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Ausgabe:

April/2008

Spalte:

375–376

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Raharimanantsoa, Mamy

Titel/Untertitel:

Mort et Espérance selon la Bible Hébraïque.

Verlag:

Stockholm: Almqvist & Wiksell International 2006. XX, 509 S. 8° = Coniectanea Biblica. Old Testament Series, 53. Kart. SEK 439,00. ISBN 91-22-02142-6.

Rezensent:

Stefan Beyerle

In seiner umfassenden, weitgehend vergleichend-synchronisch argumentierenden Studie, einer Dissertation bei Stig Norin (Universität Uppsala), hat R. alttestamentliche Vorstellungen vom Tod und Konzepte der Todesüberwindung einander gegenübergestellt. Der Ansatz der Arbeit kann als »phänomenologisch« bezeichnet werden, und zwar mit dem Ziel des Aufweises einer dialektischen Einheit von Tod und Hoffnung im Glauben der Bibel. Teil 1 ist dreigeteilt in die biologische, theologische und metaphorische Dimension des Todes. Gleiches gilt für Teil 2: die Hoffnung auf Unsterblichkeit, Gemeinschaft mit Gott und Auferstehung, wobei die ge­nannten Todesdimensionen hier wieder begegnen: biologischer Tod versus Auferstehung, theologischer Tod versus (Gottes-)Ge­meinschaft und metaphorische Bedeutung versus Unsterblichkeit (453).
Der erste Hauptteil behandelt zunächst anthropologische As­pekte. Zu Gen 2,7 schließt R., gegenüber der nach wie vor vorherrschenden Deutung, eine dualistische Anthropologie nicht aus und spricht vom Menschen als »un être multiple« (20). Der locus classicus biblischer Anthropologie in Gen 1,27 ziele auf die geistig-moralisch qualifizierte Ausstattung des Menschen und beschreibe zugleich in der Bildlichkeit eine Beziehung des Menschen zu Gott. Angesichts dieser exzeptionellen Ausstattung des Menschen erhebt R. mit Koh 12,7; Ps 104,29 f. und Gen 3,19 die Frage nach der biblischen Schau auf den Tod als »biologisches« Phänomen, wonach die Texte den Gegenentwurf zur Menschenschöpfung liefern. Es folgen theologische Analysen zum Tod, zunächst zu Gen 2 f.: Gen 2,4b–3,24 ist chiastisch angeordnet, mit 3,6 f. als Zentrum. Mit Recht versteht R. Gen 2 f. als Erzählung des Bruchs (»rupture«), nicht des Sündenfalls (»chute«). Entsprechend markiert der Tod dann auch das Ende jeder Beziehung des Menschen (vgl. zum Tod als »Isolation« auch J. Assmann). R. erkennt ein Erzählmuster, das die Abfolge von Vergehen – Bestrafung – Vertreibung in das Gottesbild vom gebietenden und strafenden Gott einpasst, der als Bun­desgott agiert (vgl. Hos 6,7). Neben der physischen Todesdimension begegnet also eine theologische, hier bezogen auf die (aufgekündigte) Gottesnähe des Menschen. Am eindrücklichsten werde jenes Todesverständnis am (verunmöglichten) Gotteslob (Ps 6; 30; 88; 115; Jes 38) deutlich, das neben der Gemeinschaft »Leben« indiziere. Die ausführliche Untersuchung des metaphorischen Todesverständnisses schließt den ersten Teil ab: Bildhafte Ausdrücke der Vergänglichkeit bzw. von deren Überwindung, auch im altorientalischen Kontext (Motiv des Schlafes), wie בכש[מ]/ןשי, רפע, תיב oder םוק/ץיק, werden auf ihr semantisches Feld hin untersucht. Schon in späteren Psalmtexten (3,6; 17,15; 139,18) sei eine Entscheidung zwischen wörtlicher und »eschatologischer« bzw »metaphorischer« Deutung von ץיק schwierig. Schließlich bietet R. einen Überblick zu Personifizierungen von Tod und Unterwelt. Die mythologisierende Tendenz dieser Beschreibungen legt Vergleiche mit alt­orientalischen Texten, insbesondere der Darstellung des Mot im ugaritischen Baalsmythos, nahe. R. sieht hier ein weites Feld mytho­logischer Prädikationen, die im Gefolge des »jahwistischen Mono­theismus« (191) demythologisiert würden. So beschränken sich die Mythologeme auf rein sprachliche Anleihen. In der Sache behält JHWH stets die Macht über Tod und Leben.
