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Ausgabe:

Mai/2008

Spalte:

553–555

Kategorie:

Systematische Theologie: Dogmatik

Autor/Hrsg.:

Simonis, Walter

Titel/Untertitel:

Die Kirche Christi. Ekklesiologie.

Verlag:

Düsseldorf: Patmos 2005. 180 S. 8°. Kart. EUR 24,90. ISBN 3-491-70384-0.

Rezensent:

Ulrich Kühn

Neben dem angegebenen Titel in dieser Rezension besprochen:

Simonis, Walter: Jesus Christus, wahrer Mensch und unser Herr. Christologie. Düsseldorf: Patmos 2004. 288 S. 8°. Kart. EUR 24,90. ISBN 3-491-70379-4.
Simonis, Walter: Lebenszeichen der Kirche. Sakramentenlehre. Düsseldorf: Patmos Verlag 2006. 209 S. 8°. Kart. EUR 24,90. ISBN 978-3-491-70398-8.
Simonis, Walter: Über Gott und die Welt. Gottes- und Schöpfungslehre. Düsseldorf: Patmos 2004. 292 S. 8°. Kart. EUR 24,90. ISBN 3-491-70375-1.


Diese vier dem Rezensenten vorliegenden Bände des Würzburger Dogmatikers stellen die Teile 2–5 eines dogmatischen Gesamtwerkes dar, dessen erster Band 2002 unter dem Titel »Auferstehung und ewiges Leben? Die wirkliche Entstehung des Osterglaubens« er­schienen war. Darin wird sichtbar, dass der Vf. die Darstellung des christlichen Glaubens mit der Eschatologie einsetzen lässt und mit der Lehre von den Sakramenten als den »konkreten Applizierungen der ›Osterwirklichkeit‹« (Die Kirche, 180), sozusagen in Rückbindung an den Anfang, zum Ziel führt.
Methodisch verzichtet der Vf. auf ein wirkliches Gespräch mit anderen dogmatischen Positionen. Die Bände sind ohne eine einzige Fußnote geschrieben und enthalten auch kein Literaturverzeichnis. Dogmengeschichtliche Tatbestände sind präsent, aber sie erschöpfen sich weithin in der Bezugnahme auf die altkirchlichen und die neueren katholischen Konzilien (Vaticanum I und Vaticanum II). Die reformatorische theologische Tradition kommt am ehesten in der Sakramentenlehre in den Blick, allerdings erscheint ein Hinweis auf Luther etwa in der Lehre von der Eucharistie nur in den Vorbemerkungen. Die neuere evangelische Theologie ist ebenfalls kaum präsent - der zweimalige Hinweis auf E. Käsemann (im Zusammenhang der Frage des historischen Jesus) kann das nicht ersetzen. Von der neueren katholischen Theologie wird mehrfach Karl Rahner erwähnt. Mitunter finden sich hingegen erstaunlich kritische Töne gegenüber der offiziellen römischen Lehre (so etwa in der Frage von Ordination und Amt: Sakramentenlehre, 155). Ein differenziertes Gespräch dürfte freilich auch nicht in der Absicht des Vf.s liegen, der vielmehr offensichtlich versucht, die Plausibilität des christlichen Glaubens zumal in apologetischer Hinsicht zu erschließen.
Die Gottes- und Schöpfungslehre will zwar keine »bloße« Gotteslehre bieten, sondern Gott aus seiner Beziehung zur Welt zu verste­hen suchen – auf dem Hintergrund des im Auferstehungsglauben erschlossenen »Jenseits«, das aber das Diesseits notwendig einschließt. Dennoch handeln zwei Drittel dieses Bandes von Gott (Trinität, Personalität, Freiheit, Allmacht – besonders ausführlich Väterlichkeit, Gottesbeweise), ehe dann in vier weiteren Kapiteln eine theologische Auslegung der ersten Kapitel der Bibel erfolgt.
Die Christologie beschäftigt sich im ersten Teil ausführlich mit der Frage nach dem historischen Jesus (einschließlich der Darstellung seines Lebens und seiner Lehre), im zweiten Teil mit der neutestamentlichen und der altkirchlichen Christologie, ehe im dritten Teil eine systematische Reflexion auf die Christologie von Chalcedon sowie eine Art Soteriologie unter dem Stichwort »Jesus Christus, Ursakrament« folgt.
Die Ekklesiologie ist nach einem ersten Teil »Allgemeine Ekklesiologie« der ausführlichen Erörterung der Implikationen der vier ekklesiologischen Attribute Apostolizität, Einheit, Heiligkeit und Katholizität gewidmet.
Die Sakramentenlehre – unter dem durchaus »katholischen«, an Rahner erinnernden Titel »Lebenszeichen der Kirche« – handelt nach­einander von den Sakramenten im Allgemeinen und dann von den sieben Sakramenten nach katholischer Zählung.
Aus dem umfangreichen Inhalt dieser vier Dogmatik-Bände, der hier natürlich nicht umfassend besprochen werden kann, seien lediglich ein paar Punkte erwähnt, bei denen der Rezensent sich ein »Notabene« an den Rand geschrieben hat.
1. »Glaubenwollen an ein Jenseits ist das eigentliche Stimulans der ganzen Schöpfungstheologie«, meint der Vf. (Gotteslehre, 22), der positive Sinn der Welt sei »erst ihre jenseitige Vollendung« (ebd.), das Diesseits ist durch »Vor-läufigkeit« gekennzeichnet (23). Abgesehen davon kann über die Welt nur das gesagt werden, was ohnehin jeder auch ohne Glauben weiß (17). Wird das der Einsicht gerecht, dass die Welt und ihre Güter für den Glaubenden Gabe Gottes, Anlass zum Staunen und zum Danken werden (vgl. die Schöpfungsaussage in Luthers Kleinem Katechismus)?
