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Ausgabe:

April/2008

Spalte:

448–449

Kategorie:

Religionspädagogik, Katechetik

Autor/Hrsg.:

Schnitzler, Manfred

Titel/Untertitel:

Elementarisierung – Bedeutung eines Unterrichtsprinzips.

Verlag:

Neukirchen-Vluyn: Neukirchener Verlag 2007. 509 S. 8°. Kart. EUR 34,90. ISBN 978-3-7887-2225-8.

Rezensent:

Bernd Schröder

Die umfängliche Tübinger Doktorarbeit, die von Hans-Ulrich Grunder und Friedrich Schweitzer begutachtet wurde, ist berufsbegleitend entstanden – dieser Sitz im Leben drückt ihrem inhaltlichen Fokus und ihrem Stil, weniger ihrem Duktus seinen Stempel auf. Gut lesbar, ja, geradezu narrativ gestaltet will die Studie zweierlei leisten: zum einen die Nachzeichnung der »bildungsgeschichtliche[n] Entwicklung« (46) von »Elementarisierung«, zum anderen die konkretisierende Entfaltung einer Facette des sog. Tübinger Elementarisierungsansatzes, genauer: die Näherbestimmung elementarer »Lernformen« im Blick auf die Altersgruppe der Jugendlichen in der Pubertät (47.231). S. verhandelt beides vor dem Hintergrund seiner langjährigen Erfahrung als Realschullehrer und Mitarbeiter eines religionspädagogischen Projektes der Württembergischen Landeskirche mit dem Titel »Religionsunterricht in der Pubertät« (vgl. 18 f. und 51).
Auf der Grundlage einer »Einleitung« (I., 17–52), die u. a. Herkunft und Bedeutung des Wortes »elementar« nachgeht, sieben erkenntnisleitende Thesen formuliert (von denen vier am Ende als verifiziert gelten) und die Vorgehensweise erläutert, gliedert S. seine Studie in drei Teile: In Kapitel II.1 stellt er »Elementarisierungsansätze in der Bildungs- und Schulgeschichte« (53–120) zusammen– zur Sprache kommen mit Jan Amos Comenius, Joh. H. Pestalozzi, Tuiskon Ziller, Wolfgang Klafki und dem Osnabrücker Schulpädagogen Christian Salzmann Pädagogen, die auf die Sache der Elementarisierung reflektiert haben, »auch wenn dafür andere Begriffe verwendet wurden« (47). In Kapitel II.2 systematisiert er die Elementarisierungsansätze in der »Religionsdidaktik nach 1945« (121–230) – angefangen bei Hugo Gotthard Bloth bis zu Dietrich Zilleßen und Ingrid Schoberth. In Kapitel III werden neun »Lernformen« beschrieben, die für den Religionsunterricht mit Schülerinnen und Schülern in der Pubertät als »elementar« gelten können (231–474) – biographisches, kontemplatives und kreatives Lernen (die S. als »subjektorientierte« Lernformen zusammenfasst), ge­schlechterdifferenziertes, projektorientiertes Lernen und »Lernen durch Lehren« (die als »dialogische Lernformen« begriffen werden), schließlich (als »gesellschaftsorientierte Lernformen«) diakonisches und generationsübergreifendes Lernen sowie »Lernen an und mit neuen Medien«. Methodisch reformuliert findet sich also neben einem »historisch-hermeneutischen« und einem »systematischen« Teil ein Abschnitt mit »unterrichtspraktischen Konsequenzen« (47 ff.). Abgeschlossen wird der Band durch eine »Bilanz« (IV., 475–486); hinzu kommen die Dokumentation eines Fragebogens zur Bedeutung der »Elementarisierung« in der Lehrerbildung (487–489) sowie das Literaturverzeichnis (491–509).
Fraglos erweitert die Lektüre den gängigen Reflexionshorizont zum Stichwort »Elementarisierung«: Dessen Geschichte verdient in der Tat eine Ausleuchtung auch für die Zeit vor 1945 und die »Lernformen«, erst 1995 in den Tübinger Elementarisierungsansatz von Karl Ernst Nipkow und Friedrich Schweitzer aufgenommen (235 u. ö.), standen bisher zu Unrecht im Schatten der übrigen vier Elementarisierungsperspektiven (Strukturen, Erfahrungen, Zu­gänge, Wahrheiten).
Allerdings wirft die Durchführung der Studie auch Fragen auf: Überzeugende Kriterien für die Auswahl der historischen Vordenker von »Elementarisierung« fehlen – weder das formale Kriterium ›einer pro Säkulum‹ (54) noch die Zuordnung der Autoren zu »gesellschaftlichen Umbruchphasen« (45) wirken schlüssig (vgl. 55, Anm. 4) –, so dass die Geschichte der »Elementarisierung« auch jetzt noch nicht als verlässlich geschrieben gelten kann. Die hier vorgelegte – schon mehrfach, etwa durch G. Lämmermann und Fr. Schweitzer, in cum grano salis ähnlicher Weise erfolgte – Ordnung der neueren Elementarisierungsansätze vermag keine neuen Gesichtspunkte fruchtbar zu machen. Die neun Lernformen werden zwar mitsamt ihren geschichtlichen Anfängen beschrieben, bleiben aber mangels Beispielen doch so blass, dass die postulierten »unterrichtspraktischen Konsequenzen« (s. o.) am Ende bestenfalls nahe-, nicht aber vor Augen liegen. Und schließlich: Dass und inwiefern diese Lernformen, die als methodische Konzepte bislang ja keineswegs unbekannt waren, primär altersspezifisch, nicht etwa entwicklungs-, fach- oder situationsspezifisch auszuwählen sind, kann nicht kriteriengeleitet begründet werden (vgl. 473 f.).
Insgesamt hätte dem Buch eine striktere Argumentation und damit einhergehend eine Verschlankung zumindest der Druckfassung gut getan – mehr als einmal wird hinlänglich Bekanntes (wie etwa die Typisierung der Religionsdidaktik nach 1945 oder auch die 70-seitige Charakterisierung der Pubertät) und für den Duktus nicht Notwendiges (wie etwa die »sprachlichen Zugänge« zum Elementaren) recht breit entfaltet; gerne auch werden allerorten mehr oder minder geistreiche Randbemerkungen eingefügt (etwa 23, Anm. 22, der Exkurs zum »Extremalprinzip« oder 474, Anm. 539).
Gleichwohl liegt mit diesem Buch ein einladend geschriebener Überblick über den Elementarisierungsdiskurs vor – was nach wie vor fehlt, sind (trotz des von Fr. Schweitzer herausgegebenen Bandes »Elementarisierung im Religionsunterricht«, Neukichen-Vluyn 2003) anschauliche und operationalisierte Applikationen der sachlich einleuchtenden fünf Schienen des Tübinger Elementarisierungsansatzes.