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Ausgabe:

Mai/2008

Spalte:

550–551

Kategorie:

Systematische Theologie: Dogmatik

Autor/Hrsg.:

Fackre, Gabriel

Titel/Untertitel:

Christology in Context.

Verlag:

Grand Rapids-Cambridge: Eerdmans 2006. XIII, 265 S. gr.8° = The Christian Story. A Pastoral Systematics, 4. Kart. US$ 24,00. ISBN 978-0-8028-6314-0.

Rezensent:

Matthias Zeindler

Neben dem angegebenen Titel in dieser Rezension besprochen:

Fackre, Gabriel: The Church. Signs of the Spirit and Signs of the Times. Grand Rapids-Cambridge: Eerdmans 2007. XVI, 185 S. gr.8° = The Christian Story. A Pastoral Systematics, 5. Kart. £ 12,99. ISBN 978-0-8028-3392-1.


Seit über 20 Jahren veröffentlicht F. in unregelmäßigen Abständen seine »Pastoral Systematics«. Nachdem er in früheren Bänden mit Methodik, Schrift und Offenbarung Themen der Prolegomena behandelt hat, widmet er sich in den nun vorgelegten der Christologie und der Ekklesiologie. Die beiden Untertitel der Reihe bezeichnen Adressaten und Anliegen des Projekts: Dogmatik soll hier narrativ, als »Story«, entfaltet werden, und ihr Zielpublikum sind die in der christlichen Gemeinde Tätigen, vorrangig Pfarrerinnen und Pfarrer. »Kirchliche Dogmatik« wird hier also geschrieben, welche weniger die akademische Diskussion vorantreiben als die theologische Tradition für Predigt, Katechese und Diakonie fruchtbar machen will. Dabei ist ein reformierter Theologe mit reicher pastoraler und universitärer Erfahrung sowie einer umfassenden Praxis in ökumenischen Dialogen am Werk.
Obwohl – oder weil – er seit über 30 Jahren in der Diskussion ist, bleibt der Begriff einer »narrativen Theologie« bis heute heterogen. F. versteht ihn im Sinne einer an der biblischen Story in ihrer Breite orientierten, dann freilich auch christologisch zentrierten Reflexion. »The church is where the Storyline is faithfully followed, where­ no chapter is left out; or in the genre of the theater, no act or scene is omitted« (Church, 80). Trotz der klaren Programmatik bilden die Bücher alles andere als einen geschlossenen Entwurf. Besonders für die Christologie gilt, dass sie Sammlung und nicht Summe ist. Das ist buchstäblich gemeint, sind doch in dem Band Beiträge aus mehr als drei Jahrzehnten zusammengestellt. Die Spuren der jeweiligen Zeit sind absichtlich nicht gelöscht, was die Kohärenz der einzelnen Texte vielleicht verstärkt, die des Ganzen aber massiv mindert. Dazu kommt, dass F. die klassischen Themen der Christologie – gottmenschliche Person, Werk Christi in seinen prophetischen, priesterlichen und königlichen Ämtern – bereits im ersten Band der Reihe abgehandelt hat. Für diesen Band verbleibt damit ein »Restprogramm« von religionstheologischen, ekklesiologischen und ökumenischen Fragen, die überaus spannend sind, aber noch einmal die Erwartung einer umfassenden Christologie enttäuschen.
Hält man sich den kirchlichen Praktiker als Adressaten vor Augen, bekommt der Fragenkatalog aber durchaus seine innere Logik. Eröffnet wird der Band durch ein Kapitel zur »Story of Christ in Our Pluralist World«, in welcher F. die Spannung des Satzes »Jesus Christ is the Savior of the World« (Christology, 11) für eine Theologie der Religionen fruchtbar zu machen versucht. Starke Aufmerksamkeit widmet F. sodann ekklesiologischen Folgerungen aus der Christologie. Hier versucht er, eine evangelische Unterbestimmung der Kirche für das Heilsgeschehen zu korrigieren, wobei er – für europäische