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Ausgabe:

März/2008

Spalte:

299–300

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Schoberth, Wolfgang

Titel/Untertitel:

Einführung in die theologische An­thro­pologie.

Verlag:

Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 2006. 168 S. gr.8°. Kart. EUR 14,90. ISBN 978-3-534-15169-1.

Rezensent:

Jörg Lauster

Um die theologische Anthropologie war es nach großen Entwürfen in den 80er Jahren ruhig geworden. Wer wissen möchte, warum dies so war, der findet in dem einführenden Lehrbuch des in Bayreuth lehrenden Systematischen Theologen mögliche Antworten. Es ist ein eigentümlicher Umstand, zu sehen, wie ein Autor über weite Strecken seines Buches geradezu misstrauisch sein eigenes Vorhaben beargwöhnt.
»Vielgestaltig und unentscheidbar« (15) sei die Anthropologie. Daher werden im Nachklang verobjektivierende Menschenbilder unter Ideologieverdacht gestellt. Insbesondere mit den naturwissenschaftlichen Beiträgen zur Anthropologie wird hart ins Gericht gegangen. Ihre antireligiöse Motivation im 19. Jh. wird zügig mit rassistischem Denken in Verbindung gebracht – eine historisch zwar durchaus zulässige, mit Blick auf die gegenwärtige Diskussionslage aber ganz und gar unbrauchbare Argumentationsführung. Die Aufgabe theologischer Anthropologie liegt Sch. zufolge nicht in der »Setzung«, sondern in der »Überprüfung und Entmächtigung« (26) von Menschenbildern. Mit welchem Recht allerdings Theologie in der Frage nach dem menschlichen Selbstverständnis als kritische Supertheorie auftreten kann, das erfährt man bedauerlicherweise nicht.
Trotz dieser Gesamtanlage hält das Buch bemerkenswerte Überraschungen und Anregungen bereit. Im problemorientierten Eingangsteil wird Anthropologie fundamental als »Selbstreflexion von Menschen« (12) und im Anschluss an Gehlen gar als »Deutung des eigenen menschlichen Daseins« (20) entfaltet. Von diesem Ausgangspunkt ließe sich erstens durch den Hinweis auf den Transzendenz- bzw. Gottesbezug die Besonderheit religiöser Aussagen vom Menschen in Abgrenzung zu naturwissenschaftlichen Theorien produktiv entfalten. Zweitens läge Sch. damit ein begriffliches Instrumentarium bereit, das die Hinfälligkeit der Alternative von subjektivitätstheoretischer Religionsbegründung einerseits und offenbarungs-theologischer Glaubenserzeugung andererseits aufweisen könnte.
Im zweiten Kapitel zum interdisziplinären Kontext der Anthropologie kommt der Lehrbuchcharakter des Buches zum Tragen, der Leser wird knapp und kundig über Kant, Scheler, Plessner und Gehlen informiert. Das dritte Ka­pitel zur Anthropologiekritik enthält neben den eingangs erwähnten grundsätzlichen Erwägungen zur Ideologiekritik auch interessante Hinweise auf neuere Entwicklungen in der anthropologischen Forschung, indem z. B. die ge­genwärtig boomende his­torische Anthropologie als Gegenbewegung zu be­grifflichen Verengungen des anthropologischen Diskurses be­schrieben wird. Das vierte Kapitel stellt kompendienartig markante theologische Entwürfe des 20. Jh.s vor (Bultmann, Brunner, Barth, Rahner, Pannenberg), die in eine Darstellung der Anthropologie Luthers und derbi­blischen Rede vom Menschen münden. Dabei wird die Barthsche Anthro­pologie recht einseitig als wegweisend vorgestellt. Das schlägt sich dann im fünften Kapitel auch inhaltlich nieder, in dem Sch. die Elemente theologischer Anth­ropologie im eigentlichen Sinne entfaltet – allerdings auch hier mit originellen und aktuellen Einschüben, wie dies etwa ein Exkurs über den Menschen als homo oeconomicus im Kontext der Sündenlehre belegt (vgl. 126 f.). Dieser Schlussteil widmet sich der materialen Entfaltung der theologischen Anthropologie und behandelt thematisch Sünde und Gottebenbildlichkeit, das Verhältnis von Leib und Seele, Autonomie und vita passiva sowie Zeit und Ewigkeit. Nach den kritischen und historisch informierenden Vorüberlegungen macht dieser Teil ein Viertel aus. Daran wird deutlich, dass das Hauptaugenmerk dieser Einführung in die theologische Anthropologie sehr viel stärker auf den Begründungsfragen der Disziplin als auf der materialen Entfaltung liegt.