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Ausgabe:

Mai/2008

Spalte:

493–495

Kategorie:

Allgemeines

Autor/Hrsg.:

[Koch, Klaus]

Titel/Untertitel:

Der Gott Israels und die Götter des Orients. Religionsgeschichtliche Studien II. Zum 80. Geburtstag von Klaus Koch. Hrsg. v. F. Hartenstein u. M. Rösel.

Verlag:

Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2007. 362 S. gr.8° = Forschungen zur Religion und Literatur des Alten und Neuen Testaments, 216. Geb. EUR 79,90. ISBN 978-3-525-53079-5.

Rezensent:

Manfred Weippert

Zum 60. Geburtstag von Klaus Koch erschien vor knapp 20 Jahren, herausgegeben von Eckart Otto, der Sammelband Studien zur alttes­tamentlichen und altorientalischen Religionsgeschichte (Göttingen 1988) mit Aufsätzen des Jubilars aus den Jahren 1962–1984. Das hier anzuzeigende Werk, eine Festgabe zu K.s 80. Geburtstag (4. Oktober 2006), bildet gleichsam den zweiten Band jener Publikation (daher der Untertitel); es enthält zehn Artikel, die zwischen 1988 und 2004 meist in Festschriften und anderen Sammlungen erschienen sind, dazu einen bisher unveröffentlichten. Nimmt man die vier Bände Gesammelter Aufsätze (Neukirchen-Vluyn 1991–2003) hinzu, liegt nun ein bedeutender Teil der opera minora K.s in thematisch geordneten Neueditionen vor. Dies erleichtert den Zugang vor allem zu Arbeiten, die nicht in den gängigen theologischen, alttestamentlichen oder orientalistischen Zeitschriften, sondern in nicht immer leicht auffindbaren Sammelpublikationen aller Art erschienen sind, und erlaubt darüber hinaus, K.s wichtige – des Öfteren auch kontroverse – Beiträge zu einer Reihe von Forschungsbereichen im Zusammenhang zur Kenntnis zu nehmen.
Es ist nicht sinnvoll und auch nicht möglich, die in dem Band enthaltenen Aufsätze detailliert zu besprechen, zumal die im un­veränderten Neudruck gebotenen bereits in die wissenschaftliche Diskussion eingegangen sind und die bisher unveröffentlichte Arbeit, die die Sammlung eröffnet, die Essenz früherer Publikationen K.s unter einem speziellen Gesichtspunkt zusammenführt. Die Artikel werden daher im Folgenden, sachlich geordnet, mit ihren Titeln und Erscheinungsjahren aufgelistet; zu einem der Themen nehme ich kurz Stellung.
Das den Band dominierende Thema ist das des Monotheismus, den K. als »die Konzentration auf die Verehrung einer einzigen personhaften Gottheit« definiert (11) – »Konzentration« deshalb, weil in den sich als monotheistisch verstehenden Religionen in Theorie und Praxis auch andere Wesen der jenseitigen Welt (Engel, Heilige, selbst der Satan) neben dem Einen eine untergeordnete Rolle spielen. Die Entstehung und Ausgestaltung des israelitischen Monotheismus wird aus verschiedenen Blickwinkeln in folgenden Aufsätzen behandelt: »Jahwäs Übersiedlung vom Wüstenberg nach Kanaan: Zur Herkunft von Israels Gottesverständnis« (1998; 171–209); »Israel im Orient« (1999; 263–293); »Monotheismus und politische Theologie bei einem israelitischen Profeten im babylonischen Exil« (2003; 294–320); »Vom Mythos zum Monotheismus im alten Israel« (2004; 321–356), schließlich in »Der hebräische Gott und die Gotteserfahrungen der Nachbarvölker: Inklusiver und exklusiver Monotheismus im Alten Testament« (bisher unveröffentlicht; 9–41). In diesen Kontext gehört auch der Aufsatz »Aschera als Himmelskönigin in Jerusalem« (1988; 42–71). Er sollte mit dem Artikel »Gefüge und Herkunft des Berichts über die Kultreformen des Königs Josia: Zugleich ein Beitrag zur Bestimmung hebräischer ›Tem­pora‹« (1992; 72–85) zusammengenommen werden, eine Revision des Abschnitts des »Aschera«-Aufsatzes über die Darstellung der josianischen Reform in den Königsbüchern (2Kön 22 f.).
Die übrigen vier Aufsätze beschäftigen sich mit Einzelfragen der westsemitischen Religion im 2. und 1. Jt. v. Chr. einschließlich der israelitischen: »Ḫazzi-Ṣafôn-Kasion: Die Geschich­te eines Berges und seiner Gottheiten« (1998; 119–170); »Molek astral« (1999; 241–262); »Wind und Zeit als Konstituenten des Kosmos in phönikischer Mythologie und spätalttestamentlichen Texten« (1993; 86–118), und »Ṣädäq und Macat: Konnektive Gerechtigkeit in Israel und Ägypten« (1998; 210–240).
Alle in diesem Band enthaltenen Arbeiten sind sehr materialreich, eigenständig, kritisch gegenüber bestimmten, in der Wissenschaft üblichen Vorstellungen und Methoden, insbesondere der sog. Literarkritik, und zeugen vom weiten Horizont K.s, dessen Blick den gesamten Alten Orient einschließlich Ägyptens, Kleinasiens, Irans und Griechenlands umgreift, ohne aber Israel je aus den Augen zu verlieren. Wichtig ist ihm schon seit Langem (vgl. seinen Aufsatz »Der Tod des Religionsstifters«, KuD 8 [1962], 100–123 = Studien zur alttestamentlichen und altorientalischen Religionsgeschichte [s. o.], 32–60), dass die israelitische Religion sich nicht in einem hermetisch abgeschlossenen Raum, sondern in ständigem Kontakt mit den anderen Religionen des antiken Orients entwi­ckelt hat. Nach K. ist der Versuch, die im Alten Testament reflektierte Religion Israels ihrer Welt zurückzugeben, nicht nur von antiquarischem, sondern auch von eminent theologischem Interesse.