Auch der zweite Hauptteil, zur Hoffnung auf Todesüberwindung, besteht aus drei Kapiteln und bietet somit schon formal eine Entsprechung zu den drei behandelten Aspekten des Todes. Behandelt sind: Unsterblichkeit, Gemeinschaft mit Gott und Auferstehung. Die Abschnitte zur Unsterblichkeit diskutieren Gilgamesch, Adapa, Aqat, Henoch und Elia. Die Hoffnung auf menschliche Unsterblichkeit wird zunächst am Motiv der Suche Gilgameschs als Illusion entlarvt. Insbesondere hinsichtlich des ausschließlich < /span>göttlichen Privilegs auf Unsterblichkeit sind Gilgamesch- und Aqat-Mythos vergleichbar. Biblisch treten Henoch (Gen 5,21–24) und Elia (2Kön 2,1–18) in den Fokus. Während Henoch Aspekte der Gottesnähe trage (Frömmigkeit, Einweihung in göttliche Pläne), verdeutliche Elia in seiner Auseinandersetzung mit der Baalsreligion der Omriden den Rückgriff auf das erste Gebot. Beide Episoden zeigten, so R., keine eindeutige Verknüpfung von »Entrü­ckung« und »Unsterblichkeit«. Insgesamt bleibt die Entrückung ein souveräner Akt Gottes. Dann analysiert R. zum Motiv der Gemeinschaft mit Gott Ps 16,10 f.; 49,16; 73,24 und Hi 19,25–27. Während Ps 16 »nur« das Mitsein Gottes mit dem Beter ausdrücke und lediglich die zeitlich befristete Rettung vor dem Tod im Auge habe, blicke Ps 49 auf eine generelle Bewahrung des Frommen, auch wenn der Psalmist über den Modus seiner Hoffnung schweigt. Ähnlich ziele Ps 73 auf Gottes Mitsein und begegne der Alternative einer Hoffnung auf Leben »ante« oder »post mortem« mit einem »quod non«. Die ausführliche Analyse von Hi 19,25–27 studiert die Semantik einzelner Begriffe, wobei vor allem zur Identifizierung des לאג Gott als Ankläger und Retter in einer Person vorgeschlagen wird. Schließlich ist das Kapitel über die Auferstehungshoffnung dreigeteilt: 1. JHWHs Sieg über den Tod, 2. nationale und 3. individuelle Auferstehung. Zu ersterer Motivkonstellation behandelt R. Dtn 32,39; 1Sam 2,6; Jes 25,8 und Hos 13,14. Während Mose- und Hannalied statt von Auferstehung von Gottes Macht über Leben und Tod reden, ist Jes 25,[6–]8 im Horizont einer historisierten und eschatologisierten Todesüberwindung zu interpretieren, die Gottes unermessliche Macht bezeugt – ohne Vergleichspunkte im restlichen Alten Testament und im Alten Orient (einschließlich Ugarit). Zu­letzt betone Hos 13,14 Gottes Sieg über Tod und Scheol, allerdings im Kontext von Gerichtsansagen. Mit Hos 6,1–3 und Ez 37,1–14 wird die Vorstellung einer »nationalen Auferstehung« erläutert. Das Auferstehungsmotiv ist »metaphorisch« zur Prädikation nationaler Restauration Israels gebraucht. Mit Hos 6,1–3 sei dann deutlich, dass der Auferstehungsgedanke schon im Israel des 8. Jh.s v. Chr., unter Einfluss des Elia- und Elisa-Stoffes, bekannt war. Entsprechend dürfe man von einer Beeinflussung der Szene in Ez 37 durch Hos 6 ausgehen, womit externe Ableitungsmodelle, etwa aus dem Zoroastrismus, abzulehnen sind. Schließlich dienen Jes 26,19 und Dan 12,2 der Erhellung einer individuellen Auferstehungshoffnung. Während Jes 26 eine konkrete Auferstehungshoffnung mit dem Ziel irdischen Fortlebens anspreche, antworte Dan 12 auf die spezifische Situation der Verfolgung unter Antiochus IV., was ein exklusiv-partitives Verständnis des Textes nahelegt. Individuelle und kollektive Hoffnungen schließen sich nicht aus bei einem Auferstehungsmotiv, das auf die biologische Bedeutung des Todes eine Antwort bereithält. Der Aspekt der »re-création« werde auch hier deutlich (ähnlich zu Ez 37).
Insgesamt betont R., dass die Hoffnung auf ein Leben nach dem Tod den alttestamentlichen Zeugnissen von Anfang an inhärent war (vor allem 407). Zur Erhärtung seiner These hat R. eine detailreiche Studie voller Anregungen vorgelegt, die schon durch um­fangreiche Hinweise auf die französischsprachige Diskussion die Konsultation lohnt. Ob die, zumal im Gefolge einer kanonischen Beschränkung, etablierte Schematisierung der dialektischen Entsprechungen von Tod und Todesüberwindung (s. o.) im Horizont der zahlreichen außerkanonischen Zeugnisse Bestand hat, wäre zu prüfen.