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Ausgabe:

April/2008

Spalte:

355–370

Kategorie:

Aufsätze

Autor/Hrsg.:

Traugott Jähnichen

Titel/Untertitel:

Johann Hinrich Wichern
Eine Erinnerung anlässlich seines 200. Geburtstages

Einleitung


Mit einer Stegreifrede von »mitreißender Wucht«1 und »prophetischer Vollmacht«2 setzte Johann Hinrich Wichern im Rahmen der Verhandlungen des ersten deutschen evangelischen Kirchentages am 22. September 1848 in Wittenberg den entscheidenden Impuls zur Anerkennung und Verankerung der Inneren Mission im deutschen Protestantismus. Wichern selbst erlebte diesen Tag als das entscheidende Ereignis seines Lebens und schrieb noch am selben Tag an seine Frau: »Es kommt mir vor, als könnte ich hier den Beruf meines Lebens schließen.«3 Durch sein engagiertes Auftreten in Wittenberg gelang es Wichern, die Konzeption und die Organisationsform der Inneren Mission öffentlichkeitswirksam zu verankern, um eine »Einigung der zersprengten Kräfte« evangelischen Hilfehandelns sowie eine »organische Verbindung der amtlichen Kirche mit dem freien Wirken der barmherzigen Liebe«4 herbeizuführen.

Die Innere Mission entwickelte sich nach 1848 »rasch zu einer regelrechten Bewegung« und wurde »schon vor dem Ersten Weltkrieg ... zur größten deutschen nichtstaatlichen Wohlfahrtsorganisation.«5 Die Gründung und der Ausbau einer Vielzahl diakonischer Einrichtungen, die Qualifizierung und Professionalisierung von sozial- und heilpädagogischen Berufen, die bereits in der Kaiserzeit begonnene und in der Weimarer Republik sowie insbesondere in der Bundesrepublik fortgesetzte Integration in den sich entwickelnden deutschen Sozialstaat haben das Konzept der Inneren Mission zu einer Erfolgsgeschichte des neueren Protestantismus werden lassen. Insofern ist die Stegreifrede Wicherns in Wit­tenberg als ein kirchengeschichtlicher Wendepunkt zu be­trachten. Wer war Johann H. Wichern, als er in Wittenberg derart eindrücklich auftreten konnte?

1. Wichern als Theologe und Sozialpädagoge

auf dem Weg zur Entwicklung der Konzeption der Inneren Mission

Am 21. April 1808 kam Wichern als Sohn eines Notars und seiner Frau, die als Wäscherin zum Familienunterhalt beitrug, zur Welt. Der Vater hatte sich aus einfachen Verhältnissen emporgearbeitet, nach einer längeren Zeit der Tätigkeit als Schreiber bei einem Notar wurde er 1806 selbst zum Notar bestellt, was seinerzeit in Hamburg ohne akademische Bildung möglich war. Der Vater wollte seinem ältesten Sohn offensichtlich eine akademische Karriere eröffnen, indem er ihn zunächst auf eine Privatschule und 1818 in das »Johanneum« gehen ließ. Auf Grund des frühen Todes des Vaters im Jahr 1823 musste Wichern jedoch nach der vorletzten Klasse von der Schule abgehen, um durch das Abhalten von Privatunterricht – neben Klavierunterricht erteilte er Latein, Griechisch und andere Unterrichtsfächer – zum Familienunterhalt beizutragen. Von Ja­nuar 1826 bis Oktober 1827 wirkte er als Erziehungsgehilfe in einer christlichen Erziehungsanstalt für Söhne höherer Stände und konnte ab April 1826 als Student des »Akademischen Gymnasiums« die Studienberechtigung erwerben. Seine religiöse Prägung erhielt er wesentlich im Konfirmandenunterricht des Diakonus Wolters, eines traditionell geprägten lutherischen Theologen in Hamburg, sowie durch persönliche Besuche bei Pfarrer Johannes Claudius, dem ältesten Sohn des Theologen und Dichters Matthias Claudius.

Das Hamburger kirchliche Leben, das in den 1820er Jahren von heftigen Kontroversen zwischen Vertretern des theologischen Ra­tionalismus und der Erweckungsbewegung bestimmt war, sah Wichern auf der Seite der erwecklich geprägten Kreise, was seine lange gehegte Absicht, Theologie zu studieren, bestärkte. Von 1828 bis 1831 studierte Wichern Theologie in Göttingen und Berlin, wo­bei Friedrick Lücke (1791–1855) in Göttingen sowie Friedrich Schleiermacher (1768–1834) und insbesondere der Kirchenhistoriker August Neander (1789–1850) seine wichtigsten Lehrer waren. Kennzeichnend ist für sie ein stark an der religiösen Subjektivität orientiertes Verständnis der Theologie. Die Prägungen durch die Erweckungsbewegung verstärkten sich während der Berliner Zeit durch enge Kontakte zu dem Kreis um Baron von Kottwitz. Gleich zeitig hat sich durch den Einfluss der theologischen Lehrer Wi­cherns Horizont »erweitert ..., die Enge des Pietismus verliert sich«6, indem die Bedeutung der Bildung, vor allem aber die sozialen Notlagen als unmittelbare Herausforderungen christlichen Handelns aufgefasst wurden, allerdings auch ein stark nationalprotestantischer Ton sein Denken zu bestimmen begann.

Seit seinem kirchlichen Examen im April 1832 in Hamburg war Wichern Kandidat für das geistliche Amt und fand zunächst eine Anstellung in der von Pastor Rautenberg geleiteten Sonntagsschule im Stadtteil St. Georg, einer nach englischem Vorbild eingerichteten missionarischen und sozialen Einrichtung.7 Sehr früh trat hier das sozialpädagogische Engagement Wicherns hervor. Wichtige Innovationen der Sonntagsschularbeit wie die Einteilung der Schüler nach Klassen, d. h. nach städtischen Bezirken, eine altersgemäße Abgrenzung des Lehrstoffs sowie die Einführung von Quartalsprüfungen wurden von ihm angeregt. Daneben besuchte er die Familien und Wohnungen seiner Schüler, wobei er die vielfältigen Einblicke in äußerst problematische Lebensverhältnisse in Notizen festhielt, aus denen sich seine erste größere Schrift »Hamburgs wahres und geheimes Volksleben« (1832/33) 8 speiste. Dieses Werk, das plastisch den Pauperismus einer vorindustriellen deutschen Großstadt spiegelt, veranlasste Wichern gemeinsam mit Rautenberg sowie weiteren Mitgliedern des inzwischen gegründeten Be­suchsvereins der Hamburger Sonntagsschulbewegung, eine Einrichtung zur Hilfe für verwahrloste Kinder und Jugendliche zu planen. Wichern konkretisierte diese Initiative, indem er eine Aufsatzfolge über »Rettungsanstalten für verwahrloste Kinder« 9 im »Bergedorfer Boten« publizierte, wo er detaillierte Berichte über die ihm persönlich bekannten Rettungsanstalten von Daniel Traugott Kopf in Berlin und Johannes Falk in Weimar mit einer Vielzahl von Hinweisen auf weitere ähnliche Einrichtungen – speziell die Ar­menschullehrer- und Armenkinderanstalt von Christian Heinrich Zeller in Beuggen wurde detailliert vorgestellt – veröffentlichte. In besonderer Weise ließ sich Wichern von der Konzeption Falks anregen, dessen auf Freiheit und positiver Zuwendung beruhende Pädagogik im Gegensatz zu allen Zwangsmaßnahmen von Wi­chern eindrücklich hervorgehoben wurde. 10

