Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

März/2008

Spalte:

285–286

Kategorie:

Philosophie, Religionsphilosophie

Autor/Hrsg.:

Demmerling, Christoph, u. Hilge Landweer

Titel/Untertitel:

Philosophie der Gefühle. Von Achtung bis Zorn.

Verlag:

Stuttgart-Weimar: Metzler 2007. XIV, 338 S. gr.8°. Kart. EUR 29,95. ISBN 978-3-476-01767-3.

Rezensent:

Ingolf U. Dalferth

Das Buch ist inhaltlich und formal einer der seltenen Fälle einer gelungenen philosophischen Kooperation. In ihren gemeinsam verfassten, detaillierten und erhellenden Studien zum Modethema Gefühl setzen Christoph Demmerling und Hilge Landweer dem gegenwärtig populären Trend naturalisierender neurobiologischer Emotionstheorien einen Zugang zur Gefühlsthematik entgegen, der sich der Tradition der Phänomenologie und der Philo-sophie Wittgensteins verpflichtet weiß. Die große Stärke ihres lesenswerten Buches ist die konsequente Konzentration auf eine genaue Beschreibung und Sichtung der Phänomene. Durchgehend wird darauf geachtet, gegenüber den kausalen Erklärungsansätzen den ›subjektiven Standpunkt‹ zur Geltung zu bringen, Gefühle also immer auch von den Erfahrungen her zu beschreiben, welche die von ihnen betroffenen Menschen im Lebensvollzug machen. Philosophisch – der Titel des Buches stellt es klar – geht es nicht nur um Emotionen, sondern um Gefühle, also darum, wie emotionale Zustände erlebt werden. Dabei bleiben die Analysen von Landweer und Demmerling nicht bei der Schilderung alltäglicher Erfahrungen stehen, sondern setzen das Beschriebene in kluger und erhellender Weise in Bezug sowohl zu den Gefühlsanalysen der philo­sophischen Tradition (Aristoteles, Thomas von Aquin, Descartes, Spinoza, Kierkegaard, Nietzsche, Freud) als auch zu den Theorie­diskussionen der Gegenwart (J. Elster, R. de Sousa, M. Nussbaum, R. Wollheim, P. Goldie, R. Roberts und viele andere mehr). Stets ist das Ziel ihrer Studien, durch detaillierte Beschreibung die begriffliche Analyse der Phänomene so zu verschärfen, dass diese nicht zerstört oder übervereinfacht, sondern in ihrer Komplexität und Differenziertheit deutlich und verständlich werden.
Nach einem einleitenden Kapitel, das Ansätze, Probleme und Perspektiven einer Philosophie der Gefühle in der Verbindung phänomenologischer und analytischer Zugangsweisen darlegt und zugleich eine gute Einführung in die gegenwärtige philosophische Diskussion der Gefühle bietet (1–34), werden in elf Kapiteln in alphabetischer Reihenfolge Achtung und Anerkennung (35–62), Angst (63–91), Ekel (93–110), Glück und Freude (111–125), Liebe (127–165), Mitgefühle (167–193), Neid und Eifersucht (195–217), Scham und Schuldgefühl (219–244), Stolz (245–258), Traurigkeit und Melancholie (259–285) und Zorn und andere Aggressionsaffekte (287–310) beschrieben und analysiert. Dabei werden jeweils kundig und verlässlich die wichtigsten Probleme und Positionen in der Analyse des jeweiligen Gefühls(komplexes) vorgestellt und kritisch diskutiert. Der Band wird abgeschlossen durch eine thematisch gegliederte Literaturliste, die neben Grundliteratur zur Philosophie und Theorie der Gefühle (311–313) weiterführende Literaturhinweise zu den einzelnen besprochenen Gefühlen gibt (313–322), die Klassiker philosophischer Gefühlsanalysen in zugänglichen Ausgaben aufführt (322–324) und schließlich sonstige wichtige Literatur zum Thema nennt (324–328). Detaillierte Personen- und Sachregister schließen den gelungenen Band ab. Wer sich privat oder in Lehrveranstaltungen in das komplexe Thema Gefühle philosophisch gründlich und auf gegenwärtigem Diskussionsstand einarbeiten will, wird mit diesem Buch bestens bedient sein.

Zürich Ingolf U. Dalferth