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Ausgabe:

April/2008

Spalte:

416–417

Kategorie:

Dogmen- und Theologiegeschichte

Autor/Hrsg.:

Scheele, Paul-Werner

Titel/Untertitel:

Herman Schell im Dialog. Beiträge zum Werk und zur Wirkung von Herman Schell.

Verlag:

Würzburg: Echter 2006. 247 S. m. Abb. gr.8°. Geb. EUR 19,90. ISBN 978-3-429-02819-0.

Rezensent:

Vincent Berning

Den Herausgebern ist es zu danken, dass zum 100. Todestag des Dogmatikers, Apologeten und Philosophen Herman Schell wichtige Arbeiten des emeritierten Würzburger Bischofs und Theologieprofessors Paul-Werner Scheele in einem mit Abbildungen gut ausgestatteten Band erscheinen konnten. Wenn man von wahren Schülern Schells sprechen kann, so muss man neben dem Pfarrer und Theologen Hugo Paulus (1878–1951) und den Laien Theodor Abele (1879–1965) und Hermann Platz (1880–1945) den aus einer späteren Generation hervorgetretenen Theologen Paul-Werner Scheele nennen. Schon mit seinem Auswahlband von Texten Schells: Verherrlichung und Gemeinschaft (Paderborn 1957) gab Sch. einen fast kongenial zu nennenden Durchblick durch das theologische Werk seines großen, längst dahingegangenen Mentors.
Die Herausgeber der Schriften Sch.s, Karl Hillenbrand und Rainer Dvorak, bringen als ersten Beitrag Sch.s »Einführung« aus dessen genanntem Auswahlband unter dem Titel: Mysterium Missionis. Leben und Werk Herman Schells (13–55). Er gehört bis heute zum Besten, das über Schell geschrieben worden ist, denn er vereint die theologischen Perspektiven des großen Würzburgers mit einer von Daten und Fakten gesättigten biographischen Sichtweise zu einer lichtvollen Synthese, die in der frühen Zeit der 50er Jahre des vergangenen Jh.s geeignet war, die Theologie Herman Schells wieder lebendig in den geistigen Kontext der Zeit zu stellen. In diesem Sinne hat er auch – neben so verdienten Theologen wie Josef Hasenfuß – in Würzburg als Seelsorger, Wissenschaftler und Diözesanbischof ge­wirkt. So ist an Schells Katholische Dogmatik, Kritische Ausgabe (Paderborn 1968–1994) zu denken, die Sch. im Zusammenwirken mit Josef Hasenfuß und Heinrich Petri in zeitgemäßer Kommentierung mit herausgegeben hat.
Hervorzuheben ist auch der bisher unveröffentlichte umfangreiche Beitrag Sch.s: Herman Schell im Dialog (56–143). Bei diesen Ausführungen handelt es sich um einen trefflichen Zugriff auf den dialogischen Personalismus, der das ganze Werk und das ganze Leben Schells durchwirkt. Sch. geht bei der Bearbeitung seines Themas exemplarisch von der freundschaftlichen brieflichen Korrespondenz aus, die Herman Schell mit seinem philosophischen Lehrer, dem berühmten Philosophen Franz von Brentano (1838–1917), führte, unter dessen Ägide Schell seine gründliche philosophische Dissertation: Die Einheit des Seelenlebens aus den Principien der Aristotelischen Philosophie entwickelt schrieb, obwohl er mit dieser bei dem noch vom Spätidealismus beeinflussten Philosophen Jacob Sengler (1799–1878) in Freiburg i. Br. promovierte. Sch. zeigt hier, auf welch verschiedene Weise Schell die Freundschaft mit seinem alten Lehrer trotz starker, nicht zu verschweigender Gegensätze zu wahren sucht und wie sehr er sich persönlich mit seinem ihm geistig sehr nahestehenden jüngeren Meisterschüler Hugo Paulus verbunden weiß, mit dem er ebenfalls ausführlich und über lange Zeit korrespondierte. Ähnliches gilt auch für Schells privates Verhältnis zur Familie Heydenreich, das exemplarisch von Sch. hervorgehoben wird. Schell war ganz von der theologischen Spiritualität, die er lehrte, als Person durchdrungen. Darum litt er umso mehr unter den bitteren Anfeindungen, denen er ausgesetzt war und die schließlich seine Gesundheit ruinierten. Sch. zeigt sehr schön und überzeugend – von diesen Beispielen der Menschenliebe ausgehend–, wie dieser dialogische Grundzug auch das gesamte theologische Werk durchherrscht. Er verweist auf den innergöttlich-trinitarischen Dialog, in dessen theologischer Schau Schells gesamte Theologie gründet, seit er sein frühes Werk Das Wirken des Dreieinigen Gottes (Mainz 1885) vollendet hatte. Von hier aus beleuchtet er den Dialog, den die vom göttlichen Logos durchwirkte Schöpfung mit Gott ermöglicht, und ferner Schells tiefsinnige Auflichtungen theo­logischer Geheimnisse des göttlichen Wortes im Dialog der übernatürlichen Offenbarung. Sch. zeigt die Folgerungen auf, die sich für Schell hinsichtlich des innerkirchlichen und ökumenischen Dialogs ergeben. Dem ökumenischen Gespräch sah sich Schell – seiner Zeit weit voraus – besonders verpflichtet. Gefordert ist schließlich der universelle Dialog aus dem Geiste der tatkräftigen Liebe und der lebendigen Wahrheit, deren pfingstliches Wirken in Einheit die Kraft des Heiligen Geistes ist, dessen Theologie sich Herman Schell in besonderer Tiefe genähert hatte.
Auch die anderen, zu verschiedenen Gelegenheiten entstandenen Beiträge – z. B. Hinweise zur Spiritualität Herman Schells (44); Mut zur Neuerung in Treue zur Tradition (185 f.); Impulse Herman Schells für die Dogmatik der Gegenwart (206 f.) – sind lesenswert und enthalten einen Reichtum an aufhellenden Hinweisen.
Doch tritt gegenüber der versöhnenden theologisch dogmatischen Schau des bedeutenden Geistes Herman Schell, wie sie uns von Sch. so fruchtbar aufgewiesen wird, ein wenig der kämpferische Apologet Schell zurück, der die Geister auf der Höhe der Zeit zu unterscheiden und auch zu begeistern wusste. Diese Fähigkeit war ihm auch deswegen gegeben, weil Schell – wie alle großen Theologen – nicht nur den Stand der damaligen naturwissenschaftlichen Ent­wick­lung sachkundig und eingehend verfolgte, sondern zugleich ein bedeutender Philosoph war. (Er, der Statik und Dynamik als gleich notwendig für die philosophische und theologische Synthese forderte, hätte nebenbei bemerkt die heutige Postmoderne ebenso kritisch hinterfragt, wie er den spiritualistischen Evolutionismus eines Teilhard de Chardin mit einem Fragezeichen versehen hätte.)
Das Buch Sch.s bereichert den Leser. Es wirft nicht nur ein helles Licht auf den großen Theologen Herman Schell, sondern auch auf die Spiritualität des Verfassers, auf Altbischof Paul-Werner Scheele selbst.