Nachdem Wichern im Sommer 1833 im Rahmen der Jahresversammlung der Hamburger Sonntagsschulvereine eindrücklich die Notlagen in Armut aufgewachsener Kinder und Jugendlicher schilderte – unter den Zuhörern dieser seiner ersten öffentlichen Rede war die damals 22-jährige Amanda Böhme, die er zwei Jahre später heiratete –, betrieb er in enger Absprache mit den Förderern der Sonntagsschule die Realisierung einer Hamburger Rettungsanstalt für Kinder und Jugendliche. Die renommierte und in der Armenpflege aktive Hamburger Familie Sieveking stellte in Horn bei Hamburg geeignetes Land und Gebäude, das »Rauhe Haus«, zur Verfügung und so traten Wichern und sein Unterstützerkreis am 12. September 1833 im Auktionssaal der Hamburger Börse an die Öffentlichkeit, um für weitere Unterstützung des Projektes zu werben. Auf der Grundlage von Vorarbeiten Wicherns hatte Sieveking »Propositionen in betreff der Rettungsanstalt für sittlich verwahrloste Kinder in Hamburg« 11 entworfen, in denen im Sinn des Freiwilligkeitsprinzips der geplanten Einrichtung für Kinder bis zur Konfirmation das Ziel beschrieben wurde, »nicht an die Strafe, sondern an die Vergebung und den Entschluss fortschreitender Besserung«12 anzuknüpfen, um auf der Grundlage der Überwindung äußerer Not und der »Einflüsse einer entschieden verderblichen Umgebung«13 sittliche Persönlichkeiten heranzubilden. Auf staatliche Unterstützung wurde, da äußerer Zwang unbedingt vermieden werden sollte, explizit verzichtet, die Einrichtung wollte sich beschränken »auf den Umfang, welchen die ihr von christlicher Milde anvertrauten Mittel gestatten.«14

Wichern erläuterte in seiner Ansprache die vorgelegten Propo­sitionen, verwies auf die ihm bekannten Vorläufereinrichtungen im In- und Ausland und skizzierte sodann seine über die bisherigen Einrichtungen hinausgehende Konzeption. Organisatorisch knüpfte Wichern im Blick auf die Gestaltung der neu zu schaffenden Einrichtung an das bereits von Falk betonte Familienprinzip an, wobei er als Ideal das Zusammenleben von familiär organisierten Gruppen skizzierte, was durch eine »Trennung der Wohnungen« 15 erreicht werden sollte. Dementsprechend sollte kein großes kasernenartiges Gebäude errichtet werden, sondern eine Vielzahl einfacher Wohnhäuser, in denen jeweils »drei bis vier Kinderfamilien, jede höchstens aus 12 Kindern bestehend«16, wohnen konnten. Als Mittelpunkt dieser Kinderfamilien fungierte ein »erwachsener, elterlicher oder geschwisterlicher Freund«17 – diese Erwachsenen wurden von Wichern »Gehilfen«, später zumeist »Brüder« genannt –, der zugleich als Lehrer den Unterricht für die Kinder organisierte sowie die Aufsicht über die zu verrichtenden Arbeiten innehatte. Neben dem Freiwilligkeitsprinzip betonte Wichern, dass die »Gehilfen« bei den Kindern großen Wert auf das Einhalten der klassischen Sekundärtugenden sowie auf die Fähigkeiten der Selbstkontrolle und eines rationalen Umgangs mit fremden und eigenen Gütern legen sollten. 18

Im Zentrum dieser als »Rettungsdorf«19 zu beschreibenden An­stalt wurde ein Betsaal eingerichtet, um den Geist des christlichen Glaubens und der christlichen Liebe durch Hausandachten und Gemeinschaftserfahrungen, nicht zuletzt durch gemeinsames Mu­sizieren, zu wecken und zu pflegen. Auf diese Weise sollte ein christlich geprägtes Gemeinschaftsleben in Verbindung mit schulischem Unterricht und praktischen Tätigkeiten die Kinder und Ju­gendlichen individuell fördern und zu einer selbständigen Lebensführung befähigen.

Zur theologischen Begründung verwies Wichern auf das Motiv »der rettenden Liebe«20, das in diesem Vortrag erstmals von ihm genannt wurde und das sein weiteres Denken und Propagieren christlichen Hilfehandelns bestimmen sollte. Dezidiert theologische Aussagen finden sich in den frühen Schriften Wicherns eher beiläufig, wobei am häufigsten der Verweis auf die Arbeit »für Gottes Reich«21 zu finden ist, der sich von den frühen Schriften bis in die Spätzeit hindurchzieht. Speziell in den frühen Schriften wird der Begriff »Reich Gottes« häufig synonym für kirchliche Handlungsfelder verwendet, indem auf konkrete Arbeitsbereiche für das Reich Gottes verwiesen wird oder auch das Leben von gefährdeten Jugendlichen im »Rauhen Haus« ohne Weiteres als Eintritt »in das Reich Gottes«22 interpretiert werden kann. »Reich Gottes« bezeichnet bei Wichern somit den umfassenden Horizont seines Denkens und Wirkens, indem angefangen von der konkreten Wirkungsstätte des »Rauhen Hauses« über andere kirchliche Handlungsfelder bis hin zur eschatologisch begründeten christlichen Hoffnung die Perspektive des Reiches Gottes einen umfassenden Verweishorizont darstellt. Systematisch vertieft und ausgeführt wird der Be­griff später in der »Denkschrift« zur Begründung der Inneren Mis sion, wo Wichern geschichtstheologisch argumentierend histo­rische Entwicklungsstadien des Reiches Gottes zu bestimmen versucht hat.

Wichern gelang es rasch, den Plan der Rettungsanstalt in die Praxis umzusetzen. Ende Oktober 1833 bezog er mit seiner Mutter und einer Schwester das »Rauhe Haus«, zum Jahresende lebten zwölf Jungen in dieser Einrichtung. 1834 wurde auf Grund der wachsenden Zahl von Aufnahmen ein weiteres Haus errichtet, seit 1835 kamen auch Mädchen hinzu. Um 1845 hatte sich das von Wichern geplante »Rettungsdorf« mit fünf Häusern, dem Betsaal sowie verschiedenen Gebäuden für landwirtschaftliche Tätigkeiten und handwerkliche Arbeiten entwickelt.

Von zentraler Bedeutung für den Fortgang der Arbeit war die Mitwirkung qualifizierter Mitarbeiter, die als Vertrauens- und Aufsichtspersonen sowie als Vorsteher der »Kinderfamilien« fungierten und denen Lehrtätigkeiten sowie Anleitungen zur Arbeit zufielen. Diese »Gehilfen« bzw. »Brüder« bedurften einer besonderen Ausbildung, wobei neben den sozialpädagogischen Qualifikationen für Wichern der »lebendige Glaube aller Mitarbeitendengehilfen« die entscheidende Bedingung darstellte, da »der Nerv« der ganzen Arbeit »in dem entschieden festgehaltenen christlichen Charakter des Ganzen und der Einzelnen« 23 liegen sollte.

