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Ausgabe:

April/2008

Spalte:

387–389

Kategorie:

Kirchengeschichte: Mittelalter

Autor/Hrsg.:

Bruns, Peter, u. Georg Gresser [Hrsg.]

Titel/Untertitel:

Vom Schisma zu den Kreuzzügen 1054–1204.

Verlag:

Paderborn-München-Wien-Zürich: Schöningh 2005. 271 S. gr.8°. Kart. EUR 29,90. ISBN 3-506-72891-1.

Rezensent:

Heinrich Holze

Der vorzustellende Band dokumentiert Vorträge, die im Juli 2004 auf dem Symposium »1054–1204: Vom Schisma zur offenen Konfrontation« gehalten wurden. Veranstalter war das Zentrum für Mittelalterstudien an der Universität Bamberg. Zwei historische Ereignisse, deren 950. bzw. 800. Jahrestag erinnert wurde, bildeten den Rahmen: das sog. Große Schisma zwischen östlicher und westlicher Kirche, mit dem die Entfremdung zwischen römischer und byzantinischer Kirche ihren Höhepunkt erreichte, sowie die Eroberung Konstantinopels durch lateinische Kreuzfahrer, deren Folgen das Verhältnis zwischen Byzanz und Westeuropa auf lange Zeit belasteten. Damit wird ein geschichtlicher Zusammenhang aufgezeigt, der oft übersehen wird, für das Verstehen dieses schwierigen Zeitabschnitts aber von großer Bedeutung ist. Um die verschiedenen Aspekte auszuleuchten, versammelte das Symposium Vertreter der Kirchengeschichte, der Mediävistik, der Byzantinistik und der Orientalistik.
Georgij Avvakumov (Ukrainische Katholische Universität Lemberg) lenkt den Blick auf die liturgischen Auseinandersetzungen, die dem Großen Schisma vorangingen, als die Verwendung ungesäuerten Brotes in der Eucharistie durch die römische Kirche den Widerspruch der Byzantiner auslöste (»Der Azymenstreit – Konflikte und Polemiken um eine Frage des Ritus«). In den antilateinischen Streitschriften wurde der Vorwurf der Judaisierung und der Verletzung des Einsetzungsberichts erhoben, bisweilen sogar die Gültigkeit des mit Azymen vollzogenen Sakraments in Frage gestellt. Zusammen mit den lateinischen und armenischen Gegenschriften wird erkennbar, dass die »rituelle Dimension« (26) in den Auseinandersetzungen zwischen Ost- und Westkirche eine entscheidende Rolle gespielt hat.
Axel Bayer bietet anknüpfend an seine Kölner Dissertation »Spaltung der Christenheit. Das sogenannte Morgenländische Schisma von 1054« (Böhlau, 2. Auflage 2004) eine Rekonstruktion der Ereignisse, die zur Bannung des byzantinischen Patriarchen Mi­chael Kerullarios und des römischen Kardinals Humbert ge­führt haben (»Das sogenannte Schisma von 1054«). Er betont, dass es sich bei dem Konflikt nicht um ein punktuelles Ereignis, sondern um »einen schrittweise sich vollziehenden, langgestreckten Prozeß« gehandelt hat (29). Auch richteten sich die Bannsprüche nur gegen einzelne Personen und stellten die Kircheneinheit grundsätzlich nicht in Frage. Die Spannungen zwischen beiden Kirchen verschärften sich erst durch die Kreuzzüge und hatten zur Folge, dass die Ereignisse von 1054 von byzantinischer Seite nunmehr als Schisma gedeutet wurden.
