Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

Mai/2008

Spalte:

507–509

Kategorie:

Bibelwissenschaft

Autor/Hrsg.:

McGinnis, Claire Mathews, and Patricia K. Tull [Eds.]

Titel/Untertitel:

»As Those Who Are Taught«. The Interpretation of Isaiah from the LXX to the SBL.

Verlag:

Atlanta: Society of Biblical Literature. XII, 342 S. gr.8° = Society of Biblical Literature. Symposium Series, 27. Kart. US$ 22,90. ISBN 978-1-58983-103-2.

Rezensent:

Peter Höffken

Dieser Sammelband umfasst 15 Beiträge zur Auslegung des Jesajabuchs und die meisten gehen wohl zurück auf Vorträge, die in den Kontext des Seminars »Formation of the Book of Isaiah« bei der Society for Biblical Literature gehören, das dort seit längerer Zeit (seit 1990) etabliert ist und Beiträge der Mitarbeiter in der Reihe »Society of Biblical Literature Seminar Papers« veröffentlicht. Die beiden Herausgeberinnen, die beide wichtige Beiträge zur neueren Jesajabuchinterpretation lieferten (unter den früheren Namen C. Mathews bzw. P. K. Willey), geben einleitend einen Überblick über Sinn und Zweck des Unternehmens (»Remembering the Former Things: The History of Interpretation and Critical Scholarship«, 1–27). Insofern stellt dieser Beitrag eine grundsätzliche Einleitung und Orientierung für die folgenden Beiträge dar. Er stellt gegebenenfalls auch einen Rahmen her, der durch die Einzelbeiträge Unbedachtes beibringt. Auch bietet der Beitrag gute Hinweise auf Literatur zur neueren und neuesten Auseinandersetzung mit der Rezeption und Deutung des Jesaja-Buches, vor allem in den USA. Das positive Urteil gilt auch dann, wenn die Ausführungen etwas spröde sind, oder wenn sie etwa die in dem Jesajaseminar oder an­derswo vorgetragenen Vorläufer der teilweise nun wieder veröffentlichten, mehr oder minder stark modifizierten Beiträge betreffen. Insgesamt sind freilich Modifikationen der Texte in dieser Edition wenig ausgeprägt, was allerdings ein Ergebnis kursorischer Vergleiche ist.
Im Einzelnen liegen folgende Beiträge vor: zwei aus dem Bereich der Jesaja-Septuaginta: D. A. Baer, »It’s All about Us!«: Nationalistic Exegesis in the Greek Isaiah (Chapters 1–12), 29–47, und A. van der Kooij, Interpretations of the Book of Isaiah in the Septuagint and in Other Ancient Versions, 49–68 (der Beitrag geht vor allem auf die Frage »Stadt/Städte« in Jes 24–27 ein und erweitert die Perspektive um Targum und Vulgata); ein Beitrag ist Qumran gewidmet: G. J. Brooke, On Isaiah at Qumran, 69–85. Drei Aufsätze widmen sich Fragen des Neuen Testaments: J. R. Wagner, Moses and Isaiah in Concert: Paul’s Reading of Isaiah and Deuteronomy in the Letter to the Romans, 87–105; C. H. Williams, The Testimony of Isaiah and Johannine Christology, 107–124; J. Fekkes III, Isaiah and the Book of Revelation: John the Prophet as a Fourth Isaiah?, 125–143. Ein Beitrag geht auf patristische Fragen ein: J. D. Cassel, Patristic Interpretation of Isaiah, 145–169. Zwei Aufsätze gelten mittelalterlichem Judentum: R. A. Harris, Structure and Composition in Isaiah 1–12: A Twelfth-Century Northern French Rabbinic Perspective, 171–187 (mit besonderem Akzent auf Joseph Kara und Eliezer von Beaugency); A. Cooper, Servant and Job: A View from the Sixteenth Century, 189–200 (Eliezer Aschkenazy, der den Gottesknecht von Jes 53 mit Hiob identifizierte und insofern Vorläufer der mit B. Duhm einsetzenden Identifizierungsversuche ist). Zu Calvin findet sich ein Beitrag von A. P. Pauw, »Becoming a Part of Israel«: John Calvin’s Exegesis of Isaiah, 201–221. G. Stansell arbeitet über den Einfluss