Bei aller grundsätzlichen Zustimmung bleiben auch mancherlei Divergenzen. Leider kann ich nur kurz auf einen Themenkreis, die Herkunft und das ursprüngliche Wesen Jahwes, eingehen.
Nach K. ist Jahwe, der in den Texten des 2. Jt.s v. Chr. nirgends belegt ist, ur­sprünglich ein nichtkanaanäischer Gott, der seinen Wohnsitz auf einem Berg in den Wüstenregionen südlich von Palästina oder Transjordanien (nach der Überlieferung: dem Sinai) hatte. Er sei von einer Gruppe von Flüchtlingen aus Ägypten, die bereits dort oder auf ihrem Exodus seine hilfreiche Macht erfahren und sich daraufhin in einem blutigen Ritual als sein cam (Gefolgschaft) konstituiert habe, dem werdenden Stämmebund Israel in Kanaan (Palästina) vermittelt worden. Dort habe man ihn einem kanaanäischen Pantheion angeschlossen und damit zunächst dem höchsten Gott El unterstellt; doch sei er an bestimmten Heiligtümern mehr und mehr mit El gleichgesetzt worden. Durch die Identifikation mit *’Ệl bacal bǝrīt »El, dem Herrn des Bundes« (überzeugende Rekonstruktion auf Grund von Ri 8,33; 9,4.46) in Sichem hätte die Bundesidee größeres Gewicht erhalten und in der Folge monolatrische Tendenzen ausgelöst. In der Königszeit seien dann in Jerusalem Eigenschaften des jebusitischen El als cElyōn (»Höchster«) und des »Wettergottes« Baal auf Jahwe übertragen, der Zion, der Berg des Tempels Jahwes, mit dem kanaanä-ischen Götterberg Zaphon in Verbindung gebracht worden. Aus dieser aus Raumgründen mehr als mageren Skizze geht hervor, dass K. die Hypothesen, Jahwe sei von Hause aus eine Erscheinungs- oder Kultform des Götterkönigs El oder aber ein »Wettergott« gewesen, entschieden ablehnt. Hin­sichtlich Els kann ich K. nur zustimmen; seine Argumentation S. 181–183 (vgl. auch 13–20) ist schlüssig. Die Alternative halte ich hingegen für richtig (s. Jahwe und die anderen Götter [FAT 18], Tübingen 1997, 43 [1977] und 16 f. [1990], und E. A. Knauf, Yahwe, VT 34 [1984], 467–472), das Theonym *Yahwē für ein deskriptives Epitheton des »Wettergottes«, also vielleicht Hadads. Es ist nach Bildungsweise und Etymologie nicht »kanaanäisch« (hebräisch), sondern weist in das südöstliche Ostjordanland oder gar den Ḥeˇgāz. Die imperfektische Verbalform wurde substantiviert und als Eigenname verselbständigt wie auch andere ähnlich gebildete Namen, etwa die im Qur’ān (71,23) genannten Yaġūṯu »Er-hilft« oder Yacūqu »Er-schützt«. Seine sprachliche Herkunft verbindet den Namen Yahwē mit dem des edomitischen »National«gottes Qaus/Qōs (belegt seit der 2. Hälfte des 8. Jh.s v. Chr.), der von arab. qaus- »Bogen« kaum zu trennen ist und vielleicht ur­sprünglich der verselbständigte Bogen des »Wettergottes« war. Wie der Name Yahwē nach Kanaan kam, ist ein Problem, das hier offen bleiben muss. Doch auch das von K. angenommene hohe Alter der Bundesvorstellung erscheint problematisch. Die These beruht wesentlich auf den Gottesbezeichnungen *’Ệl bacal bǝrīt (Sichem; s. o.) ’Il brt (Ugarit; KTU 1.128,14 f.). Letztere wäre ein Beleg für den Begriff *’Ệl bacal bǝrīt in religiösem Kontext und einen »El des Bundes« bereits gegen Ende des 2. Jt.s. Doch ist die Stelle anders aufzufassen. Die folgenden Wörter in Z. 16, ỉl . dn . škl »der Adjudant/Bote (šukalli) Els« zeigen nämlich, dass es sich bei ’Ilbrt (so zu schreiben) um den Gott Ilabrat handelt, der in Mesopotamien der šukallu des höchs­ten Gottes Anu(m) ist. (ỉl . dn ist nicht sem. »El des Gerichts«, sondern hurr. *iledan »von El her«, d. h. Ablativ von ỉl mit graphisch abgetrennter Kasusendung.)
Abschließend sei noch ein Detail hervorgehoben, das nicht nur theo­logisch, sondern auch politisch von Bedeutung ist. Mehrfach weist K. darauf hin, dass das Alte Testament nicht eine zwei-, sondern eine dreifache Nachgeschichte hat (9 f.36–38.314). Sollte diese Sicht entgegen der aktuellen Islamophobie eines Tages allgemein werden, wäre zurückgewonnen, was Lessings Nathan (3. Akt 7. Auftritt) bereits im Jahr 1779 wusste, aber allzu lange vergessen war.
Michael S. Moore schreibt in einer Besprechung (RBL 9/2007), dass das Buch »conveys the depth of Koch’s erudition, complexity, wisdom, and passion for the Old Testament. Readers can and should be critical of the conclusions and methods in this volume, but it is difficult to be critical of its intentions.« Dem ist nichts hinzuzufügen.