Auf Grund dieser zentralen Bedeutung der »Brüder« für die christliche Prägung der Einrichtung bemühte sich Wichern un­mittelbar seit 1833 um ein »Gehilfeninstitut« bzw. eine »Brüderanstalt« mit dem Ziel praktischer und theoretischer Lehrkurse für die freiwilligen Helfer,24 deren Qualifikationen in den ersten Jahren des »Rauhen Hauses« seinen Ansprüchen nur bedingt genügen konnten. Daher stellte Wichern erstmals 1839 gegenüber dem Verwaltungsrat den Antrag auf Errichtung einer »Bildungsanstalt«25 für »Gehilfen« und begann in kleinem Rahmen mit dieser Arbeit. Dabei ging er von vorneherein über die auf die Erfordernisse der Erziehungsanstalt des »Rauhen Hauses« bezogenen Aufgaben hinaus und skizzierte weitere Arbeitsfelder für die »Gehilfen« in Ge­fängnissen, als Armenerzieher, Krankenpfleger, Missionare für Nichtsesshafte u. a. Resümierend beschrieb er diese Aufgabenfelder 1840 als »inländische Mission«, 1843 ist bei ihm in diesem Kontext erstmals die Bezeichnung »Innere Mission« nachweisbar.26

Der Begriff »Innere Mission« ist vermutlich zuerst von Lücke verwandt worden, der damit die Arbeit unter den der Kirche durch äußere Verhältnisse entfremdeten Gliedern beschrieben hatte. Wichern nahm diesen Begriff auf und präzisierte ihn in dem skizzierten sozialdiakonischen und -missionarischen Sinn. So bestimmte er 1844 die »Innere Mission« prägnant als Arbeit, welche den »Wiederaufbau des Reiches Gottes« im Sinn eines »Bekenntnis[ses] des Glaubens durch die Tat der rettenden Liebe« bezweckt und die durch den »allgemein priesterlichen Charakter« 27 der in freien Vereinen geordneten Tätigkeit bestimmt ist. Das Reich Gottes als um­fassender Zielbegriff des christlichen Lebens bedarf nach Wichern wesentlich der Taten der »rettenden Liebe«, die in Ergänzung zum kirchlichen Amt durch die Mitarbeiter und Förderer der Inneren Mission realisiert werden sollen. Insofern verstand er die Innere Mission als notwendiges Pendant zum geistlichen Amt, zur »apos­tolischen Kirche« gehört untrennbar die »apostolische Diakonie«. 28

Allerdings stieß Wichern im Hamburger Verwaltungsrat mit seinen weitergehenden Plänen zunächst auf Skepsis, erst 1845 ge­lang es ihm im Rahmen einer größeren Neuordnung, dass der Verwaltungsrat für die von Wichern sukzessive aufgebaute »Brüderanstalt« die Verantwortung übernahm. Zuvor hatte Wichern in ganz Deutschland für diese Arbeit geworben, Mittel zur Ausbildung der Gehilfen- bzw. der Brüderanstalt gesammelt sowie junge Männer aus ganz Deutschland, häufig aus dem Umfeld der entstehenden Jünglingsvereine, für diese Arbeit gewinnen können. 29 Auf diese Weise war das »Rauhe Haus« spätestens seit der Mitte der 1840er Jahre keine bloß lokale Hamburger Einrichtung mehr, sondern entfaltete eine Anziehungskraft in allen deutschen Regionen. Hinzu kam, dass sich Wichern seit 1844 regelmäßig publizistisch betätigte, indem er die »Fliegenden Blätter« herausgab, in denen er eine Vielzahl sozialstatistischer Daten publizierte sowie über Hilfsmaßnahmen und entsprechende Einrichtungen informierte. Zur Be­zeichnung des Zusammenhangs der verschiedenen Handlungsfelder, für die er Gehilfen ausbildete und die er in den »Fliegenden Blättern« darstellte, verwandte er seit 1843 immer häufiger und bald regelmäßig den Begriff »Innere Mission«. Somit hatte Wichern den Gedanken der »Inneren Mission« sowohl praktisch wie auch theoretisch bereits grundlegend vorbereitet, als er im Rahmen des Kirchentages 1848 die Gelegenheit erhielt, die Konzeption im Zu­sammenhang darzustellen.

2. Das Konzept der »Inneren Mission« –


Wicherns Programmatik undder organisatorische Ausbau


Im Umfeld des Revolutionsjahres 1848 verstärkten sich im deutschen Protestantismus, den nationalen Gedanken der Zeit aufgreifend, Pläne für einen deutschen Kirchenbund, der im Sinn einer Konföderation alle reformatorischen Kirchen umfassen sollte. Auch Wichern als inzwischen weithin bekannte evangelische Persönlichkeit unterzeichnete die Einladung zu der wesentlich durch freie Initiativen ins Leben gerufenen kirchlichen Versammlung, dem ersten evangelischen Kirchentag, der im September 1848 in Wittenberg tagte und die Bildung eines nationalen Kirchenbundes beraten sollte. Wichern setzte dort gegen die ursprünglichen Planungen die Behandlung der Thematik der Inneren Mission als wesentliche Aufgabe des geplanten Kirchenbundes auf die Agenda und wurde daraufhin zu seiner berühmt gewordenen Stegreifrede aufgefordert, die dem Gedanken und der Organisation der Inneren Mission den Durchbruch brachte.

Indem Wichern am folgenden Tag durch seinen Antrag, einen Ausschuss für Innere Mission einzurichten, für eine gewisse organisatorische Kontinuität sorgte, institutionalisierte sich die Innere Mission, während die Überlegungen für den geplanten Kirchenbund weitgehend ergebnislos blieben. Bereits Anfang Januar 1849 konstituierte sich der von Wichern vorgeschlagene Ausschuss als »Centralausschuss der Inneren Mission«, für den Wichern ein Ar­beits- und Organisationsprogramm verfassen sollte. Aus diesem Auftrag entwickelte sich die 1849 publizierte Denkschrift »Die Innere Mission der deutschen evangelischen Kirche. Eine Denkschrift an die deutsche Nation« 30, bei deren Endfassung Wichern zwar vielfache Anregungen von Mitgliedern des Centralausschusses aufnahm, die aber dennoch »als die authentische zusammen­fassende Darstellung seines Verständnisses von Innerer Mission gewertet werden«31 kann.

Im ersten Teil der Denkschrift stellte Wichern grundsätzliche Überlegungen zur Bedeutung der Inneren Mission für die Kirche an, indem er einen weiten geschichtstheologischen Bogen skizzierte. Durch die Erhebung des Christentums zur Staatsreligion im 4. Jh. wurde nach seiner Auffassung das allgemeine Volksleben zwar durch die kirchliche Organisation in das Reich Gottes integriert, wobei jedoch eine innere Missionierung der Bevölkerung weitgehend unterblieb. Diese Tendenz verschärfte sich in der Folgezeit, speziell auf Grund der Umstände der Christianisierung der germanischen und der slawischen Völker, so dass immer mehr Menschen in die Ordnung der Kirche integriert wurden, ohne dass ein individueller Glaube und eine christlich verstandene Sittlichkeit die Grundlagen der Lebensführung der Einzelnen wie der Völker bildeten. Auch die Reformation konnte angesichts dieser Problematik nur einen Aufbruch bewirken, indem versucht wurde, das öffentliche wie das private Leben auf das Wort Gottes hin zu orientieren. Allerdings gelang es auch der evangelischen Kirche nur bedingt, die Bevölkerung im Sinn einer christlichen Lebensführung zu prägen. Als Ergebnis dieser Entwicklungen interpretierte Wichern gegenwartsdiagnostisch eine weitreichende Entsittlichung und eine entsprechende Verelendung breiter Volksmassen als Konsequenzen einer fortschreitenden Entkirchlichung, konkret: einer »bo­denlosen Entfremdung und des weitverbreiteten Abfalls vom Evangelio« 32. Daneben betonte er aber auch, dass sich aus sozialen Notlagen heraus vielfach erst eine gewisse Sittenlosigkeit und auch Gottlosigkeit entwickelt hatte,33 dass also bestimmte gesellschaftliche Voraussetzungen als »Möglichkeitsbedingungen und Un­mög­lichkeitsbedingungen gelebter Religion und Sittlichkeit«34 beachtet werden müssen.

