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Ausgabe:

März/2008

Spalte:

277–280

Kategorie:

Kirchengeschichte: Mittelalter

Autor/Hrsg.:

Gresser, Georg

Titel/Untertitel:

Die Synoden und Konzilien in der Zeit des Reformpapsttums in Deutschland und Italien von Leo IX. bis Calixt II. 1049–1123.

Verlag:

Paderborn-München-Wien-Zürich: Schöningh 2006. LXIV, 604 S. gr.8° = Konziliengeschichte. Reihe A: Darstellungen. Lw. EUR 79,00. ISBN 978-3-506-74670-2.

Rezensent:

Heinrich Holze

Bei dieser Veröffentlichung, die in der von Walter Brandmüller he­rausgegebenen Reihe »Konziliengeschichte« erschienen ist, handelt es sich um eine Habilitationsschrift, die im Wintersemester 2003/04 von der Fakultät für katholische Theologie an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg angenommen wurde. Sie wurde angeregt und begleitet von Odilo Engels (Köln), Tilman Struve (Köln) und Peter Bruns (Bamberg). Der Vf. bietet eine detaillierte Analyse der päpstlichen Synoden an der Wende vom 11. zum 12. Jh. Es handelt sich um die Zeit des Reformpapsttums, welche die erste Phase des Inves­titurstreites umfasst und in die Kreuzzugsbewegung hineinreicht.
Der erste Teil der Untersuchung (11–490) bietet eine chronolo­gische Darstellung, die sich an den Pontifikaten der offiziellen Papstliste orientiert. Der Vf. charakterisiert die Quellenlage als »un­günstig« (7). Grund seien Quellenverluste sowie die noch nicht verbindlich geregelte Praxis der Aufzeichnung der Synodalbeschlüsse (Kapitel 1). Neben den Konzilsdekreten werden darum auch Ur­kunden und Briefe analysiert, die im Zusammenhang mit den Synoden entstanden sind. Schließlich werden historiographische Be­richte, Annalen und Chroniken, Bischofsgesten und Bistumsgeschichten sowie Viten herangezogen. Den Anfang bilden die Synoden unter den Pontifikaten der deutschen Reformpäpste (Kapitel 2). Mit ihnen beginnt »die Reihe der außergewöhnlichen Persönlichkeiten von Päpsten, die innerhalb von 75 Jahren die Kirchenreform des Hochmittelalters gestalten sollten«. Der Vf. spricht von einem »neue[n] Stil«, der sich in den nach Frankreich und Deutschland führenden Papstreisen ebenso wie in der persönlichen Leitung von Synoden und Konzilien zeige (11). In ihnen artikuliere sich der universale Leitungsanspruch der Päpste. Die Synoden unter Nikolaus II. lassen, trotz der kurzen Zeit seines Pontifikates, charakteristische Veränderungen erkennen: »Die Anzahl der Versammlungen erhöht sich, um einem breiteren Teil des Klerus, namentlich der Bischöfe, die römischen Entscheidungen und Verlautbarungen bezüglich der Kirchenreform und ihren Zielen präsent zu machen.« (39) Außerdem finden kirchenrechtliche Prozesse statt, die auf den Synoden behandelt werden (Kapitel 3). Unter Alexander II. setzen sich die Kirchenreformer in Rom durch (Kapitel 4). Wie umstritten ihr Wirken allerdings noch ist, wird daran deutlich, dass nur wenige Wochen nach der Wahl Alexanders mit Honorius II. ein weiterer Papst gewählt wird. Der Vf. erwähnt sein Wirken und das der anderen sog. Gegenpäpste, von denen es im behandelten Zeitraum immerhin sieben gibt, nur beiläufig, meist mit negativer Wertung und in Klammern gesetzter Zählung. Das verwundert.
Eine konsequent historisch vorgehende Konziliengeschichte wird auf die Darstellung der Synoden, die von den sog. Gegenpäps­ten geleitet wurden, nicht verzichten können, zumal diese keineswegs von allen Zeitgenossen als nichtlegitime Äußerungsformen der römischen Kirche angesehen wurden. Möglicherweise ist sogar die schwierige Quellenlage bei Alexander ein Hinweis auf dessen strittige kirchenpolitische Stellung: »Von keiner Synode Alexanders II. haben sich Akten erhalten.