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Ausgabe:

März/2008

Spalte:

283–285

Kategorie:

Kirchengeschichte: Mittelalter

Autor/Hrsg.:

Nikolaus von Kues

Titel/Untertitel:

Predigten. In deutscher Übersetzung. Hrsg. am Institut für Cusanus-Forschung v. W. A. Euler, K. Reinhardt u. H. Schwaetzer. Bd. 3: Sermones CXXII–CCIII.

Verlag:

Münster: Aschendorff 2007. XXXVI, 545 S. gr.8° = Opera omnia, XVIII. Geb. EUR 36,80. ISBN 978-3-402-03483-5.

Rezensent:

Karl-Hermann Kandler

Mit diesem Band beginnt eine vierbändige Ausgabe der Predigten des Nikolaus von Kues in deutscher Übersetzung zu erscheinen. Als Grund dafür, mit Band 3 zu beginnen, wird darauf verwiesen, dass die frühen Predigten des Cusaners bereits 1952 in deutscher Sprache erschienen sind und die wissenschaftliche Edition des zweiten Bandes in Band XVII der Opera omnia noch nicht abgeschlossen vorliegt (Faszikel 7 fehlt noch). Ganz verständlich ist es nicht, dass nicht mit Band 1 begonnen wurde, sollen doch die vor über 50 Jahren erschienenen Predigten überarbeitet (neu übersetzt?) in dieser Reihe noch erscheinen.
Die in diesem Band übersetzten Predigten stammen alle aus der Zeit, in der Nikolaus als Bischof von Brixen gewirkt hat (1452–1458; in diesem Band sind die Predigten vom 7. April 1452 bis zum 8. September 1455 enthalten). Dem Band ist eine allgemeine »Einführung in die Predigten des Nikolaus von Kues« von W. A. Euler vorangestellt (XV–XXXVII), der sich eine Erklärung »Zur Übersetzungspraxis« von H. Schwaetzer anschließt (XXIX–XXXIII). Die Predigten haben K. Reinhardt und H. Schwaetzer übersetzt, W. A. Euler hat sie korrigiert und die meisten Einleitungen in die einzelnen Predigten verfasst.
Lange Zeit blieben die Predigten von Nikolaus fast unbeachtet, bis J. Koch und R. Haubst die Relevanz der 293 überlieferten Predigten für das Verständnis des Theologen Nikolaus von Kues erkannten. Bis auf zwei sind uns alle in lateinischer Sprache überliefert. Daraus kann nicht geschlossen werden, dass Nikolaus Lateinisch gepredigt hätte (höchstens dann, wenn er nur vor Klerikern predigte). Zahlreiche Texte stellen gut ausgearbeitete und zum Teil auch sehr umfangreiche Entwürfe dar, so dass wir es bei ihnen manchmal mit kleinen Traktaten zu tun haben. Andere liegen uns nur in Skizzen vor. Das gilt vor allem für die 46 Predigten, die Nikolaus auf seiner Legationsreise durch Deutschland 1451/52 gehalten hat. Er selbst hat seine Entwürfe hoch geschätzt und in zwei Prachthandschriften gesammelt und eigenhändig korrigiert. Als Bischof hat er regelmäßig gepredigt, vor allem in seiner Kathedrale, dazu auch außerhalb bei Einweihungen und Visitationen. 167 Predigten aus den sechs Jahren seiner Tätigkeit in Brixen liegen uns vor. Sie sind meist gut ausgearbeitet. Ganz im Gegensatz zu anderen Bischöfen seiner Zeit sah er in der Glaubensverkündigung eine der wesentlichen Aufgaben seines Bischofsamtes.
Nikolaus hat immer wieder über die Aufgabe eines Predigers nachgedacht. »Den geistigen Hunger der Gläubigen zu wecken, sie als vernunftbegabte Wesen anzusprechen, die auf unendliche Erfüllung, Vollendung und Glückseligkeit angelegt sind, aber diese sich selbst nicht geben können: dieser anthropologische Ausgangspunkt findet sich an vielen Stellen in den cusanischen Predigten« (XX). Er referiert dabei nicht in scholastischer Manier die Dogmen der Kirche, seine Predigten wollen Antworten geben auf die Fragen seiner Hörer, auf die Sehnsucht nach der göttlichen Wahrheit. Dabei gebraucht er vielfältig Bilder und Gleichnisse (vgl. K.-H. Kandler: Bilder und Gleichnisse in den Sermones des Nikolaus von Kues, in: Die Sermones des Nikolaus von Kues II, Mitteilungen und Forschungsbeiträge der Cusanus-Gesellschaft, Bd. 31, Trier 2006, 9–27).