Dementsprechend waren für Wichern die Bemühungen um eine innerliche und eine äußerliche, um eine seelsorgerlich-missionarische und eine sozialdiakonische Erneuerung untrennbar verknüpft mit dem Ziel, die gesamte Lebensführung im privaten wie im öffentlichen Bereich durch das Christentum zu prägen, wie es in seiner klassischen Definition der »Inneren Mission« deutlich zum Ausdruck kommt: »Als Innere Mission gilt uns nicht diese oder jene einzelne, sondern die gesamte Arbeit der aus dem Glauben an Christum geborenen Liebe, welche diejenigen Massen in der Christenheit innerlich und äußerlich erneuern will, die der Macht und Herrschaft des aus der Sünde direkt oder indirekt entspringenden mannigfachen äußeren und inneren Verderbens anheim ge­fallen sind, ohne daß sie, wie es zu ihrer christlichen Erneuerung nötig wäre, von den jedesmaligen geordneten christlichen Ämtern erreicht werden.« 35 Das Wegweisende der Konzeption Wicherns besteht wesentlich darin, dass es ihm entschieden um eine innere wie äußere Erneuerung der Christenheit ging.

Theologisch begründete Wichern diese Zielsetzung mit dem Verweis auf das Reich Gottes, das die Herrschaft Gottes über die Welt, somit über alle Lebensbereiche bedeutet. Zwar sah Wichern durch die geschichtliche Entwicklung das Reich Gottes bereits in eine Beziehung zum öffentlichen, speziell zum nationalen Leben vieler Völker gestellt, sein Reich-Gottes-Verständnis zielte jedoch letztlich auf das christliche Volk, d. h. auf eine umfassende Christianisierung der gesamten Bevölkerung. Dementsprechend verstand er die Aufgabe der Inneren Mission als Arbeit am Reich Gottes, indem sie als eine evangelische Erneuerungsbewegung den Herrschaftsanspruch des Reiches Gottes über alle Lebensgebiete ausbreiten sollte, um insbesondere diejenigen »großen Institutionen, welche das ganze Leben des Volkes umfassen, nämlich ... Kirche und ... Staat« derart zu reformieren, dass diese als »christliche Kirche und ... christlicher Staat« 36 alle Lebensordnungen prägen könnten. Wicherns Konzept der Inneren Mission zielte somit im prägnanten Sinne des Wortes auf eine Christianisierung der Gesellschaft, die es nicht zuletzt angesichts der politisch revolutionären Tendenzen der Zeit durchzusetzen galt. Die Erfahrungen der Revolution in­terpretierte er – ähnlich wie Friedrich J. Stahl – in eschatologischer Perspektive, wobei der bedrohlichen Dramatik der als Gericht Gottes begriffenen revolutionären Ereignisse die Hoffnung auf einen grundlegenden gesellschaftlichen Wandel und Neuanfang entsprach: »Als der wilde Orkan und das vulkanische Beben Europa zu erschüttern begann und auch Deutschland in das Meer der Revolution hinabstürzte, und Seuchen, Aufruhr und Krieg die Gerichte Gottes verkündeten, sahen in denselben jene Wartenden die Ge­burtswehen eines neuen besseren Zeitalters im Reiche Gottes.« 37 Wichern deutete das Geschehen der Revolution geschichtstheologisch, indem er sie als äußerste Konsequenz des Abfalls vom Evangelium deutete und gleichzeitig in ihr den möglichen Beginn einer neuen Stufe der Entwicklung des Reiches Gottes sah, die durch eine Verchristlichung und Versittlichung des öffentlichen Lebens ge­prägt sein sollte.

Diesem in der universalen Reich-Gottes-Botschaft verankerten Verständnis der Inneren Mission entsprechend hatten sich deren Aufgabenbereiche nach Wichern auf alle Bereiche des Lebens zu erstrecken, wie er im zweiten Teil der Denkschrift ausführte. Wichern thematisierte die Innere Mission im Blick auf das staat­liche, das kirchliche, das sittliche und das soziale Gebiet, wobei er die jeweiligen Missstände mit Handlungsperspektiven der Inneren Mission kontrastierte. Besondere Bedeutung kommt dabei den Überlegungen zum sozialen Bereich zu. Insbesondere die von ihm seit seiner Sonntagsschultätigkeit diagnostizierte Zerrüttung der Familienverhältnisse sah er als grundlegende Ursache von sittlicher Verwahrlosung und materieller Verarmung an. Dementsprechend betonte Wichern mit Nachdruck das Ziel der Wieder­herstellung geordneter Familienverhältnisse, wobei er zum einen die bereits durch die Rettungsanstalten geleistete Arbeit für die Jugend sowie für die Armenpflege betonte, darüber hinaus aber als nächsten Schritt sozialpolitische Maßnahmen zur Stabilisierung von Familie, Besitz und Arbeit einforderte. Im Blick auf den von ihm diesbezüglich propagierten Aufbau von »christlichen Assoziationen der Hilfsbedürftigen selbst« ging er über bloß karitative Maßnahmen hinaus und erhoffte gesellschaftspolitische Maßnahmen zur Stabilisierung der Ordnungen der Familie, des Eigentums und des Arbeitslebens, wobei ihm eine Reform im Sinn eines erneuerten »patriarchalischen Verhältnis[ses] …, das ein christliches Regenerationsprinzip zur Unterlage haben« 38 sollte, vorschwebte.

Es ist erstaunlich, wie vorurteilslos und unvoreingenommen Wichern trotz seines dezidiert konservativen Gesellschaftsbildes die sozialen Lagen beschreiben konnte. Sowohl in der Denkschrift wie auch in den »Fliegenden Blättern« findet sich eine Fülle sozialstatistischen Materials. Wichern hat alle ihm zur Verfügung stehenden Daten über die Lage der armen Bevölkerung gesammelt, verarbeitet und daraus entsprechende Konsequenzen für die Arbeit der Inneren Mission entwickelt. So finden sich in der Denkschrift ausführliche Daten aus Deutschland und zum Teil den angrenzenden europäischen Ländern über den sittlichen und sozialen Zu­stand der Bevölkerung, den Wichern u. a. am Beispiel des Verhältnisses von ehelichen und nichtehelichen Kindern oder anhand der Kriminalstatistik zu verdeutlichen versuchte. Diese Befunde wurden von ihm interpretiert, indem er sie mit der sozialen Lage der Bevölkerung, dazu gehörten Analysen über die Wohnungsverhältnisse, die Kindersterblichkeit, die Zahlung von Unterstützungsgeldern in einzelnen Regionen, in Verbindung setzte. Wichern strebte eine unbefangene Wahrnehmung der sozialen Wirklichkeit an, weil nur auf dieser Grundlage sinnvolles diakonisches und sozialpolitisches Handeln möglich war. Diese exakte, empirisch gesättigte Analyse sozialer Zustände ist ein weiterer innovativer Grundzug des Denkens Wicherns.

Im dritten und letzten Teil der Denkschrift konzentrierte sich Wichern auf die Verhältnisbestimmung von Innerer Mission und verfasster Kirche, indem er die Vereinsstruktur der Inneren Mission theologisch zu deuten versuchte und organisatorisch in ihrer Relevanz für Kirche und Gesellschaft darstellte. In diesem Zusam­menhang betonte Wichern die Schwäche der landesherrlich ver­fass­ten Amtskirche, dass ein großer Teil der einer innerlichen und äußerlichen Erneuerung bedürftigen Bevölkerung »von den jedesmaligen geordneten christlichen Ämtern« 39 – gemeint ist hier im Wesentlichen das Pfarramt – nicht erreicht wurde. Seine Zielperspektive war daher eine Transformation der Landeskirchen von einer obrigkeitlichen Anstalt hin zu einer geschwisterlichen Ge­meinschaft, um die »aus der freien Gemeinschaft des Glaubens hervorgehende freiwillige Liebestätigkeit«40 zur Entfaltung zu bringen.