von R. Lowth auf die Prophetenexegese: The Poet’s Prophet. Bishop Robert Lowth’s Eighteenth Century Commentary on Isaiah, 223–242, wo­bei auch die Aufnahme von Lowths Kommentar in Deutschland thematisiert wird. M. A. Sweeney, On the Road to Duhm: Isaiah in Nineteenth-Century Critical Scholarship, 243–261, beschreibt die deutschen Vorgänger von J. G. Eichhorn bis A. Dillmann, die zu Duhms Lösungsversuch hinführten. R. F. Melugin, Form Criticism, Rhetorical Criticism, and Beyond in Isaiah, 263–278, geht auf die Entwicklungen nach Duhm ein, was den Umgang mit der literarischen Ebene in Formgeschichte und »rhetorical criticism« des Buches betrifft. Hier finden sich auch gute Bemerkungen zum Einfluss des »rhetorical criticism« nach J. Muilenberg auf C. Westermann (269 ff.). Endlich versucht P. K. Tull, One Book, Many Voices: Conceiving of Isaiah’s Polyphonic Message, 279–314, eine Zusam­menfassung der neueren Diskussion zu Einheit und Vielfalt des Buches Jesaja, wobei sie für eine Vielschichtigkeit des Jesaja-Buches optiert. – Anzumerken ist noch, dass jeder Beitrag mit einer Auswahlbibliographie endet, Kurzbibliographien also, die durchgängig glücklich gestaltet zu sein scheinen. Die gängigen Indizes be­schließen den Sammelband: antike Quellen (317 f.), Schriftstellen (319–334) sowie Autoren- bzw. Personenindex (335–342).
Die Auflistung zeigt nun doch ein Ungleichgewicht der Interessennahme: So bleibt das christliche Mittelalter randständig. Auch über die Reformationszeit, aber ebenfalls über das (rabbinische) Judentum, hätte man gern mehr gelesen. Für die Reformationszeit gilt dies trotz der interessanten Bemerkungen von Pauw (207–215) zum zeitgenössischen exegetischen Kontext Calvins. Auf der anderen Seite sind manche Artikel etwas seitenlastig: Brookes Artikel über Jesaja in Qumran ist einfach zu sehr auf 1QJesa und W. H. Brownlees einschlägige Thesen zu dieser Handschrift abgestimmt, um wirklich für Jesaja in Qumran instruktiv genug zu sein. Das schließt ein, dass auch zu anderen Aspekten des Themas neue Einsichten formuliert werden. Entsprechendes gilt für Cassels Beitrag zur patristischen Auslegung von Jesaja. Er ist viel zu sehr auf ein spezielles Thema (nämlich Kyrill von Alexandrien und sein Jesaja-Kommentar) aus diesem weiten Bereich bezogen. So kommt anderes schlicht zu kurz. Hier scheinen mir die neutestamentlichen Beiträge insgesamt viel instruktiver, weil breiter angelegt, zu sein. Und: aus dem Schlussbeitrag von Tull kann man über die neuere Beschäftigung mit »Jesaja« und vor allem mit dem Jesaja-Buch eine Menge lernen.
Insofern ist das Schlussurteil etwas gespalten. Manches gefällt gut, anderes weniger. Für die frühe Auslegung des Jesajabuches bei Juden und Christen bleibt der Leser auf ergänzende Literatur angewiesen, die Informationslücken zu beheben vermag, vor allem auf den zweiten Band des von C. C. Broyles, C. A. Evans (Hrsg.) edierten Sammelwerkes, Writing and Reading the Scroll of Isaiah, Leiden u. a. 1997.
Wer indes an sehr speziellen Formen der Jesaja-Deutung interessiert ist, kann sich an den hier versammelten Beiträgen durchaus erfreuen – und Kenntnisse darüber gewinnen. Aber auch dann bleibt der Untertitel des Buches doch ziemlich irreführend. So oder so kann man den Herausgeberinnen nur teilweise zustimmen, wenn sie das Buch als eine Art »starting point« (3) für künftige Arbeit an der Jesaja-Auslegung verstehen wollen. Denn von einem solchen »starting point« kann man nun wahrhaftig nicht sprechen– von der Jesaja-Rezeption und -Auslegung ist schließlich seit Langem die Rede.