erkenntnis. So nimmt es nicht Wunder, dass das Denken G.s immer wieder um das Verhältnis von Theologie und Anthropologie und um Theologie und Ritus kreist.
Im ersten Kapitel legt G. methodische und inhaltliche Vorbemerkungen dar, die das Feld abstecken, auf dem er nun die Darstellungen der italienischen Diskussion um die Liturgietheologie vorträgt, sich damit auseinandersetzt, um abschließend »Liturgie« zu definieren: Liturgie ist ein rituelles Handeln, das das Heilsgeschehen feiert. Denn die rituelle Feiergestalt des Heilsgeschehens ist weder das Heilsgeschehen selbst noch als eine auf das Heilsgeschehen bezogene gleichförmige Existenz zu verstehen. So legt G. im zweiten bis fünften Kapitel ein Theoriemodell vor, das davon ausgeht, dass der Ritus die Voraussetzung der Theologie ist, aber als solcher seit der Aufklärung verdrängt wurde und nun am Ausgang der Moderne wieder reintegriert wird. Damit kann man aber nicht zu altkirchlichen oder mittelalterlichen Verhältnissen zurückkehren, wie so mancher Ansatz in der Liturgischen Bewegung es nahezulegen scheint, weil diese naive Selbstverständlichkeit im Ritus zu leben nicht wieder herzustellen ist.
Im sechsten Kapitel trägt G. Überlegungen zum neuen Wissenschaftszweig »Liturgische Theologie« vor und orientiert sich an den französischen Theologen, die die Liturgische Bewegung beeinflusst und geprägt haben, z. B. P. Guéranger (1805–1877), L. Beauduin (1873–1953) und R. Guardini. Im siebten Kapitel setzt er sich mit O. Casels Mysterientheologie kritisch auseinander. Das achte Kapitel ist dem italienischen Theologen S. Marsili gewidmet, der Casels Mysterientheologie aufnimmt. Marsili legt ein heilsgeschichtliches Verständnis der Liturgie dar und geht davon aus, dass die liturgische Theo­logie »theologia prima« ist. G. kritisiert, dass mit diesem Konzept wieder das menschliche Handeln gegenüber dem göttlichen als ir­relevant gekennzeichnet wird und somit dem Ritus Unverständnis entgegengebracht wird. Damit wird ein Verständnis von Liturgie vorgelegt, das den kultischen, rituellen und religiösen Kontext miss­achtet. Dann geht G. im neunten Kapitel auf die vermittelnde Position von C. Vagaggini ein. Vagaggini geht davon aus, dass die Liturgie der Theologie etwas geben kann, was die übrigen Offenbarungsquellen ihr nicht zu geben vermögen. Er schlägt aber nicht den Weg einer liturgischen Theologie, sondern den der theologischen Liturgie ein. Er will die Liturgie in das Ensemble der Theologie integrieren. Es ist folgerichtig, wenn G. sich im zehnten Kapitel mit den kirchenamtlichen Dokumenten zur Liturgie auseinandersetzt, da ja Vagaggini an der Ausarbeitung der Liturgiekonstitution des Zweiten Vatikanischen Konzils maßgeblich beteiligt war. So hat die Integration der Liturgiewissenschaft in den Fächerkanon der Theologie als eigenständige Disziplin in der Liturgiekonstitution ihren Ausdruck erhalten. Im elften Kapitel geht G. auf die Autoren G. Bonaccorso und P. Sequeri ein, die sich mit den ritualtheoretischen Fragestellungen auseinandersetzen und diese Überlegungen fundamentaltheologisch als ein unverzichtbares Element ansehen, wenn über die Bedingungen des Glaubens reflektiert wird.
Im zwölften und letzten Kapitel hält G. den Ertrag fest: Die li­turgische Theologie muss klären, welches Verhältnis sie zur Kultur und zu den anderen theologischen Disziplinen hat. Unter diesen Bedingungen postmoderner Zeit wird in der von G. so bezeichneten dritten Phase der Liturgischen Bewegung die liturgische Frage neu gestellt. Dabei kann nicht von dem abgesehen werden, was durch die rituelle Erfahrung als gegeben gelten muss. Das hat auch Auswirkungen auf das Verständnis von Offenbarung und Glaube. Ihr Verständnis kann nicht zufriedenstellend mit Blick auf die Konzipierung einer liturgischen Theologie formuliert werden, wenn nicht die Bedeutung der rituellen Erfahrung des Heilsereignisses veranschlagt wird.