Theologischer Ausgangspunkt der Argumentation Wicherns ist der reformatorische Gedanke des Priestertums aller Gläubigen, der alle Gläubigen zu einer Mitarbeit im Reiche Gottes befähigt und aufruft: »In diesem Sinne geht die Innere Mission von der Idee des allgemeinen Priestertums aus.«41 Grundsätzlich handelt jeder Christ, der in seinem alltäglichen Beruf für das Reich Gottes arbeitet, im Sinn des allgemeinen Priestertums. Gerade auch die persönliche karitative Hilfe Einzelner wurde von Wichern als elementare Form der inneren Missionstätigkeit vorausgesetzt und gewürdigt. Allerdings war die spontane Nächstenliebe angesichts der sozialen Zustände des Pauperismus nicht mehr ausreichend. Daher sah Wichern in dem Vereinswesen das für die Aufgaben der Inneren Mission zeitgemäße Instrument für eine Reform von Kirche und Gesellschaft, das er theologisch deutete und somit zu legitimieren versuchte. Durch eine stringente Organisation der bereits vereinzelt bestehenden diakonischen Vereine begründete er die Innere Mission als große Vereinigung »der freien christlichen Hilfeleis­tungen« 42.

In diesem Sinn fand das allgemeinen Priestertum im Vereinswesen seine konkrete organisatorische Gestalt, so dass in den einzelnen christlichen Gruppen »die durch den Geist Gottes erweckten Gaben (Charismen) an die Stelle gelangt sind, wo sie in dem freiwillig übernommenen Dienst der Liebe sich zum gemeinen Nutzen entfalten können«.43 Durch die Verknüpfung der theologischen Leitbilder des Priestertums aller Gläubigen und der Charismenlehre mit dem Vereinsprinzip gelangte Wichern zu einem konkreten Handlungsmodell, zu einer organisatorischen Grundlage des Prinzips der »rettenden Liebe«.44

Die entscheidende Frage der Organisation des so verstandenen Vereinswesens war für Wichern das Verhältnis zum geordneten Amt der verfassten Kirche. Leidenschaftlich vertrat er diesbezüglich den Gedanken, die Selbständigkeit der freien Tätigkeit der Inneren Mission gegenüber etwaigen Dominanzansprüchen des Pfarramtes zu verteidigen. Ihm ging es um die jeweilige Eigenständigkeit und den rechten Zusammenhang beider Formen, die allein »in ihrem richtigen Zusammensein erst die Kirche in ihrer rechten Gestalt« 45 bildeten. Für die Innere Mission wurde insofern das Recht auf Selbständigkeit gegenüber dem Pfarramt behauptet, wobei sich im Sinn einer »freien Einigung und Verbindung ... mit der Arbeit und den Gesellschaften der Inneren Mission«46 die Träger des kirchlichen Amtes an diesem Werk beteiligen sollten. Wicherns Ideal zielte letztlich auf eine harmonische Vermittlung des kirchlichen Amtes mit der Inneren Mission, wobei beide Seiten einander stützen sollten: »Das Amt predigt nun das allgemeine Priestertum, und die, die es üben, führen gerade durch diese Übung diejenigen, welche fern waren, zum Wort und Sakrament zu­rück.«47

Die Selbständigkeit der Inneren Mission galt schließlich auch gegenüber dem Staat. Diesbezüglich forderte Wichern selbstbewusst: »Vom Staate erwartet die Innere Mission zunächst nichts, als die Gewährung des Rechts der freien Assoziation für ihre Zwe­cke.«48 Der sich seit dem Beginn des 19. Jh.s entwickelnde Raum gesellschaftlicher Selbstorganisation im Rahmen des Vereinswesens wurde von Wichern ohne jeden Vorbehalt für die Aufgaben der Inneren Mission reklamiert.

Neben diesen theologisch-ekklesiologischen Grundfragen skizzierte Wichern im dritten Teil die von ihm gewünschte Organisationsentwicklung der Inneren Mission, die sich aus den Gemeinden aufbauend vom Gemeindeverein über Stadt-, Kreis- und Landesvereinigungen bis hin zu einem reichsweiten Dachverband er­strecken sollte, wie er mit der Bildung des Centralausschusses sehr schnell realisiert wurde. Ein wichtiger Pfeiler dieses Organisationskonzepts war der planmäßige Aufbau einer evangelischen Publizistik. Dadurch sollten einerseits die sozialen Notstände und die entsprechenden Hilfsmaßnahmen allgemein erörtert sowie andererseits eine Behebung der Defizite auf dem unmittelbar kirchlichen Gebiet – insbesondere die Probleme der unregelmäßigen oder kaum realisierten kirchlichen Versorgung der Gemeindeglieder – angestrebt werden. Da äußerliche und innerliche Erneuerung für Wichern untrennbar zusammengehörten, betonte er das volksmissionarische Element in gleicher Weise wie die diakonische Praxis.

Neben der Arbeit der Bibelgesellschaften, deren Wirken Wi­chern diesbezüglich als »erste Zurüstung der Inneren Mission in Deutschland«49 würdigte, skizzierte er das Ziel einer planmäßigen Verbreitung christlichen Schrifttums. So regte er die Herausgabe kirchlicher Volksbücher und die Unterstützung von Traktatschriften an, unterstützte den Aufbau christlich ausgerichteter Bibliotheken, die auch historische und naturkundliche Bände umfassen sollten. Schließlich förderte er als »Zwischenglied zwischen den Traktaten und religiösen Büchern ... die populären, religiösen Zeitschriften«. 50 Nach dem Vorbild englischer und nordamerikanischer Schriftenmissionsgesellschaften regte er insbesondere die Redaktion und Verbreitung solcher Zeitschriften an, die es in Deutschland bis dahin kaum gegeben hatte. Dabei sah er die in den 40er Jahren entstandene politische Publizistik in Deutschland in ihrer Gestaltung und Durchführung als vorbildlich an: »Die Arbeit, die an Herausgabe politischer Blätter gewandt wird, kann hier zum Muster dienen. Es müßten sich Gesellschaften bilden, die dazu geeignete Männer in den Stand setzten, wenigstens die Hälfte ihrer Zeit solcher Arbeit zu widmen; die tüchtigsten Köpfe und Federn müßten dafür gewonnen und Zeit und Mühe nicht gespart werden.« 51

Wicherns engagierte Bemühungen um eine evangelische Publizistik zeugen davon, wie sehr er die wachsende Bedeutung der Öffentlichkeit für seine Zeit erkannte und christliches Denken in neuartiger Weise in der Gesellschaft zu vertreten suchte.