Lesende besonders aufschlussreich – stark auf die »Mercersburg theology« des 19. Jh.s (John Williamson Nevin, Philipp Schaff) mit ihrer Individualismus- und Spaltungskritik abstellt. Wieder vorrangig auf Gemeindebedürfnisse antwortet ein Kapitel über Engel, während das Kapitel über die bleibende Verheißung an Israel ein genuin reformiertes Anliegen zur Geltung bringt. Mit Interesse liest man F.s ausführliche Stellungnahme zur »Gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigungslehre« aus reformierter Perspektive. F. hebt dabei die objektive Interpretation ans Licht, welche die Rechtfertigungslehre bei Calvin und Barth erfahren hat, und unterstreicht, dass »a Reformed reading of justification will press for its ›world-formative‹ outworking« (Christology, 162).
Stärker aus einem Guss als die Christologie ist der zweite hier vor­zustellende Band, »The Church«. Darin zeigt sich mit besonderer Deutlichkeit F.s Bemühen um eine Vermittlung der theologischen Tradition mit einer ob aller Gegenwartsorientierung von Oberflächlichkeit bedrohten kirchlichen Praxis – eine auch in Eu­ropa nicht zu leugnende Problematik. Der kirchliche Kontext ist un­übersehbar derjenige der durch erheblichen Mitgliederschwund verunsicherten mainline churches in den USA, wie die Schlussfrage des Buches zeigt: »Dare we hope for a new birth of the mainline churches« (Church, 177).
F.s theologische Reflexionen gehen über diesen Kontext allerdings deutlich hinaus. Leitend für das analytische Unternehmen einer Bestandsaufnahme gegenwärtiger kirchlicher Wirklichkeit wie auch für das systematische Ansinnen, diese Wirklichkeit ekklesiologisch zu kritisieren und voranzubringen, ist der Be­zug auf die vier Zeichen der Kirche kerygma, leitourgia, diakonia und koinonia. Gut reformatorisch hat dabei die Verkündigung als das die christliche Gemeinde konstituierende Geschehen den grund­sätzlichen Vorrang. »Where the Word is preached, the Body of Christ takes form in the world« (Church, 4). Ebenso gut reformiert akzentuiert aber F. immer wieder die notwendige Sichtbarkeit der Kirche. Das Ensemble der vier Zeichen hat bei ihm nicht zuletzt eine kriteriologische Funktion, vermag Kirche doch nur dort Kirche zu sein, wo sie in ihrem Leben alle vier Dimensionen realisiert. Wobei für F. jede der vier Dimensionen ihre Innen- und ihre Außenseite, ihren Gemeinde- und ihren Weltbezug hat.
Auch in diesem Band zeigt sich der engagierte Ökumeniker. Wichtige Referenztexte sind für die Ekklesiologie die Faith-and-Order-Studie »The Nature and Purpose of the Church« von 1998, für die Entfaltung von Taufe und Abendmahl die Konvergenzerklärung »Taufe, Eucharistie und Amt«. In seiner Diskussion des Amtes anerkennt F. die Unverzichtbarkeit eines für die Verkündigung verantwortlichen Dienstes, er fragt auch offen nach der Notwendigkeit eines – durch den Bischof von Rom wahrgenommenen – Einheitsamtes, um dann aber doch an den zwei reformatorischen notae ecclesiae Wort und Sakrament festzuhalten.
F.s Bücher nehmen in eindrücklicher Weise eine Aufgabe wahr, die auch auf unserem Kontinent zunehmend als Desiderat erkannt wird: Das Auseinanderfallen von theologischer Lehre und kirchlicher Praxis zu vermeiden. Bei dieser Zielsetzung tritt die dogmatische Innovation automatisch in den Hintergrund. Dafür hat man hier ein Beispiel dafür vor sich, wie im Entfalten und Diskutieren einer reichen theologischen Tradition zwanglos deren Relevanz für die gegenwärtige Kirche evident wird.