Peter Bruns (Universität Bamberg) richtet den Blick auf das syrische Chris­tentum (»Die Kreuzzüge in syrisch-christlichen Quellen«). Bei der Analyse der syrischen Chroniken, die in der Forschung bislang nur wenig Aufmerksamkeit gefunden haben, zeigt sich die besondere Lage der syrischen Christen zwischen Byzantinern und Franken, zu denen eine unterschiedlich begründete, aber gleichermaßen große Distanz bestand. Die Chronisten, darunter das Geschichtswerk des Patriarchen Michael der Syrer, verfügen über eine präzise Kenntnis der Situation im Orient, die den lateinischen Berichterstattern nicht zu Gebote stand. Deutlich wird vor allem, dass die Eroberung Edessas durch die Türken nicht nur eine Wende in der Geschichte der Kreuzzüge, sondern auch »den Anfang vom Ende einer blühenden christlich-urbanen Kultur« in Syrien markierte (65).
Schon bald nach den geschilderten Ereignissen setzten Bemühungen ein, die Kirchenspaltung zu überwinden. Ansgar Frenken, der in seiner Dissertation »Die Erforschung des Konstanzer Konzils in den letzten hundert Jahren« (Paderborn 1995) untersucht hat, schildert in seinem Beitrag, warum die Unionsverhandlungen des späten Mittelalters ohne Erfolg blieben (»Wege zur Überwindung der Kirchenspaltung – Der Nachhall des ›Schismas‹ von 1054 und der Eroberung Konstantinopels 1204 auf den allgemeinen Konzilien des Spätmittelalters«). Hauptgründe waren Unterschiede im Konzilsverständnis und Differenzen in theologischen Grundsatzfragen. »Das Kontroversthema par excellence« jedoch war die Frage des päpstlichen Primats, »stießen« hier doch »ekklesiologische Welten aufeinander, wie sie kaum verschiedener sein konnten« (102).
Zu den Konfliktpunkten gehörte die unterschiedliche Auslegung des nizänischen Glaubensbekenntnisses. Peter Gemeinhardt (Universität Göttingen), der in seiner Dissertation »Die Filioque-Kontroverse zwischen Ost- und Westkirche im Frühmittelalter« (de Gruyter 2002) eingehend untersucht hat, zeigt in seinem Beitrag überzeugend, »dass sich mit der textlichen und inhaltlichen Rezeption des NC im lateinischen Sprachraum eine ernsthafte theologische Frage stellt, deren gegenwärtige Bearbeitung nicht unter Absehung von ihrer geschichtlichen Herausbildung erfolgen kann« (132). Der Ausgangspunkt der Filioque-Kontroverse ist mit dem Konzil von Chalkedon gegeben. Im Frühmittelalter kommt es in Abwehr des Adoptianismus zur Formulierung des filioque als Ausweis nizänischer Orthodoxie. Beim Konflikt von 1054 spielt das filioque zunächst keine Rolle. Erst als deutlich wird, dass auch die Glaubensgrundlage strittig ist, setzt eine umso heftigere Polemik ein. Mit den nachfolgenden theologischen Begründungen – im Abendland durch Anselm von Canterbury und in der Ostkirche durch Erzbischof Theophylakt von Achrida – verfestigt sich der Konflikt und mit ihm das Schisma, dessen Aufhebung seitdem untrennbar mit der filioque-Frage verbunden ist.
Georg Gresser (Universität Bamberg) zeigt anhand der päpstlichen Synoden des Jahres 1095, dass sich die Kreuzzugsvorstellung allmählich entwickelt hat (»Die Kreuzzugsidee Papst Urbans II. im Spiegel der Synoden von Piazenca und Clermont«). Es sei »die besondere Leistung« dieses Papstes, dass er bereits be­kannte Elemente wie die französische Gottesfriedensbewegung, die spanische Reconquista und den Gedanken des Ablasses für den Heidenkampf aufgegriffen und mit dem Plan einer Hilfe für den Osten verbunden habe, woraus sich dann der Kreuzzugsgedanke entwickelte (153).
