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Ausgabe:

April/2008

Spalte:

451–454

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

Autor/Hrsg.:

Haunerland, Winfried [Hrsg.]

Titel/Untertitel:

Mehr als Brot und Wein. Theologische Kontexte der Eucharistie.

Verlag:

Würzburg: Echter 2005. 299 S. 8°. Kart. EUR 17,80. ISBN 3-429-02699-7.

Rezensent:

Jörg Neijenhuis

Neben dem angegebenen Titel in dieser Rezension besprochen:

Lies, Lothar: Mysterium fidei. Annäherungen an das Geheimnis der Eucharistie. Würzburg: Echter 2005. 335 S. 8°. Kart. EUR 29,80. ISBN 3-429-02745-4.


Diese beiden Bücher, die aus unterschiedlichen Blickwinkeln die Eucharistie bedenken, greifen eine Initiative von Papst Johannes Paul II. auf, der in seinem Apostolischen Schreiben Mane Nobiscum Domine vom 7. Oktober 2004 ein Jahr der Eucharistie ausgerufen hatte. Lothar Lies erörtert von grundsätzlichen dogmatischen Überlegungen aus das Geheimnis der Eucharistie und kommt dann auf viele Einzelaspekte zu sprechen, seien sie liturgischer, spiritueller oder ökumenischer Natur. Die Ringvorlesung, die Haunerland ediert hat, widmet sich zahlreichen Einzelfragen, die aus den unterschiedlichen Fachbereichen theologischer Wissenschaft kommen, und weist auch auf den Kontext von Eucharistie hin.
Lothar Lies legt seine zahlreichen Aufsätze zur Eucharistie aus den Jahren 1978 bis 2004 hier in einem Band vor und ordnet sie in drei Teile: 1. Sinngestalt und theologische Ortung, 2. ökumenische und 3. kultisch-spirituelle Aspekte der Eucharistie. Aus den ökumenischen Aspekten ist hervorzuheben, dass Lies sich auf dem Hintergrund der Reformation und des Trienter Konzils mit dem Sühnopfergedanken befasst. Ebenso setzt er sich mit der Orientierungshilfe der EKD zum Abendmahl von 2003 auseinander und reflektiert sie auf dem Hintergrund der kontroversen Abendmahls­praxen der Kirchentage sowie der Äußerungen zum Abendmahl der Leuenberger Kirchengemeinschaft.
Das Buch, das Winfried Haunerland herausgegeben hat, enthält den Abdruck einer Ringvorlesung, die die Katholisch-Theologische Fakultät der Universität Würzburg veranstaltet hat. Der Bischof von Würzburg, Friedhelm Hofmann, hat ein Geleitwort hinzugefügt. Die Ringvorlesung aus acht Vorträgen fand im Wintersemester 2004/2005 statt. Hinzugenommen worden sind weitere vier Vorträge, darunter ein Gastvortrag von Klaus Raschzok.
Bernhard Heininger (Neues Testament) geht den vielfältigen Fragen des letzten Mahles Jesu nach und versucht einen Urbericht zu rekonstruieren. Franz Dünzl (Kirchengeschichte des Altertums) stellt die frühen eucharistischen Texte vor und erläutert, warum sich erst ab dem 4. und 5. Jh. die Einsetzungsberichte in den Gebets­texten finden und vorher offenbar nicht als fehlend angesehen wurden. Dominik Burkhard (Kirchengeschichte des Mittelalters und der Neuzeit) stellt das Auf und Ab der eucharistischen Frömmigkeit im Mittelalter dar und stellt fest, dass die Reformation während eines »frömmigkeitlichen Hochs« entstand und wohl auch deshalb auf großes Interesse stieß. Wolfgang Weiß (Fränkische Kirchengeschichte und der Neuesten Zeit) untersucht die Frömmigkeit der Corporis-Christi-Bruderschaften und die Ewige Anbetung am Beispiel des Bistums Würzburg. Winfried Haunerland (Liturgiewissenschaft) legt die römisch-katholische Entwicklung vom Canon Romanus bis zu den mittlerweile zahlreichen in der römischen Kirche erlaubten Hochgebeten dar und bezieht die sich darin zeigende Vielfalt auf das eine Herrenmahl.
Klaus Raschzok (Praktische Theologie) befasst sich in seiner Gastvorlesung mit dem Streit um das Eucharistiegebet in den Kirchen der Reformation, der sich an dem Vorentwurf zur Erneuerten Agende entzündet hat. Er führt in die einzelnen Argumente ein, wägt die gegenseitigen Streitpositionen ab, indem er sie in einem Freund-Feind-Schema darstellt, und verschweigt nicht, dass die Kontrahenten nicht an Polemik gespart haben; er selbst gerät dabei manchmal in die Rolle des Schiedsrichters, so dass andere Diskussionsteilnehmer, die nicht in dieses von den Kontrahenten statuierte und von Raschzok übernommene Schema passen, bei ihm selbst unter die Räder kommen. Der katholische Vorlesungshörer erhält den Eindruck, dass der Streit sich an der »relativ unreflektiert wirkende[n] Übernahme katholischer Hochgebete aus dem Missale Romanum von 1970« (146) entzündet habe.