Zur Finanzierung dieser vielfältigen Aufgaben setzte Wichern auf ein hohes Maß an Spendenbereitschaft. Die Mitglieder des Centralausschusses sowie die von diesem eingesetzten Agenten, welche die Verbindung zu den einzelnen Werken und den regionalen so­wie lokalen Vereinen der Inneren Mission aufrecht hielten, wa­ren explizit befugt, »Geldbeträge für die allgemeinen oder besonderen Zwecke«52 entgegenzunehmen: »Sie hoffen auf das Scherflein der Witwe und auf die reichliche Unterstützung von Seiten solcher, die Gott mit irdischen Gütern gesegnet hat. Die Veranlassung ist hiermit aufs reichlichste geboten, durch die Tat zu beweisen, wie gern diejenigen, welchen das Evangelium die Wahrheit ist, Opfer bringen, wo es das wahre Wohl des Volkes gilt!«53

Die Aufnahme der für seine Zeit modernen organisatorischen Formen war für Wichern charakteristisch. Obwohl er auf Grund seiner politischen Option die bürgerlichen Emanzipationsbestrebungen äußerst kritisch beurteilte, hat er die politischen Formen und Stilmittel des Bürgertums – insbesondere das Vereinswesen und die Pressearbeit – aufgegriffen und auf diese Weise sein Re­formprogramm der Inneren Mission mit Hilfe der modernen Ausdrucksformen der sich entwickelnden bürgerlichen Öffentlichkeit propagiert.

3. Das sozialdiakonische und gesellschaftspolitische Engagement Wicherns nach 1848


Zum ersten Präsidenten des Centralausschusses der Inneren Mission wurde mit Moritz A. von Bethmann-Hollweg ein über vielfältige politische Kontakte verfügender Jurist ernannt, der das Amt bis 1858 innehatte, bevor es auf Wichern selbst überging. Der Centralausschuss legte in seinen Statuten fest, jährlich einen Kongress in zeitlicher und räumlicher Nähe zu den evangelischen Kirchentagen zu veranstalten. Auf diese Weise wurden die Kongresse der Inneren Mission zu einem zentralen Bestandteil der Kirchentage während der 1850er und 1860er Jahre. 54

Wichern hielt auf diesen Kongressen jeweils grundlegende Vorträge über die Entwicklungen und die Herausforderungen der Inneren Mission. Ein wesentlicher Konfliktpunkt gerade in den ersten Jahren nach 1849 war nach wie vor die Verhältnisbestimmung von Innerer Mission und kirchlichem Amt. Konfessionell geprägte Lutheraner, wie die Hannoveraner Petri und Münchmeyer, forderten als Ausgangspunkt einer kirchlichen Reform die Stärkung des Predigtamtes und eine deutliche Betonung des lutherischen Bekenntnisses, während sie das von Wichern propagierte Vereinswesen als Gefährdung der kirchlichen Entwicklung ansahen. Demgegenüber finden sich in Wicherns Ausführungen auf den Kirchentagen zunehmend kritische Töne gegen die Landeskirchen, denen auf Grund des Wirkens der Inneren Mission neue Kräfte zufließen würden. Im Zuge der weiteren Entwicklung der Inneren Mission traten diese theoretischen Gegensätze angesichts der erfolgreichen Arbeit der Inneren Mission, häufig in Abstimmung mit kirchlichen Amtsträgern, zurück und an die Stelle des Gegensatzes von kirchlichem Amt und freier Vereinstätigkeit der Inneren Mission trat ein koordiniertes Miteinander unter Beibehaltung der jeweiligen Besonderheit. 55

Die in der »Denkschrift« unter dem Stichwort »Die Innere Mission auf sozialem Gebiet« angedeuteten weitreichenden sozialpolitischen Reformimpulse wurden von Wichern in der Folgezeit nur bedingt weiter verfolgt, mit der Ausnahme des Versuchs einer Reform des Gefängniswesens.56

Dieser Arbeitsbereich entwickelte sich auf Grund eines durch den preußischen Gesandten Christian Bunsen vermittelten Kontaktes zu Friedrich Wilhelm IV. im Jahr 1844.57 Der preußische König hatte bereits zuvor finanzielle Mittel zur Ausbildung von zwei Brüdern im Gehilfeninstitut des Rauhen Hauses zur Verfügung gestellt, die später in den Gefängnisdienst treten sollten. Im Rahmen der Gespräche zwischen Wichern und Friedrich Wilhelm IV. traten grundsätzliche Überlegungen für eine Gefängnisreform immer stärker in den Blickpunkt, wobei der König nach angelsächsischem Vorbild die bisherige Form des Strafvollzugs in großen Gruppen durch die Einzelhaft ablösen wollte. Die als problematisch bewertete Beeinflussung der Häftlinge un­tereinander sollte durch eine sozialpädagogisch motivierte Betreuung der einzelnen Gefangenen ersetzt werden, wobei entsprechend geschultes Ge­fängnispersonal die Gefangenen intensiv begleiten und beeinflussen sollte. Wicherns Plan war es, im Rauhen Haus ausgebildete Brüder in großer Zahl für diese Art der Gefängnisreform zur Verfügung zu stellen. Er unternahm entsprechende Inspektionsreisen durch preußische Gefängnisse, gehörte verschiedenen Reformkommissionen an, und es gelang ihm im Jahr 1856, dass zunächst 38 Brüder ihre Arbeit zur »Gefangenenpflege« in Gefängnissen aufnehmen konnten. 58 Wichern selbst wurde 1857 als vortragender Rat im Ministerium des Innern und als Oberkonsistorialrat im EOK in den preußischen Staatsdienst übernommen, wobei er sich insbesondere auf die Aufgabe einer Fortführung der Gefängnisreform konzentrierte. Allerdings gestaltete sich dieses Wirken von Beginn an unter ungünstigen Bedingungen: Friedrich Wilhelm IV. musste im Oktober 1858 die Regentschaft an Prinz Wilhelm übertragen. Wichern verlor damit seinen wichtigsten politischen Rück­halt, zudem war der Einsatz der im Rauhen Haus ausgebildeten Brüder ohne gesetzliche Grundlage erfolgt. Als 1862 eine Weiterführung der Arbeit der Brüder im Gefängnisdienst abgelehnt wurde, war das von Wichern favorisierte Modell einer Reform faktisch gescheitert, obwohl er weiterhin als Rat im Innenministerium tätig und die Aufgabe der Gefängnisreform nach wie vor sein besonderes Anliegen war.

Ohne Ergebnis blieben die Gespräche Wicherns mit dem protes­tantischen Sozialreformer Viktor A. Huber, die darauf zielten, den Aufbau und die Förderung von Genossenschaften in die Arbeitsfelder der Inneren Mission zu integrieren. Wichern sah in den Genossenschaften wichtige Formen der »Selbsthilfe«59, die seinen gesellschaftlichen Reformvorstellungen entsprachen, kritisierte an den bestehenden Genossenschaften die zumeist fehlende christliche Grundlage und forderte die Kirchen auf, diese Aufgabe als diakonisches Handlungsfeld anzuerkennen. Trotz der Behandlung der Genossenschaftsfrage auf den Kirchentagen von Brandenburg 1862 und Altenburg 1864 sowie der Berufung Hubers als des »ständigen Referenten« des Centralausschusses für das Genossenschafts­we­sen60 kam es jedoch zu keinen konkreten Initiativen, was, da Wi­chern stets kritische Vorbehalte gegenüber den weitreichenden Plänen Hubers hegte, sowohl konzeptionelle wie auch persönliche Gründe hatte.