Lange Zeit wurde in der Forschung die Kreuzzugsbewegung aus der Sicht abendländischer Quellen dargestellt. Seit wenigen Jahren hat man damit begonnen, den Blickwinkel auf die muslimische Sicht zu erweitern. Axel Havemann (Freie Universität Berlin) fasst die Ergebnisse der Forschung bezüglich der Haltung der Muslime zu den Kreuzzügen zusammen (»Heiliger Kampf und Heiliger Krieg – Die Kreuzzüge aus muslimischer Perspektive«). Sein Er­gebnis: »Zweifellos hatte Jihad als Propagandainstrument und als Aufruf zum gemeinsamen Kampf der Muslime in der Politik von Nur ad-Din, Saladin, Baibars und seinen Nachfolgern eine zentrale Funktion und Auswirkung« (176).
Christian Lange (Universität Bamberg) beleuchtet das politische Verhältnis zwischen Kreuzfahrern und Byzantinern (»Zum Verhältnis zwischen Byzantinern und Kreuzfahrern zwischen 1095 und 1204«). Anknüpfend an die Untersuchungen von Ralph-Johannes Lilie zeigt er, dass es noch im frühen 12. Jh. Phasen der Zusammenarbeit gab. Im Laufe der Kreuzzugsbewegung aber wandelte sich diese angesichts unterschiedlicher politischer Interessen und wachsender theologischer Polemik in ein erbittertes Gegeneinander, das schließlich in die Eroberung Konstantinopels einmündete.
Josef Johannes Schmid (Universität Mainz) geht den Verbindungen zwischen Byzanz und Frankreich nach (»Rex Christus – Die Tradition der französischen Monarchie als Brücke zwischen Ost und West«). Seit Chlodwig sei das Verhältnis zwischen beiden Königreichen das »einer monarchischen Wahlverwandtschaft« (206). Das Verhältnis zwischen beiden Ländern habe selbst in der Kreuzzugszeit keinen Schaden genommen, wie sich am Wirken Ludwigs IX. zeige, und über den Fall Konstantinopels hinweg »die Mittlerrolle der französischen Monarchie zwischen Ost und West« geprägt (232).
Der letzte Beitrag aus der Feder von Petar Vrankic´ (Universität Augsburg) befasst sich mit der meist nur beiläufig behandelten Frühgeschichte des vierten Kreuzzuges (»Innocenz III., der vierte Kreuzzug und die Eroberung Zadars«). Im Mittelpunkt steht der Aufruf Innozenz’ III. zur Befreiung des Heiligen Landes. Allerdings ließ sich der Gedanke, das Kreuzzugsheer mit einer geistlichen Leitung auf den Weg zu schicken, nicht realisieren, wie überhaupt das Unternehmen dem Papst mehr und mehr aus den Händen glitt. Als das Heer 1202 von Venedig aufbrach, entwickelte das Kriegsgeschehen eine eigene Dynamik. Die Eroberung der kroatisch-ungarischen Stadt Zadar, durch die venezianische Geldforderungen beglichen werden sollten, widersprach nicht nur dem päpstlichen Plan. Sie war ein Menetekel dessen, was wenig später folgen sollte.

Insgesamt bietet der Band anregende Beiträge zu einem zentralen Forschungsfeld der gegenwärtigen mediävistischen Diskussion. Durch den thematischen Rahmen, der mit der Verbindung von Schisma und Kreuzzugsbewegung gegeben ist, werden wichtige Zusammenhänge des Geschehens sichtbar. Kritisch wird man vermerken können, dass die Gliederung keinen inhaltlichen Gesichtspunkten folgt. Dass sich die Herausgeber an der alphabetischen Ordnung der Verfassernamen orientierten, dient nicht der Er­schließung des Bandes. Schade ist auch, dass weder ein Sachregister noch ein Personenregister beigegeben ist. So werden Querverweise nicht erfasst und es bleibt der Intuition des Lesers überlassen, diese aufzuspüren. Schließlich vermisst der Rezensent ein Verzeichnis der Autoren. Dass mehrere von ihnen römisch-katholischer Prägung sind, scheint den Herausgebern wichtig zu sein, welche die Fertigstellung des Bandes auf das »Hochfest der Apostelfürsten Petrus und Paulus« datieren. Doch muss man sich der mit diesem Datum gegebenen Deutung nicht anschließen, um den Band mit Gewinn und Anregung zu lesen.