2. »Die ganze Trinitätslehre ist ein Abweg, ein Holzweg in der Geschichte der Kirche.« (ebd., 43) Es erstaunt, wie abfällig der Vf. über das Geheimnis des dreieinigen Gottes – also das gemeinsame Bekenntnis der Christenheit – urteilt, es als verfehlte Spekulation abtut und hier einen notwendigen Widerspruch zum Monothe­ismus sieht. Hier hätte man sich eine Auseinandersetzung mit anderen Positionen gewünscht.
3. Das Gleiche gilt für die These des Vf.s, dass Gen 3 nur »fälschlich« als »so genannte Sündenfallgeschichte« angesehen wird (ebd., 251), dass insbesondere Gen 3,5 positiv als die Eröffnung der ge­schichtlichen Freiheit des Menschen angesehen werden muss (259f.). Diese an I. Kant erinnernde Interpretation steht im Widerspruch zu den einschlägigen exegetischen Einsichten, und man hätte gern eine exegetische Gegenargumentation gelesen.
4. In der Christologie wird beim Ausgang vom Problem des »historischen Jesus« dieser »historische Jesus« gleichgesetzt mit dem vorösterlichen, irdischen Jesus. Nicht zuletzt Benedikt XVI. hat jüngst in seinem Jesusbuch gezeigt, dass das eine verkürzende Sicht ist. Hier wünschte man sich stärkere Differenzierungen. Stimmt es wirklich, dass der Christus des Glaubens »für den Glaubenden kein anderer ist als der historische Jesus von Nazareth« (Jesus Christus, 15)?
5. In der Interpretation von Chalcedon wird mitunter der Eindruck erweckt, als ob das Gottsein Jesu Christi im Prinzip nichts anderes sei als die Beziehung, in der jeder Mensch zu Gott steht (was an Schleiermachers These von der besonderen »Kräftigkeit« der Gottesbeziehung Jesu erinnert).
6. Das Kapitel über die Sakramentalität Jesu lässt die Frage offen, ob soteriologisch nicht auch über die Bedeutung des Todes Jesu und über die Rechtfertigung aus Glauben (ein zentrales katholisch-evangelisches Thema) gesprochen werden müsste. Eine Be­handlung der Rechtfertigungslehre (oder gar einen Bezug zur »Gemeinsamen Erklärung« von 1999) habe ich nicht gefunden.
7. Der Ekklesiologie-Band überrascht den evangelischen Leser u.a. mit der Aussage, dass der päpstliche Primat (im Unterschied zur Unfehlbarkeit) »kein formell definiertes Dogma« sei (Kirche, 76). Welchen dogmatischen Rang hat dann jener Kanon des I. Vaticanums, in welchem die Leugnung dieses Primats unter Anathema gestellt wird (DH 3064)? Bei der Erläuterung der päpstlichen Un­fehlbarkeit (ebd., 169 f.) bleiben die immer wieder geäußerten evangelischen Rückfragen, man hätte sich indessen auch eine Bezug­nahme zur innerkatholischen Diskussion gewünscht.
8. Erstaunen erregt auch die mariologische Aussage, das Dogma von 1854 habe nicht definiert, »nur Maria sei ohne Erbsünde empfangen worden« ( ebd., 179). Positiv sage diese Lehre, dass Maria von Anfang an in der Gnade Gottes lebte, was aber nach LG I,2 von allen Menschen gelte (180). Die 1854 noch vorausgesetzte Lehre von der Erbsünde als Geborenwerden in einem gnadenlosen Zustand sei indessen »heute hinfällig geworden« (179).
9. In der allgemeinen Sakramentenlehre wird dargelegt, dass alle Sakramente kirchlichen Ursprungs (wenn auch nicht rein kirchlich-horizontal, sondern von der Osterwirklichkeit her entstanden) sind und – wie auch die Kirche selbst – nicht von Jesus gestiftet­ sind (16). Der Versuch, einen konstitutiven Bezug zu Jesus festzuhalten, sei »unhaltbar, fatal und für die Kirche ruinös« (20). Ist dem Vf. bewusst, dass es eine fast jahrhundertelange Debatte um die Frage der Kontinuität zwischen Jesus und der nachösterlichen Christenheit gegeben hat, die hier doch zu differenzierteren Aussagen genötigt hätte?
10. Verwunderung erregt auch die Behauptung, es sei traditionelle katholische Lehre, dass der rechtliche »Ehevertragsabschluß« das »eigentliche Ehesakrament« sei (194).
Die vier Bände dieser katholischen Dogmatik enthalten für den evangelischen Leser manche Denkanstöße. Für die »ökumenische Perspektive« insbesondere der Sakramentenlehre (so deren hinterer Klappentext) hätte man sich allerdings eine differenziertere Kenntnisnahme des ökumenischen Gesprächsstandes gewünscht. An den Stellen, an denen der Vf. die ökumenisch gemeinsame Glaubenstradition in Frage stellt (Trinität, Erbsünde), wird man mit ihm durchaus streitbar gemeinsam weiterzudenken haben.