Die Predigten sind ausgesprochen christozentrisch, ist doch Christus der Höhepunkt göttlicher Offenbarung, der »Deus revelatus«. Häufig geht Nikolaus vom Proprium des Tages aus, sei es von einer Schriftlesung, sei es von der Liturgie. Als Hauptaufgabe jeder kirchlichen Verkündigung bezeichnet er prägnant das »debemus evangelizare Christum« in einer Predigt, die Joh 10,11 zur Grundlage hat (Predigt CCLXXX, h XIX/6, N. 13; 588), dass also Christus als die Frohbotschaft Gottes erkannt wird. Darin sieht er »die größte und höchste Aufgabe des Priesters« (Predigt CLII, N. 9; hier 174). Von da aus kommt es zur Christusförmigkeit (»christiformis«), um die es Nikolaus in vielen Predigten geht. »Er zentriert – und zwar mit zunehmendem Alter immer stärker – sein Interesse auf diesen einen Punkt« (XXII).
Das schließt nicht aus, sondern vielmehr ein, dass Nikolaus metaphysische Spekulationen und Treue zur Heiligen Schrift und zum kirchlichen Dogma zu verbinden sucht. Er weiß, dass er seine Zuhörer öfters überfordert und sie deshalb murren. Trotzdem hat er ihnen aber auch solche Passagen zugemutet unter Hinweis auf Joh 4, habe doch Jesus mit der Samariterin »über so hohe Dinge« gesprochen, so dass er hoffe, auch unter seinen Predigthörern seien solche zu finden, die Verständnis für diese Gedanken aufbrächten. Manchmal hat er jedoch spekulative Gedanken beim mündlichen Vortrag offensichtlich weggelassen. Seine Predigten können also keinesfalls als »Primitivausgabe des cusanischen Denkens betrachtet werden«, sondern sie »müssen als originäre Entfaltungen seiner zentralen Ideen ernst genommen werden« (XXIV).
Zur Übersetzungspraxis wird vermerkt, man habe sich um eine »wissenschaftlich fundierte Übersetzung« bemüht, doch Latinismen vermieden. Üblich gewordene, für Nikolaus typische Begriffe (wie Einfaltung und Ausfaltung) habe man beibehalten. Den Predigten sind jeweils kurze Bemerkungen beigefügt. Dabei habe man sich darauf beschränkt, einige grundsätzliche Angaben zu jeder Predigt und eine Zusammenfassung ihres Inhalts zu geben, dazu notwendige Erläuterungen zum Verständnis eines Gedankens. Jede Predigt wird – soweit geboten – in das cusanische Gesamtwerk eingeordnet. Sekundärliteratur wird, falls vorhanden, aufgeführt. Übersetzt wurde nach der kritischen Edition in den Opera omnia. Explizite Zitate von Nikolaus oder anderer Autoren, ohne deren Kenntnis der Gedanke unverständlich bleibt, werden nachgewiesen. Ein Register ist dem Band nicht beigegeben.
Es ist sehr zu begrüßen, dass die Predigten von Nikolaus nun in deutscher Sprache vorliegen, haben sie doch bis heute nicht die ihnen gebührende Aufmerksamkeit erfahren. Vor allem Philosophen meinten lange Zeit, sie übergehen zu können. K. Flasch urteilt jetzt, die Edition der Sermones erlaube es, »den Denkweg des Cusanus genauer darzustellen«, doch »für das philosophische Interesse behalten ohnehin die Schriften einen gewissen Vorrang« (Nikolaus von Kues. Geschichte einer Entwicklung, 1998, 13). Der Theologe wird das häufig anders sehen.