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Ausgabe:

Mai/2008

Spalte:

502–503

Kategorie:

Religionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Frenschkowski, Marco

Titel/Untertitel:

Literaturführer Theologie und Religionswissenschaft. Bücher und Internetanschriften.

Verlag:

Paderborn-München-Wien-Zürich: Schöningh 2004. 383 S. kl.8° = UTB 2405. Kart. EUR 16,90. ISBN 3-506-99520-0 (Schöningh); 3-8252-2405-8 (UTB).

Rezensent:

Andreas Feldtkeller

Anliegen des Literaturführers ist es, Studierende der Theologie und Religionswissenschaft vor den Regalen einer größeren Bibliothek ihres Faches zu den Büchern zu führen, die sie während ihres Studiums in die Hand genommen, kennen gelernt und teilweise auch gelesen haben sollten. Dabei ist das Werk technisch so aufbereitet, dass es nicht als bibliographisches Nachschlagewerk verwendet werden kann und will, sondern die Benutzenden sind um ein Durcharbeiten des ganzen Buchs gebeten: Was bereits an früherer Stelle gesagt wurde, wird nicht wiederholt und nur in Ausnahmefällen mit einem Verweis versehen, wenn es im weiteren Verlauf noch einmal relevant wird.
Das Konzept als solches ist überzeugend. Wo es von Anfang an konsequent angewandt wird, kann es wesentlich dazu beitragen, ein Studium effizienter zu gestalten und die Schwellenangst vor der Bibliothek rechtzeitig abzubauen. Die Schwierigkeit des Projekts liegt jedoch darin, dass kein einzelner Autor für alle hier angesprochenen Teilgebiete der Theologie und Religionswissenschaft gleichmäßig gründlich ausgebildet ist. Ich habe großen Respekt davor, wie kenntnisreich das Buch insgesamt aufbereitet ist, hätte es selbst längst nicht so gut gekonnt und vermag doch in den Bereichen, die ich am besten überblicke, zu beurteilen, dass die Qualität der Darstellung sich auf beträchtlich unterschiedlichem Niveau bewegt.
Exzellent ist etwa das Kapitel zum Neuen Testament, wo der Vf. sich in seinem eigenen Fach bewegt und immer wieder in komplexen Überlegungen die Vor- und Nachteile von einer ganzen Reihe zuvor einzeln vorgestellter Werke gegeneinander abwägt. Durch dieses Verfahren sind die Benutzenden optimal angeleitet, die für sie am besten geeigneten Bücher herauszufinden. Im Bereich der Religionswissenschaft ist eindrucksvoll die Auflistung und Kommentierung von 48 klassischen Werken aus der Forschungsgeschichte des 19. und 20. Jh.s (63–70). Dabei fällt jedoch auf, dass die Hauptwerke der Religionsphänomenologie durchweg unkommentiert bleiben. Wer die Gebrauchsanleitung des Literaturführers befolgt und sich von vorne nach hinten durcharbeitet, wird sich daran erinnern, dass im vorangehenden Abschnitt auf die grundlegenden Werke zur Diskussion um die Religionsphänomenologie verwiesen worden war. Dennoch wäre eine kurze eigene Stellungnahme des Vf.s zu den Klassikern der Religionsphänomenologie von Interesse gewesen für Studierende, die sich in die strittigen Punkte neu einarbeiten müssen.
Am Abschnitt »Religionsgeschichte: ausgewählte Themenfelder und einzelne Religionen« (71–96) irritiert etwas, dass hier die me­tho­dischen Zugriffe der Religionssoziologie und Religionspsychologie auf der gleichen Ebene verhandelt werden wie die inhaltlichen Themenfelder »Mythologie«, »Apokalyptik« und »Fundamentalismus«. Zum Islam wird eingangs hervorgehoben, dass »ohne eine ausführliche und differenzierte Kenntnis« des Islam ein seriöses Studium der Theologie nicht mehr möglich sei. Die Qualität dessen, was folgt, scheint mir diesen Anspruch jedoch nur bedingt einzulösen: Die aufgelistete Literatur bleibt weitgehend unkommentiert und ist nicht in der Weise durchdrungen, wie es sonst über weite Strecken den Wert des Literaturführers ausmacht. Einer von wenigen Kommentaren betrifft die im Verhältnis zum Original sehr knappe Reclam-Auswahlausgabe der Hadith-Sammlung von al-Bukhari in deutscher Übersetzung. Der Vf. empfiehlt die Texte, die »lebendiger und einprägsamer« seien als der Koran, als »exzellenten Zugang zur Person und zum Auftreten Mohammeds«, ohne jedoch das Problem der historischen Zuverlässigkeit von Hadith-Sammlungen zu benennen und die Textauswahl des Reclam-Bändchens unter die Lupe zu nehmen. Damit redet er letztlich einer vorwissenschaftlichen Rezeption des Islam auf der Basis von Florilegien das Wort, die für ein Studium der Theologie oder Religionswissenschaft gerade nicht ausreicht.
Fazit: Das Projekt ist wegweisend. Eine zweite Auflage, in der die einzelnen Abschnitte jeweils von Fachvertretern durchgesehen werden, könnte das hohe Potential der Idee noch besser ausschöpfen. Die vorliegende Fassung ist für Theologiestudierende mit einem Hinweis auf die unterschiedliche Qualität durchaus zu empfehlen; für Studierende der Religionswissenschaft erscheint sie mir weniger geeignet.