« (60) Die Synoden unter dem Pontifikat Gregors VII. finden seit Langem großes Interesse (Kapitel 5). Das hängt mit den getroffenen Entscheidungen zusammen, noch mehr aber mit dem Wirken dieses Papstes, der die Geschichte der Kirche bleibend geprägt hat. Nie zuvor wurden so viele Synoden einberufen. Der Vf. zeigt jedoch, dass sie nur »als Rahmen für den Auftritt des Papstes erscheinen«, selbst die Protokolle neigen dazu, »den Papst als den alleinigen Handelnden« darzustellen (116). Unter den Synoden nehmen die während des Investiturstreites mit Heinrich IV. abgehaltenen einen besonderen Platz ein, und es ist spannend zu lesen, wie sich die Ereignisse aus der Sicht der Papstsynoden darstellen (»Von Worms nach Canossa«). Während der einjährige Pontifikat Victors III. auch in synodaler Hinsicht nur eine Episode bleibt (Kapitel 6), haben die Synoden unter Urban II. die Kirche bleibend bestimmt (Kapitel 7). Urban sieht sein Pontifikat in Kontinuität mit dem kirchenreformerischen Wirken seines Vorgängers und setzt sich für die Stärkung der Stadt Rom im Leben der Kirche ein. Ein neuer Aspekt ist jedoch die Kreuzzugsbewegung. Deren Beginn hat sich untrennbar mit diesem Papst verbunden, der »das Forum der päpstlichen Synode für die Planung und Vorbereitung einer solchen ›bewaffneten Pilgerfahrt‹ benutzt und in einer großen Rede im Plenum dafür wirbt« (309). Das Wirken von Paschalis II. ist vor allem von der Auseinandersetzung mit Heinrich V. und den sog. Gegenpäpsten bestimmt (Kapitel 8). Der Vf. verschweigt seinen persönlichen Standpunkt nicht, wenn er sich befriedigt äußert, dass Silvester IV. »endlich« zu Gunsten von Paschalis II. abdankt (396). Ausführlich schildert er die Verhandlungen um das sog. Privilegium, erwähnt allerdings vor allem die königlichen Pressionen und nicht die neuen Ansätze zur Klärung des Verhältnisses von geistlicher und weltlicher Sphäre. Die beiden letzten Kapitel handeln von Gelasius II. und Calixt II., unter deren Pontifikat der Investiturstreit mit dem Wormser Konkordat und den Verhandlungen auf der Fastensynode 1123 vorläufig beendet wird (Kapitel 9/10).
Der zweite Teil (492–585) bietet eine systematische Analyse der Konzilien dieser Zeit. Hinsichtlich der Synodaltermine zeigt der Vf., dass sich die Termine für die Oster- und die Herbstsynoden an antiken Vorschriften orientieren. Nur Gregor VII. bildet eine Ausnahme, wenn er auf Grund seiner eschatologischen Prägung die Ostersynode in die Fastenzeit verschiebt (Kapitel 1). Was die Synodaltopographie dieses Zeitabschnitts betrifft, bestätigt sich die Vermutung, »dass die Stadt Rom als Tagungsort quantitativ den ersten Rang unter allen Orten« einnimmt (507), daneben stehen Benevent und Melfi in Italien sowie Köln, Mainz und Worms in Deutschland (Kapitel 2). Teilnehmer der Synoden sind neben dem Papst und seinen Kardinälen vor allem die (vornehmlich aus Italien, Frankreich und Deutschland kommenden) Bischöfe, in Rom auch der stadtrömische Klerus. Kennzeichnend für den Investiturstreit ist, dass gemeinsame Synoden mit Kaiser und Papst nicht mehr stattfinden (Kapitel 3). Die Synodalpraxis ist durch die päpstliche Präsenz und die liturgische Prägung des Tages bestimmt (Kapitel 4).
Hinsichtlich der Synodalmaterie fällt auf, dass theologisch-dogmatische Fragen kaum vorkommen, während Verwaltungsangelegenheiten und Fragen der Rechtsprechung, die mit den Kirchenreformen zusammenhängen, dominieren (Kapitel 5). Was die Synodenbezeichnungen betrifft, wird deutlich, dass sich beim Gebrauch der Begriffe synodus und concilium »eine Unterscheidung weder in sprachlicher noch in inhaltlicher Hinsicht feststellen« lässt (Kapitel 6). Die Ausführungen dieses zweiten Teiles sind besonders instruktiv, weil sie die Signatur dieses Zeitabschnittes im Spiegel der Konziliengeschichte aufzeigen. Der Vf. macht deutlich, welche Bedeutung die Synoden für die Durchsetzung der Kirchenreform gehabt haben. Seitens der Päpste bestand das klare Interesse, den römischen Primat zu festigen und weiter auszubauen: »Mit Hilfe der Synode sollte die Ecclesia universalis in die Ecclesia Romana umgestaltet werden.« (579) Die meisten Synoden standen darum unter der Leitung des Paps­tes oder seiner Legaten. Reine Bischofssynoden waren die Ausnahme. Die Synoden sollten zu einem päpstlichen Beratungsorgan werden. Einher mit dem römischen Zentralismus geht eine spürbare Verengung des Traditionsbegriffs der Kirchenreformer: »Aufgrund ihrer Überzeugung vom Primat des römischen Bischofs galt ihnen alles, was diese je akzeptiert oder abgelehnt hatten, als die einzig rechtmäßige Tradition. Ihr gegenüber hatte alles Sonstige, und wäre es noch so alt oder tief eingewurzelt gewesen, nur den Rang einer nicht autorisierten Gewohnheit.« (585)

