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Ausgabe:

April/2008

Spalte:

432–433

Kategorie:

Praktische Theologie

Autor/Hrsg.:

Henke, Katharina, u. Annette Marzinzik-Boness [Hrsg.]

Titel/Untertitel:

»Aus dem etwas machen, wozu ich gemacht worden bin«. Gestaltseelsorge und Integrative Pastoralarbeit. M. Beiträgen v. H. Beckedorf, K. Henke, A. Marzinzik-Boness, U. Bock, K.-D. Makarowski, H. Heimbrock-Stratmann, G. Lachner, K. Lückel u. H. G. Petzold.

Verlag:

Stuttgart: Kohlhammer 2005. 244 S. gr.8° = Praktische Theologie heute, 75. Kart. EUR 25,00. ISBN 3-17-018814-3.

Rezensent:

Birgit Weyel

Dieses Buch stellt einen mehrschichtigen Beitrag zum Seelsorgekonzept der Gestaltseelsorge und Integrativen Pastoralarbeit dar. Zum einen wird in einem knappen Schlussteil das Konzept der am Fritz-Perls-Institut seit 1972 gelehrten Integrativen Therapie vorgestellt (211–242). Ergänzend und illustrierend zugleich werden die zentralen Erfahrungsregeln des Konzepts von einer ganzen Reihe von Autorinnen und Autoren am Beispiel je eigener Erfahrungen in sehr unterschiedlichen Praxisfeldern konkretisiert.
Heike Beckedorf, Gemeindepastorin in Hannover, reflektiert das Thema Behinderung im Pfarramt und leistet damit zugleich einen interessanten, in den Anmerkungen (Anm. 101) in seiner kritischen Pointierung nur angedeuteten Beitrag zur pastoraltheologischen Diskussion um moderne Pfarrerbilder. Sie zeigt am Beispiel der Konfirmandenarbeit eindrücklich, wie sie als Person die Unvermeidbarkeit von Behinderung im Leben überhaupt »verleiblicht und abbildet« (52) und so zeitgenössische Ganzheitsvorstellungen (Manfred Josuttis: Der Pfarrer als Führer) kontrastiert. Auch die beiden Beiträge zweier Krankenhausseelsorgerinnen, Katharina Henke und Annette Marzinzik-Boness, zeigen, wie sehr die Person im Vordergrund pastoraler Amtsführung steht und gerade dann dem Amt gerecht wird, wenn die Selbstwahrnehmung geschult und reflektiert wird. Während Katharina Henke dies am Beispiel des Passionsliedes ›O Haupt voll Blut und Wunden‹ (EG 85) zeigen kann, zeichnet Annette Marzinzik-Boness die eindrucksvoll und spannend zu lesende Begleitung einer sterbenden Frau jenseits der Krankenhausroutine nach. Weitere Praxisfelder sind die Polizeiseelsorge (Ulrich Bock über traumatisierende Erfahrungen bei der Polizei) und die Homiletik. Klaus-Dieter Makarowski, Jg. 1944, beschreibt seine eigene Predigtbiographie und macht so das wechselseitige Verhältnis von Lebensgeschichte und Predigtsprache transparent. Hildegard Heimbrock-Stratmann bringt das Konzept der Integrativen Pastoralarbeit in Kontakt mit der Homiletik Ernst Langes und skizziert ein solchermaßen integrativ verfahrendes homiletisches Verfahren. So unterschiedlich die angesprochenen Arbeitsfelder und die subjektiven Erfahrungen auch sind, so deutlich haben sie doch ihre Mitte in der Reflexion auf die eigene Person, die in der Begegnung mit anderen Menschen steht und durch diese herausgefordert ist. Dass das moderne Pfarramt nicht nur durch seine Funktionen und einen theologisch zu formulierenden Auftrag angemessen beschrieben werden kann, sondern ein Integral in der eigenen Person hat, auf deren Wahrnehmungs- und Reflexionsfähigkeit es wesentlich ankommt, wird hier eindrück­lich gezeigt. Dass das Buch die Erfahrungsberichte und materialen Beiträge voranstellt und die explizite Aufhellung der Hintergründe diesen nachfolgen lässt, leuchtet ein. Es geht programmatisch um das »Aufsuchen der gelebten Erfahrung« (212), deren persönlichkeitsspezifische Grundierung nicht außer Acht gelassen werden kann.
Der abschließende konzeptionelle Teil über das Seelsorgeverständnis ist von Hilarion G. Petzold (neben Johanna Sieper einer der Begründer der Integrativen Therapie und wissenschaftlicher Leiter des Fritz-Perls-Instituts) verfasst (213–242). Hier zeigt sich deutlich, dass zu Gunsten moderner Anforderungen an die Seelsorgepraxis in programmatischer Weise integrativ verfahren wird. Die Seelsorgebewegung ist heute um vielfältige Anschlüsse, zumal an soziologische und philosophische Gesellschaftstheorien, bemüht. Angesichts der Vielzahl und der zum Teil unübersehbaren Heterogenität der Konzepte, mit denen integrativ verfahren wird, stellt sich– wissenschaftlich betrachtet – freilich die Frage nach der systematischen Kohärenz der – im Duktus der Integrativen Therapie formuliert – polylogen Transversalität (227). In den materialen Beiträgen wird freilich die Mitte des Konzepts durchsichtig, das in der Konzentration auf die Sinnfrage und die Leiblichkeit besteht. Kurt Lückel, der über viele Jahrzehnte in der gestalttherapeutischen Aus- und Weiterbildung gearbeitet hat, formuliert in seinem Nach­wort, dass es »kein Buch aus akademischer Warte« (209) sei. Gleichwohl ist es ein eindrücklicher Beitrag zu einer reflektierten Praxis der Seelsorge und zu einer Pastoraltheologie gelebter Erfahrung.