Doch davon kann so pauschal nicht die Rede sein: Im Vorentwurf finden sich 15 Eucharistiegebete, davon sind zwei Gebete aus der römischen Tradition: das Hochgebet »Versöhnung« und das Hochgebet für Kinder, die beide aber nicht im Missale, sondern in einer zur Erprobung vorgelegten Fassung verwendet wurden (Fünf Hochgebete. Hochgebet zum Thema »Versöhnung«, Hochgebete für Messfeiern mit Kindern. Studienausgabe hrsg. v. den Liturgischen Instituten Salzburg, Trier und Zürich 1980, der lateinische Text und zum Teil ursprünglich französische Texte sind beim Deutschen Liturgischen Institut Trier erhältlich: Preces eucharisticae pro Missis cum pueris et de reconciliatione). Wohl in den Vorentwurf aufgenommen wurde der Text des Eucharistiegebets, das Hippolyt zugeschrieben wird, das sich als zweites Hochgebet im Missale Romanum 1970 findet, allerdings nicht in derselben Textfassung wie im Missale. Man hat selbstverständlich die Textübertragung aus dem Missale beachtet, aber wesentlich die Fassung der Michaelsbruderschaft verwendet, die diesen Text zur Feier des Michaelsfestes gebraucht. Es folgen dann noch zwölf Eucharistiegebete, die neu verfasst, aus Vorgängeragenden oder anderen Quellen bezogen wurden. Die anderen drei Hochgebete des römischen Missale von 1970 sind also nicht aufgenommen worden, schon gar nicht der Canon Romanus, an dem sich ja die reformatorische Kritik entzündete und der dann von den Reformatoren gänzlich abgelehnt worden war. Es wäre gut gewesen, wenn auch diese anderen Eucharistiegebete erwähnt worden wären und ebenso mitgeteilt worden wäre, dass noch andere theologische Traditionen aufgegriffen wurden, ja ein Eucharistiegebet aus der amerikanischen lutherischen Agende Aufnahme gefunden hat. Dann hätte gewürdigt werden können, dass bei aller berechtigten wie unberechtigten Kritik an den Eucharistiegebeten – auch Befürworter der Aufnahme von Eucharistiegebeten in die Agende haben die im Vorentwurf befindlichen Eucharistiegebete durchaus kritisiert und in ihrer Textfassung wie in ihren theologischen Aussagen für revisionsbedürftig gehalten (!) – viele offene Fragen und wenig überzeugende Antworten das Feld beherrschen.
Immerhin erhält in dieser Hinsicht der katholische Hörer durch die Gastvorlesung den richtungweisenden Eindruck, dass die reformatorischen Kirchen und die auf der Reformation fußende Theologie noch einiges zu leisten haben, bis diese Problematik grundlegend und ohne Behinderung durch Polemik und persönliche Eitelkeit verstanden und dann vielleicht auch einer überzeugenden Antwort zugeführt werden kann. Raschzok legt jedenfalls nahe, sich zu diesem Zweck weniger als ökumenische denn als evangelische Liturgiewissenschaft zu verstehen.
Heribert Hallermann (Kirchenrecht) stellt dar, wie es um die Zulassung zum Eucharistieempfang aus kirchenrechtlicher Sicht sowohl für die Katholiken als auch für Christen aus anderen Kirchen, bei konfessionsverschiedenen Paaren oder bei geschiedenen Katholiken bestellt ist. Stephan Ernst (Moraltheologie) stellt fest, dass innerhalb der Moraltheologie seit Langem nicht mehr über die diakonale Dimension der Eucharistie geredet wird, dabei geht es nicht darum, im Anschluss an die Eucharistie zu fragen, was Christen ethisch tun sollen, sondern was sie auf Grund der Eucharistiefeier, in der Gott als der Liebende sich schenkt, nun tun können an ihren Mitmenschen. Gerhard Droesser (Christliche Sozialwissenschaft) erkennt in der gesellschaftlichen Funktion des Eu­charistischen sowohl Kopplung als auch Bruch für Immanenz und Transzendenz, für das Menschliche im Gegenüber zum ganz Anderen. Erich Garhammer (Pastoraltheologie) stellt die enge Verbindung von Kommunion und Communio heraus, indem er dafür plädiert, die Lebenserfahrungen mit dem Licht des Evangeliums zu beleuchten, so dass auf diese Weise der Glaube erfahren und gelebt werden kann. Hildegund Keul (Fundamentaltheologie/vergleichende Religionswissenschaft) deutet mit Hilfe der Ritualforschung das Sakrament, indem sie auf die Liminalerfahrung und die damit gewaltbannende Macht aufmerksam macht, die sich durch den anwesend abwesenden Jesus Christus manifestiert. Elmar Klinger (Fundamentaltheologie und Religionswissenschaft) geht der ontologische Frage anhand der Begriffe Transsubstantiation, Transfinalisation und Transsignifikation nach und stellt den relationalen Charakter dieses Sakraments heraus.
So zeigt sich rückblickend auf diese beiden Bände, dass es zur Eucharistie in Zukunft – wie der Titel der edierten Ringvorlesung nahelegt – im äquivoken Verständnis noch vieles mehr als Brot und Wein in Theorie und Praxis zu bedenken und zu beachten gibt.