Erfolgreich war Wichern demgegenüber auf dem Gebiet des Ausbaus der unmittelbaren sozialdiakonischen Arbeit, wie es sich etwa in der Gründung des Evangelischen Johannesstiftes in Berlin als »Brüderhaus« zur Ausbildung von Diakonen nach dem Hamburger Vorbild niederschlug.61 Aus dem »Brüderhaus« entwickelte sich sehr bald eine Anstalt für Kinder und Jugendliche, zudem bauten die »Brüder« außerhalb des Stiftes eine sozialdiakonische und -missionarische Arbeit in Berlin auf, die zur Keimzelle der Berliner Stadtmission wurde.62

Einen letzten sozialpolitischen Impuls versuchte Wichern schließ­lich nach der Reichsgründung im Oktober 1871 zu setzen, als er an die Stelle der traditionell im Rahmen des Kirchentages tagenden Kongresse der Inneren Mission eine eigenständige sozialpolitische Versammlung einberief, die bewusst den Kontakt zu bürgerlichen Sozialreformern suchte, insbesondere zu den Vertretern der historischen Schule der Nationalökonomie. Wicherns Vortrag »Die Mitarbeit der evangelischen Kirche an den sozialen Aufgaben der Gegenwart«63 war stark apologetisch gegenüber sozialis­tischen Gesellschaftstheorien bestimmt, vermochte jedoch kaum neue Anregungen zu vermitteln. Immerhin gelang es durch diese Konferenz, führende Nationalökonomen, wie Adolph Wagner, der das Korreferat hielt, in die Arbeit des sozialen Protestantismus zu integrieren.

Wichern selbst, der 1866 zwei Schlaganfälle erlitten hatte und dadurch bereits in seiner Schaffenskraft eingeschränkt war, wurde durch einen weiteren schweren Schlaganfall 1874 so sehr ge­schwächt, dass er im April 1874 die Entlassung aus dem Staatsdienst erbat. Nach einer längeren Leidenszeit, die seine Handlungsfähigkeit immer mehr einschränkte, verstarb er am 7. April 1881.

Würdigung


Wicherns Konzept der Inneren Mission zielte auf eine tiefgreifende Reform von Kirche und Gesellschaft, um auf der Grundlage einer Christianisierung der Bevölkerung eine lebendige Volkskirche zu entwickeln und gleichzeitig die Gesellschaft durch christliche Wertvorstellungen zu prägen. Auf diese Weise hoffte er insbesondere die soziale Frage seiner Zeit zu lösen. Dieses umfassende Re­formprogramm ließ sich letztlich nicht verwirklichen, dennoch sind von Wicherns Impulsen weitreichende Veränderungen in Kirche und Gesellschaft ausgegangen. Insofern bleibt jede Würdigung Wicherns ambivalent, je nachdem, welche Elemente seines Re­formprogramms in den Mittelpunkt gestellt werden.

Das von Wichern vorrangig anvisierte Ziel einer Christianisierung der Bevölkerung, die über eine bloß formale Kirchenmitgliedschaft weit hinausgehen sollte, ließ sich auch durch die Arbeit der Inneren Mission nicht realisieren, wenngleich die volksmissionarischen Ansätze, wie sie insbesondere in der Arbeit der Schriften- und der Stadtmissionen ihren Niederschlag fanden, bedeutsame Ak­zente setzen konnten. Auf dem Feld der Sozialpolitik, speziell im Blick auf die Herausforderungen der durch die Industrialisierung verursachten sozialen Frage, erwies sich die Konzeption Wicherns auf Grund ihrer Verhaftung in letztlich vorindustriell geprägten, pat­riarchalischen Denkweisen als unzureichend und es dürfte kein Zufall sein, dass Wichern selbst, abgesehen von seinen Bemühungen um die Gefängnisreform, auf diesem Feld vergleichsweise wenige Aktivitäten entfaltete. 64 Andererseits lässt sich Wichern als »konservativer Visionär«65 interpretieren, der den Protestantis­mus im Sinn eines »anwendungstheoretischen Innovationsprogramms« auf die gesellschaftlichen Veränderungsprozesse seiner Zeit »durch Umstellungen in der Form religiöser Kommunikation und ihrer organisatorischen Vermittlung«66 eingestellt hat. Die innovativen Elemente der Konzeption Wicherns, die Betonung der »rettenden Liebe« und damit des organisierten diakonischen Handelns als unaufgebbarer Auftrag der Kirche, die durch den Verweis auf das Priestertum aller Gläubigen theologisch legitimierte Aufwertung des freien Vereinswesens, der Aufbau einer modernen Publizistik sowie die stark empirische Ausrichtung seines Sozialdenkens u. a. rechtfertigen es, Wichern als »konservativen Modernisierer« 67 zu bezeichnen.

Wichern blieb im Blick auf die Deutungsmuster gesellschaftlicher Entwicklungen patriarchalisch-konservativ, während er durch den Aufbau und die Praxis der Inneren Mission das Feld sozial­diakonischen Handelns nachhaltig geprägt und in einzelnen Bereichen, wie dem der Sozialpädagogik,68 grundlegende Anregungen vermittelt hat. Auch die Theologie Wicherns ist im Sinn einer »konservativen Modernisierung« gleichzeitig von traditionellen Inhalten wie von innovativen Elementen geprägt. So skizzierte er einerseits eine innovativ zu nennende, wenngleich theologisch nur bedingt systematisch entfaltete Reich-Gottes-Theologie, schuf Möglichkeiten der Umsetzung des Gedankens des allgemeinen Priestertums und äußerte eine skeptische Distanz gegenüber dem Konfessionalismus seiner Zeit, während andererseits sein theologisches Ordnungsdenken weithin in der Tradition der reformatorischen Drei-Stände-Lehre verharrte. Allerdings dürfte es gerade diese Ambivalenz von Innovation und Konservativismus gewesen sein, die es Wichern ermöglichte, das Innovationspotential seiner theologisch reflektierten Praxis für den Mehrheitsprotestantismus seiner Zeit anschlussfähig werden zu lassen. Gerade auf diese Weise wurde Wichern zum Begründer der Inneren Mission und dadurch zu einer der wirkungsgeschichtlich bedeutendsten Persönlichkeiten des deutschen Protestantismus im 19. Jahrhundert.

Summary
Johann H. Wichern, the founder of the »Innere Mission«, the organization of social and missionary services of the Protestant Churches, committed himself in a similar manner to religious awakening and social reform of protestant Germany. From the beginnings of his career as initiator of the famous institution for children and young people in Hamburg-Horn, the »Rauhes Haus«, up to his concept of »Innere Mission« and his efforts for a reform of prisons in Prussia he sticked to this issue. The article works out the base lines of his activities and his theological thinking focussing the analysis of his aide memoire (»Denkschrift«) about the »Innere Mission« of the Protestant Church in Germany, which can be characterized as a form of »conservative modernization«. In spite of his political and theological conservative attitudes Wichern suggested a successful program for coping with the religious and social crisis of early modernity.

Fussnoten:

1) Martin Gerhardt, Ein Jahrhundert Innere Mission, 1948, Bd. 1, 73.
2) Erich Beyreuther, Geschichte der Diakonie und Inneren Mission in der Neuzeit, 1962 (2. Aufl.), 106.
3) Martin Gerhardt, Johann H. Wichern. Ein Lebensbild. Bd. II, 1928, 111.
4) Johann Hinrich Wichern, Sämtliche Werke. Bd. 2, 328 f. Wicherns Schriften werden im Folgenden zitiert nach der Ausgabe der »Sämtlichen Werke«, hrsg. von Peter Meinhold/Günter Brakelmann, 10 Bände, Berlin-Hannover 1958–1988. Auf die Angabe SW folgt die jeweilige Bandzahl und durch Komma abgetrennt die Seitenzahl.
5) Jochen-Christoph Kaiser, Innere Mission, in: Evangelisches Soziallexikon. Neuausgabe, 2001, 740.
6) Gerhard Uhlhorn, Die christliche Liebestätigkeit, 1959, 721 (Nachdruck der 2. Aufl. 1895).
7) Vgl. den knappen, präzisen biographischen Überblick von Helmut Talazko, Johann Hinrich Wichern, in: Martin Greschat (Hrsg.), Gestalten der Kirchengeschichte, Bd. 9/2, 1985, 44–63.
8) SW 4/I, 32–46.
9) SW 4/II, 47–95.
10) »Gleichwie Falk ... ohne Stock, Schläge, Rutenhiebe, Einkerkerungen und Gefängnis, bloß durch väterliche Zucht, liebreiche Behandlung und Arbeit im Freien, und zwar bei offenen Türen, erreichte, dass der wilde Knabe zur Besinnung und Umkehr kam, so ist ihm dasselbe durch die selben Mittel bei vielen anderen gelungen.«, SW 4/I, 80.
11) SW 4/I, 96 f.
12) SW 4/I, 96.
13) Ebd.
14) Ebd.
15) J. H. Wichern, Die öffentliche Gründung des Rauhen Hauses, SW 4/I, 103.
16) Ebd.
17) Ebd.
18) Vgl. Roland Anhorn, Sozialstruktur und Disziplinarindividuum: Zu Johann Hinrich Wicherns Fürsorge- und Erziehungskonzeption des Rauhen Hauses, Köln u. a. 1992, der kritisch und zu einseitig insbesondere die Einübung derjenigen Verhaltensdispositionen herausgestellt hat, welche die entstehende bürgerlich-kapitalistische Gesellschaft von ihren Mitgliedern erwartete. Vgl. a. a. O., 195.215 u. a.
19) So die Charakterisierung von G. Uhlhorn, Liebestätigkeit (s. Anm. 6), 719.
20) SW 4/I, 111.114 u. a.
21) So Wichern in seiner größeren Ausarbeitung »Rettungsanstalten für verwahrloste Kinder« (1833), in: SW 4/I, 54.
22) Vgl. SW 4/I, 132.
23) J. H. Wichern, Festbüchlein des Rauhen Hauses zu Horn (1856), SW 4/II, 183.
24) Vgl. J. H. Wichern, Die Begründung der Brüderanstalt im Rauhen Hause (1839), SW 4/I, 199.
25) Ebd.
26) So in seinem Bericht »Nachricht über das Gehilfeninstitut, als Seminar für die Innere Mission unter deutschen Protestanten, im Rauhen Haus zu Horn bei Hamburg« (1843), SW 4/I, 202–220.
27) J. H. Wichern, Notstände der protestantischen Kirche und die innere Mission (1844), SW 4/I, 235.
28) Ebd. Wichern benutzte häufig harmonische Bilder, um die Zusammengehörigkeit von kirchlichem Amt und Innerer Mission zu beschreiben: »… die Kirche, der es … nie an Kopf und Mund gefehlt hat, bekundet in der inneren Mission den Besitz des wieder lebensfrisch schlagenden Herzens und der schöpferischen, Gestalt gebenden Hand.«, a. a. O., 235 f.
29) Vgl. G. Uhlhorn, Liebestätigkeit (s. Anm. 6), 722.
30) J. H. Wichern, Denkschrift, SW 1, 175–359.
31) H. Talazko, Wichern (s. Anm. 7), 201. Wichern hat, wie spätere handschriftliche Zusätze zur Denkschrift zeigen, verschiedene Stellen präzisiert und zugespitzt (vgl. z. B. SW 1, 184 f.), woraus die im Centralausschuss diskutierten Vorgaben rekonstruierbar sind. Dennoch ist dem grundsätzlichen Urteil Talazkos zuzustimmen.
32) SW 1, 179.
33) Vgl. Günter Brakelmann, Kirche und Sozialismus im 19. Jahrhundert. Die Analyse des Sozialismus und Kommunismus bei Johann Wichern und Rudolf Todt, 1966, 50.
34) Volker Drehsen, Konservativer Visionär. Wicherns Forderungen als Fragen an die Gegenwart, in: Evangelische Kommentare, Jg. 31 (1998), 212.
35) SW 180.
36) SW 4/II, 19. Wichern lässt nicht nur durch die Verwendung des Begriffs »christlicher Staat« seine enge Nähe zu Friedrich Julius Stahl (1802–1861) erkennen. Vgl. T. Jähnichen, »Stahl, Friedrich Julius«, in: TRE Bd. XXXII, in Gemeinschaft mit H. R. Balz u. a. hrsg. von G. Krause und G. Müller, 2000, 107–110.
37) SW 1,179.
38) SW 1, 277; vgl. seine Ausführungen zum Assoziationsgedanken SW 1, 273 ff.
39) SW 1, 180.
40) SW 1, 317.
41) SW 1, 204.
42) SW 1, 314.
43) SW 1, 313.
44) Vgl. Jürgen Albert, Christentum und Handlungsform bei Johann Hinrich Wichern (1808–1881), 1997.
45) SW 1, 313. – Vgl. dazu auch die Bemerkungen bei Jochen-Christoph Kaiser, Ist Diakonie Kirche? Überlegungen zu einem schwierigen Verhältnis in historischer Perspektive, in: Diakonie Dokumentation 3/99: Diakonie ist Kirche – zur Konfessionalität eines Wohlfahrtsverbandes,1999, 25–32.
46) SW 1, 209.
47) SW 1, 324. – Auf Wicherns weitergehende Vorstellungen eines besonderen diakonischen Amtes der Kirche (Diakonat oder Archidiakonat), wie er es auf der sog. Monbijou-Konferenz 1856 entwickelte, kann hier nur hingewiesen werden. Wichern wollte, dass »der verfassten Kirche gleichsam eine diakonische Struktur unterlegt« werde. Vgl. Kaiser, Ist Diakonie Kirche? (s. Anm. 45), 28.
48) SW 1, 183.
49) SW 1, 213.
50) SW 1, 222.
51) Ebd.
52) SW 1, 360.
53) Ebd.
54) Vgl. Helmut Talazko, Einheit für den Dienst, in: Die Innere Mission, 63. Jahrgang (1973), 347–365.
55) Vgl. G. Uhlhorn, Liebestätigkeit (s. Anm. 6), 725–728.
56) Die entsprechenden Schriften Wicherns finden sich in SW 7.
57) Vgl. Frank Förster, Soziale Frage und Kirchenerneuerung bei Bunsen und Friedrich Wilhelm IV., in: M. Friedrich (u. a.), Sozialer Protestantismus im Vormärz, 2001, 172 f.
58) Vgl. H. Talazko, Wichern (s. Anm. 7), 206.
59) Vgl. u. a. J. H. Wichern, Allgemeines über das Genossenschaftswesen (1863), SW 5, 197–200.
60) Vgl. J. H. Wichern, Nachwort zu Huber: Das Wesen der Genossenschaft (1862), SW 5, 195.
61) Vgl. J. H. Wichern, Eingabe an den EOK betreffend das Johannesstift in Berlin (1858), SW 5, 146–151.
62) J. H. Wichern, Das evangelische Johannesstift in Berlin. Zur Stadtmission im allgemeinen, mit besonderer Beziehung auf Berlin (1867), SW 5, 216–231.
63) Abgedruckt in: SW 3/II, 192–221.
64) In diesem Sinn ist die Kritik von G. Brakelmann, Kirche und Sozialismus (s. Anm. 33), berechtigt, der die Grenzen der Wichernschen Sozialauffassung – nicht zuletzt im Vergleich mit sozialistischen Denkmodellen – präzise herausgearbeitet hat.
65) Vgl. Volker Drehsen, Konservativer Visionär (s. Anm. 34).
66) S. Sturm, Wicherns Sozialtheologie, 68.
67) Vgl. Traugott Jähnichen/Norbert Friedrich, Geschichte der Ideen des sozialen Protestantismus, in: Helga Grebing (Hrsg.), Geschichte der sozialen Ideen in Deutschland, 2005 (2. Aufl.), 874 ff.
68) Vgl. hierzu seine Schriften in: SW 6.