Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

März/2008

Spalte:

306–308

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Remenyi, Matthias

Titel/Untertitel:

Um der Hoffnung willen. Untersuchungen zur eschatologischen Theologie Jürgen Moltmanns.

Verlag:

Regensburg: Pustet 2005. 496 S. gr.8°. Kart. EUR 44,00. ISBN 978-3-7917-1984-9.

Rezensent:

Michael Hüttenhoff

In seiner Freiburger Dissertation beschränkt sich M. Remenyi nicht auf eine Darstellung und Interpretation der Eschatologie Moltmanns, sondern er geht darüber hinaus, indem er deren Fragestellungen aufnimmt und unter Berücksichtigung anderer theo­lo­gischer Konzeptionen selbst systematisch-theologische Lö­sungs­vorschläge entwickelt.
Um Moltmanns Eschatologie im Rahmen seines Gesamtentwurfs interpretieren zu können, thematisiert R. im ersten Teil »Die konzeptionelle Grundentscheidung« Moltmanns. Im 1. Kapitel arbeitet er die grundlegende Bedeutung von 1Kor 15,20–28 für Moltmanns Theologie heraus. Im 2. Kapitel wendet er sich Moltmanns »Konzeption der trinitarischen Geschichte Gottes mit der Welt« zu, der er mit Recht »programmatischen Charakter für Moltmanns gesamte Theologie« (66) zuschreibt.
Der zweite Teil behandelt den eschatologischen Entwurf Moltmanns. In der Gliederung orientiert sich R. an Moltmanns eschatologischer Monographie »Das Kommen Gottes« (1995) und behandelt zunächst die personale Eschatologie (3. Kapitel), dann die geschichtliche Eschatologie (4. Kapitel) und abschließend die kosmische Eschatologie (5. Kapitel). Die Darstellung der göttlichen Eschatologie, der das kurze Schlusskapitel von »Das Kommen Gottes« gewidmet ist, integriert R. in sein Kapitel zur kosmischen Eschatologie.
1. R. arbeitet zustimmend heraus, dass Moltmann unter dem Einfluss von 1Kor 15,20–28 sowohl im Blick auf die personale als auch auf die geschichtliche und kosmische Eschatologie eine »prozessuale Auferstehungsdynamik« (266) annimmt.
2. Moltmann vertritt nach R. sowohl einen schöpfungstheologischen Panentheismus, der mit einer Perichorese von Gott und Welt rechnet, als auch einen eschatologischen Panentheismus (vgl. 1Kor 15,28). Dieses Nebeneinander sei problematisch. Mit Recht weist R. darauf hin, dass unter der Voraussetzung eines schöpfungstheologischen Panentheismus unklar bleibe, was »von einer eschatologischen transformatio mundi noch Neues zu erwarten« (175) sei. R. selbst plädiert daher für eine klarere Unterscheidung von Gott und Welt, gegen den schöpfungstheologischen und für den eschatologischen Panentheismus.
3. Ein Widerspruch besteht für R. außerdem zwischen dem eschatologischen Panentheismus und der von Moltmann rezipierten kabbalistischen Zimzum-Vorstellung, derzufolge sich Gott habe zusammenziehen und selbst begrenzen müssen, um der Schöpfung Raum zu geben. Denn wenn es einen Eigenstand der Schöpfung nur unter der Voraussetzung einer Selbstbegrenzung Gottes gebe, würde die Aufhebung der Selbstbegrenzung durch den eschatologischen Panentheismus den Eigenstand der Schöpfung aufheben (137).
4. R. zeigt, dass Moltmann in seinen späteren eschatologischen Aussagen keine Ganztodtheorie vertritt, sondern den Tod als einen Übergang versteht. Bei diesem bleibe die in der Beziehung zu Gott gegründete personale Identität einschließlich der somatischen Identität gewahrt. Für die Zeit nach dem Tod nehme Moltmann einen Zwischenzustand, ein Sein der Toten bei Christus, an. R. versucht, diesen Zwischenzustand näher zu bestimmen. Im Anschluss an G. Greshake argumentiert er, dass die Definition der Seele als unica forma corporis unvereinbar mit der Vorstellung sei, dass die Seele im Zwischenzustand bis zur leiblichen Auferstehung als anima separata existiere. Vielmehr forme sich die Seele nach ihrem Tod einen verklärten Leib. Dennoch habe der Einzelne damit nicht die Vollendung erreicht. Das prozessuale Auferstehungsgeschehen erreiche erst dann sein Ziel, »wenn alle Menschen in den mystischen Leib Christi heimgekehrt sind, dieser die Herrschaft seinem Vater übergibt und Gott solchermaßen wirklich alles in allem sein wird« (281). Damit entscheidet sich R. gegen »die moltmannsche Verbindung von endzeitlich-leiblicher Auferstehung und endzeitlich-neuer Schöpfung« (285).