Insgesamt ergibt sich ein grundsätzlich positives Urteil, verbunden mit einigen Fragen. Die Arbeit ist gründlich und kenntnisreich geschrieben. Wer über die Synoden und Konzilien dieses Zeitabschnittes informiert werden möchte, findet hier viele Informationen. Der Fokus auf die römisch-katholischen Konzilien bedeutet jedoch eine deutliche Einschränkung der Perspektive, die übersieht, dass im dargestellten Zeitraum die Anerkennung und Rezeption der Synoden keineswegs unstrittig war. Was für den Vf. selbstverständlicher Ausgangspunkt seiner Argumentation ist – bereits im Vorwort lässt er mit der Datierung auf das »Hochfest der Apos­tel Peter und Paul« seine konfessionell begründete Präferenz an­klingen –, war aus der Sicht der Zeitgenossen alles andere als sicher. Noch war nicht ausgemacht, welche kirchenpolitische Partei sich durchsetzen würde. Hinter der römisch geprägten Perspektive treten auch die anderen Dimensionen und Fragestellungen ge­schichtlicher Analyse zurück. Gewiss wird überzeugend dargelegt, dass die päpstlichen Konzilien an der Wende zum 12. Jh. einen erheblichen Bedeutungszuwachs erlebt haben. Ob für die Analyse dieser Konzilien aber nicht eine problemorientierte, andere historische Perspektiven einbeziehende und konfessionell ungebundene Darstellung besser geeignet gewesen wäre, sei angefragt. Unbeschadet dieser Anfragen ist das Buch für diejenigen, welche an der Papstgeschichte des hohen Mittelalters arbeiten, ein nützliches Nachschlagewerk. Es gewinnt an Wert durch ein detailliertes Personen- und Sachregister, eine Liste der behandelten Synoden sowie ein ausführliches Literaturverzeichnis. In einer kirchengeschichtlichen Bibliothek sollte dieses Buch nicht fehlen.