5. Einen Widerspruch entdeckt R. darin, dass sich bei Moltmann neben der Annahme eines Zwischenzustands auch der Begriff des eschatologischen Augenblicks finde. Für Moltmann sei der letzte Augenblick der eschatologische Augenblick, der »nicht nur allen Tagen der Zeiten nachzeitig«, sondern »auch allen Tagen gleichzeitig« (207) sei. R. lehnt den Begriff des eschatologischen Augenblicks ab, nicht nur, weil die Gleichzeitigkeit aller Tage in einem Augenblick keine Zeit für einen Zwischenzustand lässt, sondern auch, weil er ihn mit Recht aus zeittheoretischen Gründen als problematisch beurteilt. Stattdessen führt er den Begriff oder besser das Symbol (vgl. 264) der verklärten Zeit ein. Damit versucht er sowohl der Bindung unseres Denkens an die Zeitlichkeit als auch der Andersartigkeit des eschatologischen Seins Rechnung zu tragen.
6. Moltmann interpretiert seit 1975 (»Kirche in der Kraft des Geis­tes«) 1Kor 15,20–28 chiliastisch und vertritt systematisch-theologisch einen premillennaristischen Chiliasmus. R. weist die chiliastische Interpretation von 1Kor 15,20–28 zurück, weil sie exegetisch nicht zureichend begründet sei, und lehnt den Chiliasmus auch systematisch-theologisch ab. Moltmann gelinge es nicht, das Millennium so zu beschreiben, dass es sich signifkant von der neuen Schöpfung unterscheide. Außerdem sei das Millennium funktional nicht notwendig, denn den Anliegen, die Moltmann mit seiner chiliastischen Konzeption verfolge, könne man auch auf an­dere Weise gerecht werden.
7. In »Das Kommen Gottes« vertrete Moltmann die Hoffnung auf eine apokatastasis panton. Nach dem Erscheinen dieses Werkes gewinne in diesem Zusammenhang bei Moltmann die Thematisierung der Täter-Opfer-Problematik an Bedeutung. Diese stellt R. in den Mittelpunkt seiner Diskussion der Apokatastasis. Er versucht deren Denkmöglichkeit zu zeigen, indem er den Gerichtsgedanken in das Verständnis der Apokatastasis integriert. Das Gericht beschreibt er als ein Geschehen, das in der eschatologischen Begegnung der Opfer und Täter mit Christus stattfindet. Er hält es für möglich, dass die Täter in dieser Begegnung die Wahrheit über sich selbst anerkennen und dass den Opfern ihre Selbstachtung zurück­gegeben wird und sie den Tätern vergeben. R. begibt sich hier auf das Feld gewagter psychologischer Spekulationen.
8. Nach Moltmann muss die Eschatologie zur kosmischen Eschatologie werden. Eine »leibliche Auferstehung und vollpersonales, menschliches Leben im Eschaton« (441) kann es ihm zufolge ohne eine Neuschöpfung nicht geben. R. hält diese Begründung einer kosmischen Eschatologie jedoch für unzureichend. Die Hoffnung auf die Verklärung und Verwandlung der ganzen Schöpfung habe ihren Grund in der »universalen, alles Weltgeschehen um­greifenden Relevanz von Tod und Auferstehung Jesu Christi« (456), und ihre Möglichkeit beruhe auf der Antwortfähigkeit der gesamten Schöpfung. Was die Antwortfähigkeit im Blick auf die unbelebte Materie bedeuten soll, bleibt allerdings dunkel.
Resümee: Die Arbeit bietet eine überzeugende problemorientierte Darstellung von Moltmanns Eschatologie. Die systematisch-theologischen Überlegungen R.s bewegen sich auf hohem Niveau und stellen einen beachtlichen Beitrag zur gegenwärtigen Eschatologie dar. Irritierend ist jedoch, wie viel Raum in einer Arbeit über Moltmann der exegetischen Debatte über 1Kor 15,20–28, der historischen Deutung der Apokalyptik und anderen systematisch-theologischen Positionen gewährt wird. Die Arbeit könnte in diesen Passagen prägnanter und ergebnisorientierter sein. Dennoch handelt es sich um ein lesenswertes, systematisch-theologisch anregendes Werk.